Das Tor zu Europa. Lisa Luxor

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Название Das Tor zu Europa
Автор произведения Lisa Luxor
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783864687303



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in meiner Tasche und meine Tasche ist weg.“

      Vorsichtig informierte ich ihn, dass mir erzählt wurde, dass er nicht mehr am Leben wäre. „Vielleicht haben sie meine Tasche gefunden und gedacht, ich wäre ertrunken.“

      Ich konnte die Situation noch immer nicht fassen. Ich begann bitterlich zu weinen. Ich hatte geplant, in drei Wochen zu TONY, meinem zukünftigen Mann, nach Ägypten auszuwandern. Meine Habseligkeiten und meine Kleidung hatte ich zum Großteil schon in Kartons verpackt, teilweise, um sie für ein Jahr oder bis zu meinem nächsten Besuch in Österreich einzuwintern, und teilweise, um sie mitzunehmen. Ich hatte auch bereits einen kleinen Lagerraum gemietet, in dem mein Hab und Gut warten musste, um entweder nach Ägypten nachgeholt zu werden oder um in Österreich zu einem späteren Zeitpunkt verwendet zu werden; oder um ganz einfach auf irgend einem Flohmarkt verkauft zu werden. Und nun war alles wieder offen, meine Zukunft war ungewiss.

      Tony machte mich dafür verantwortlich, dass Gott ihm den Unfall geschickt hätte.

      „Ich hätte mich von dir trennen müssen. Ich hätte deine Scheidung niemals akzeptieren dürfen. Das war die Strafe Gottes. Er wird mich immer wieder strafen - so lange bis ich auf dich verzichte. Er wird uns niemals zusammen akzeptieren. Lisa, ich muss dich verlassen.“ „Nein, bitte Tony, nein“, und wieder schluchzte ich laut auf. „Was machst du denn mit einem wie mir? Du verdienst einen guten Mann. Ich bin jetzt dumm. Ich habe meinen Verstand verloren. Ich kann kaum mehr Englisch mit dir sprechen. Ich sehe nicht mehr klar. Mein Arm funktioniert schlecht. Lisa, du hast einen guten Mann verdient, aber ich bin dumm. Und ich werde von Gott so lange bestraft, bis ich dich verlasse. Wir können uns nicht mehr wiedersehen. Gott wird mich solange strafen, bis ich sterbe. Und ich möchte noch nicht sterben. Lisa, ich verlasse dich.“

      Ich weinte, dass ich Tony nun kaum mehr in der Webcam erkennen konnte. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich liebte ihn so sehr, ihn, nur ihn, TONY. Er war mein Anker, ich war das Schiff. Er war meine Seele, ich war physisch und psychisch sein fehlendes Puzzle-Stück. „Wann werden wir uns wiedersehen?“Vielleicht morgen, wenn ich wieder einen Laptop ausborgen kann.“ Es gab also ein Morgen, zumindest noch einmal konnte ich ihn wiedersehen.

      Der Juni begann nicht so sehr harmonisch. Zu Beginn des Monats sagte mir Tony, ein koptischer Christ, wieder einmal mit, dass der Mönch in der Kirche ihn erneut aufgefordert hätte, mich zu verlassen. Er würde sonst wohl zum Militär müssen. Als Tony mir das mitteilte, brach ich wieder einmal in Tränen aus. Er verletzte mich so oft, aber wahrscheinlich war ihm diese Tatsache gar nicht bewusst. Warum teilte er mir immer wieder mit, dass er sich von mir trennen wolle, tat es dann aber doch nie? Immer wieder kam er zurück ins Internet und tat so, wie wenn vorab nichts geschehen wäre, und wiederholte auch, wie sehr er mich lieben würde.

      Heulend kontaktierte ich meine Mutter. Sie reagierte, nach anfänglicher Überzeugung, dass Tony meine große Liebe sei, nun schon wirklich ziemlich allergisch auf ihn, wenn sie auch nur seinen Namen hörte. „Vergiss ihn. Er möchte dich nur los werden, deshalb hat er dir diese Geschichte mit dem Mönch erzählt. Du bist ganz einfach zu alt für ihn. Und mit dir würde er sich vor seine Familie blamieren, du bist ja schon geschieden. Er hat dich so lange akzeptiert, solange du ihm Geld geschickt hast. Aber nun wolltest du heiraten, so muss er dich vorher noch schnell los werden. Er hat dich bereits nach eurem letzten Urlaub verlassen, er hat noch Liebe mit dir gemacht und jetzt, da kein Geld mehr von dir kommt, hat er bemerkt, dass seine Geldquelle versiegt ist.“

      

      „Ich weiß nicht mehr, wohin ich gehen soll, wo ich leben soll, was ich arbeiten soll. Ob ich ein Jahr Auszeit nehmen soll oder nicht? Ich schäme mich so für alles, aber ich weiß genau, ich habe mich für meine Liebe entschieden. Ich habe alles getan, was möglich war, um uns eine schöne gemeinsame Zukunft zu ermöglichen. Und ich habe dich immer unterstützt. Nur das letzte Mal habe ich dir gesagt, du müsstest auch allein zurechtkommen… und diese Entscheidung war sicherlich falsch. Ich fühle denselben Schmerz, als ob du gestorben wärst. Mein Herz ist mit dir gestorben. Warum habe ich dich im Mai nicht einfach ohne Ringe geheiratet? Warum? So viele Gedanken kreisten in meinem Kopf.

      Auch Hany, mein anderer ägyptischer Bekannter und manchmal auch mein Berater über die Lebensweise der Ägypter in dieser fremden, arabischen Kultur, den ich im Mai 2010 in Hurgharda kennengelernt hatte, bestätigte, ich solle endlich zur Kenntnis nehmen, dass Tony einfach genug von mir hatte. Er hätte nun alles bekommen, was er wollte, und nun wollte er ganz einfach wieder seine Ruhe haben. Er hätte nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, an dem er mir alles sagen konnte. Er riet mir, ihn zu verlassen. „Du brauchst einen verlässlicheren Mann. Auch wenn er jetzt weitermacht mit der Beziehung, wird er sie eben später beenden. Und du wirst noch viele Probleme mit ihm haben in der Zukunft.“

      Ich hätte Hanys Worten damals mehr Glauben schenken sollen. Auch er konnte nicht verstehen, dass ich unbedingt in Ägypten leben wollte. Alle meine Begründungen waren für ihn nicht verständlich genug. „You have to forget him. Time will manage your problems“, sagte er mir nur.

      Bald danach meldete sich auch Tony wieder bei mir. Doch anstatt nett zu mir zu sein beschimpfte er mich, weil ich mit einem seiner Freunde im Internet gechattet hätte. Allerdings war es ja sein Freund, der Kontakt mit mir aufgenommen hatte, nicht umgekehrt. Und da Tony mich auch wieder einmal verlassen hatte, wollte ich ganz einfach einmal so entscheiden, wie ICH das wollte. Er war darüber wirklich böse und teilte mir mit, dass wir uns daher erst am Abend im Chat wiedersehen würden. „Tony, ich werde nicht mehr auf dich warten. Ich will nicht mehr.“ Schlagartig wurde sein Gesicht freundlicher und er entschuldigte sich bei mir für seine bösen Worte. Er wäre nur eifersüchtig, meinte er. Und er wolle auf keinen Fall, dass ich mit anderen Männern meine Webcam verwenden würde, denn er wolle nicht, dass mich andere Männer sehen könnten. „Habibi, please forgive me“, bat er mich.

      „Warum bist du immer so gemein zu mir? Und du behandelst mich schlecht, Tony“, sagte ich kleinlaut zurück. „Es tut mir wirklich leid, Schatzi.“

      Und schon war alles wieder vergessen. „Ich liebe dich mein Schatz, hundert Prozent. Ich liebe dich so, meine Frau, ich bin verrückt nach dir.“ „Dann werde ich im Juli zu dir kommen.“ Ich war erleichtert. Es gab also doch eine gemeinsame Zukunft. „Du bist verrückt, Schatzi“, meinte er dazu nur.

      So knapp vor seiner Prüfung war Tony oft angespannt, oft reagierte er geradezu böse auf banale Kleinigkeiten. Und falls einer seiner Freunde es wagte mich in Facebook zu kontaktieren, bekam ich unverzüglich den Ärger von Tony zu spüren. Im nächsten Augenblick schickte er mir schon heiße Worte durchs Internet und wieder glaubte ich ihm. Ich war einfach viel zu naiv. Ich glaubte noch immer an das Gute im Menschen, doch bei Tony traf das sicher nicht zu.

      Am nächsten Tag ging er nach tagelangen Schmerzen endlich zum Zahnarzt. Meine Finanzspritze war also gut bei ihm angekommen, so konnte er die Arztkosten bezahlen. Als er dachte, dass der Zahnarzt seinen Zahn ziehen müsste, war ich überrascht über seine Unkenntnis. So erkundigte er sich bei mir doch tatsächlich, wie der Zahnarzt ein Loch im Zahn beheben würde. Und als er den Zahnarzt dann um eine weiße Zahnfüllung bat, war wiederum dieser sehr verärgert. Und Tony versprach mir fest, ab nun die Zähne zweimal täglich zu putzen, um diese Schmerzen nicht noch einmal ertragen zu müssen.

      Tony lernte sehr viel für seine vorletzte Prüfung an der Universität, trotzdem chatteten wir täglich. Ich hatte ebenfalls sehr viel Arbeit und musste alle meine Projekte zu Ende bringen. Schließlich wollte ich Mitte Juli für vorerst ein Jahr zu Tony ziehen, und falls das Zusammenleben gut funktionieren würde, hatte ich vor, für immer dort zu bleiben. Meine Arbeit durfte ich ruhen lassen, so hatte ich doch noch ein Sicherheitsnetz in Österreich. Wenn es allerdings nicht funktionieren und ich doch vorab wieder zurückkommen sollte, hoffte ich, dass mein Arbeitgeber dieses eine Jahr, das ich pausieren wollte, doch