Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
Da der Hauskauf mein beigebrachtes Kapital restlos aufgezehrt hatte, konnte ich meine Räume nur gerade schlecht und recht mit dem Notwendigsten ausstatten, in der Hoffnung auf künftige Einnahmen. So sehr waren auch Edgar die Mittel ausgegangen, dass ich den Kutscher aus meinem Taschengeld und eigenhändig mit Wäsche aussteuern musste. Ich sehe mich noch unter mächtigen Ballen grober Leinwand sitzen und die Riesenbettücher säumen, an welche italienische Dienstboten einen Anspruch haben, weil sie gewohnt sind (oder waren), sich in der Tracht des Paradieses eng wie Mumien hineinzuwickeln. Manches Tröpflein Blut ist von meinem Finger in den harten Stoff geflossen, und manchen Traum von herrlichen Überlandfahrten, die ich mir mit meiner Arbeit zu verdienen glaubte, habe ich mit hineingenäht. Aber das Schicksal wollte es, dass ich nicht ein einziges Mal, soweit ich mich erinnere, zu der Mitbenutzung des Wagens kam, weil er immer bis zur Ermüdung des Pferdes mit seinem Herrn unterwegs war. Auch mein schöner Saal musste für mich eine Fata Morgana bleiben, denn bevor ich in der Lage war, ihn einzurichten, befand er sich schon in anderen Händen, die mich Schritt für Schritt aus dem Meinigen verdrängen sollten.
Ich ließ mich durch die vorgefundenen Übelstände keineswegs ernüchtern. Was besagten diese Mängel gegen die Freude, dass wenige Schritte vor meiner Tür ein Granatbaum stand, mein Lieblingsbaum, der Baum der Schönheit und der Mythe, der sich nun in jedem Frühjahr für mich mit korallenroten Rosen schmücken würde. Und die Nachtigall! Es war kein poetischer Wahn – sie sang wirklich des Nachts auf dem Granatbaum dort! Sich nun sagen dürfen: das alles ist unser: der große Magnolienbaum in der Mitte, dessen Riesenblüten im Sommer die ganze Straße mit der südlichen Gewalt ihrer Düfte überschwemmten, die früchtereiche japanische Mispel, der Kamelienstrauch und andere Zierstauden, daneben auch die heimatlich anmutenden Lilien- und Rosenbeete, die man selber pflegen konnte; Grund genug, sich immer neu zu freuen.
Wenige Wochen nach unserem Einzug trat der Tod über die Schwelle des neuen Hauses. In ihre Betten eingepackt, hatten wir die arme Josephine hergeführt, die wie ein Licht im letzten Glimmen war, und an einem frühen Novemberabend saß ich an ihrem Bett und hielt ihren schwächer werdenden Puls, bis ihr leiser Schlummer in den ewigen übergegangen war. Dann erst machte ich der Familie die Mitteilung, weil Mama, die an der Hüterin ihrer Kindheit wie an einer Mutter hing, mit einer fertigen Tatsache sich leichter abfand, als mit dem, was erst vor ihr lag. Ich erinnere mich noch, wie ich meinen weißen Morgenüberwurf brachte, um die Verblichene darein zu hüllen, und wie ein abergläubisches Anwesendes mich zurückhalten wollte, weil an diesem selbstgetragenen Stück die Tote mich nachziehen könnte; aber so etwas tat unsere Fina nicht.
Als Ablenkung von dem neuen Leid, das sich so rasch an das um unsern Balde schloss, diente unserer guten Mutter der kleine venezianische Gast, Alfreds Stiefsohn, den dieser ihr noch in der alten Wohnung nach Baldes Tod gebracht hatte. Er hieß Guglielmo, wurde in der Familie scherzweise Gugl genannt und war ein schönes Kind von etwa acht Jahren mit langbefransten dunklen Augen, die aus einer schwermutsvollen Tiefe herauszublicken schienen, war aber in Wirklichkeit ein leichtsinniger kleiner Nichtsnutz. Meine Mutter war jedoch mit ganzem Herzen dabei, weil sie wieder ein junges Wesen zu betreuen hatte, mit dem sie »schulmeistern« konnte, wie sie sich ausdrückte, ihm die ersten Sprachbegriffe beibringen und von dem Trojanischen Krieg, der für sie der Anfang aller Dinge war, erzählen. Der Kleine lernte so gut wie nichts, war gänzlich unaufmerksam,