Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde

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Название Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz
Автор произведения Julius Stinde
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066112479



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      »Mir ooch,« jammerte Dorette. »Er sagte, hier könnte er sich von wejen Undank nich wieder blicken lassen.«

      »Kann er auch nicht,« gab ich drauf.

      »Und mit Heirathen is et nischt. Er setzt Alles bei den Strike zu, ooch wat ick ihm erspart habe.«

      »Warum begeht er denn solche Gemeinheit und verloddert sein Glück, Ihr Glück?«

      »Er wollte ja ooch nich, ihn hat das Herz jeblut't, aber er mußte ja. Wat kann er alleene jejen die Uebermacht? Er jinge für den Herrn und die Frau durch den dicksten Kleister, aber er derf nich.«

      »Wer macht mir nun den Adler für meinen Aufbau?«

      »Was?« rief ich, »der ist noch nicht da? Die Hauptkrone der ganzen Ausstellung?«

      »Vorläufig nur im Grundriß.«

      »Karl, her damit. Ich hole den Eiserkasten. Den bringen wir selbst auch wohl noch zu Stande, der akademische Plan ist ja vorhanden und die Socken dito.«

      »Halt, Wilhelmine, nicht übereilt. Es sind Tapeziere von auswärts verschrieben, die werden kommen. Was am Eröffnungstage nicht fertig ist, wird's vierzehn Tage später sein.«

      »Das werde ich besonders in meinen Berichten hervorheben, mein Karl. Du sollst nicht wegen des Streikes zu kurz kommen. O nein. Ich werde öfter lobend auf Dich hinweisen, und wenn er erst an seinem Platze prangt, auch auf den Sockenadler. — Haben Sie sich man nicht so, Dorette, Sie sehen, es geht auch ohne.«

      »Ach, Madame, et is schon nich mehr scheen. Ick weeß nich, wie't werden soll.«

      »Dorette,« nahm ich strenge das Wort, »wir haben diesen Sommer doppelte, ja dreifache Arbeit, dabei müssen Sie durchaus auf dem Posten sein.«

      »Det kann ick nich versprechen.«

      »Dann gehen Sie besser.«

      »Det wollt' ick ooch nich.«

      »Was wollen Sie denn, Dorette?«

      »Blos en Bisken Nachsicht mit meine traurije Lage.«

      »Das werde ich mir erst noch mal überlegen. Gehen Sie an Ihre Arbeit.«

      Sie ging.

      »Karl,« sagte ich: »die Ausstellung, ein Mädchen, auf das kein Verlaß, die Berichte, oder gar ein unerfahrenes neues, das Haus voller Fremden, weißt Du, das sind Sommer-Aussichten, die ich mir doch etwas anders gedacht hatte.« »So denkt man immer,« sagte mein Karl.

Dekoration -- Frau

Titel-Dekoration

       Inhaltsverzeichnis

      Die Ausstellung war kaum eröffnet, als der Herr Redakteur energisch die versprochenen Berichte verlangte; es wäre doch reichlich Stoff vorhanden.

      Als ob ich das bestritten hätte? So weit mir bewußt, niemals. Also weshalb Vorwürfe? Womit soll ich anfangen und an welchem Ende, da gerade, was sich zum Beginnen eignet, noch nicht fertig ist? Liegt die Schuld etwa an mir?

      Soll ich das Unterrichtswesen zuerst vornehmen? Was sagen dann die Damen, die das Seidenkleiderige vorziehen oder die Juwelenabtheilung? — Oder das chemische Gebäude? Ich habe mir ein Buch mit bunten Ausstellungs-Ansichten gekauft, darin steht: »Das Dach dieses Gebäudes hat eine eigenthümlich gewellte Form: ein Rundbogen verläuft in einen scharfen Kamm, als Andeutung gleichsam, daß der Bau der Wissenschaften, deren Pflege sich hier zeigt, immer höher und höher steigen werde.« — Wenn man dies nicht wüßte, würde man dem Dache garnicht ansehen, was für ein schlaues Dach es ist. Manche sagen, sie sähen es auch schon, ich aber sehe mir es noch nicht darin, obgleich ich wiederholt das Opernglas zu Hilfe nahm.

      Ich holte Herrn Kriehberg darüber aus. Er meinte, »die Wissenschaft als Rundbogen gedacht, wäre sehr geistreich.« — »Dann rummelt ja die ganze Stadtbahn über Wissenschaft weg,« entgegnete ich, »blos, daß in den Stadtbahnbögen, soweit mir bekannt, mehr die Gurgel als der Geist genährt wird.« — »Sie laufen auch nicht in scharfe Kämme aus,« bemerkte er, »darin liegt es. Der Kamm ist das Individuelle. Hätte man mich gefragt, ich hätte ihn dreifach so scharf konstruirt, wenn nicht noch schärfer, um die eminente Höhe der Wissenschaft durch architektonische Lineamente auf das Allerschärfste zum Ausdruck zu bringen.«

      »Schade, daß Sie es nicht waren, Herr Kriehberg,« sagte ich, »Sie hätten es gewiß für Jedermann aus dem Volke faßbar hingemauert.« — »Das versteht sich,« versicherte er, und man sah ihm an, er hätte es.

      Wenn nun ein Gebäude schon in seinem Aeußeren so viel Unverständliches birgt, wie wird es dann erst drinnen sein, wo sie die gesammte Wissenschaft losgelassen haben? Ich fürchte, mit Frauen-Emancipation allein bewältigt man die innere Bedeutung nicht, wenigstens nicht in einigen Stippvisiten, und darum halte ich die Chemie mit den daran hängenden Gruppen als Erstes nicht recht angrifflich. Vielleicht wimmele ich in meine späteren Berichte hin und wieder einen Atzen Chemisches, aber zum Ausspiel ist es mir zu riskant. Auch hoffe ich Beistand von Ottilie, denn die ist auf Sauerstoff, Spectralismus, Galvanistik und alle anderen neueren Bildungsmittel examinirt worden. Nur Muth.

      Wenn Ottilie blos erst käme. Beschreibe ich Sachen ohne sie, will sie natürlich hinterher sich auch daran belehren, und ich versäume die Zeit, neue Eindrücke aufzusaugen während der Wiederholung des bereits durch die Tinte Gezogenen. Aber sie kann noch nicht, ihre Schneiderin hat sie auf das Sündhafteste vernachlässigt, indem sie zwischendurch ein Brautkleid zurecht prünte. Hatte das denn solche Eile? Ich kenne die Leute nicht und will auch keine Steine schleudern, aber den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit kann ich ihnen nicht ersparen; ihretwegen muß ich mich vorläufig mit Ottiliens Photographie behelfen.

      Sie sieht in Cabinetgröße recht jugendlich aus, aber wie ist sie frühmorgens ohne Retouche? Wenn es keine schwarze Tusche gäbe, wie Viele da wohl ohne Augenbrauen in den Albümern stächen?

      Mein Karl fand sie passabel. — »Mehr nicht, Karl?« — »Eher weniger« — »Karl, sie gehört zu meiner Verwandschaft.« — »Sie ist Dir aber nicht im Geringsten ähnlich.« — »Das wollt' ich mir auch ausgebeten haben. Nein, Karl, solche spitze Züge habe ich nie besessen, selbst nicht in den Heranwachsjahren; und die Augen reißt sie etwas gewaltsam groß.« — »Dafür zieht sie den Mund um so kleiner.« — »Ich vermuthe, sie kommt bedeutend unähnlicher an, als sie aussieht.« — »Bezweifle ich keinen Augenblick.« — »Karl, Gelehrte sind nie bildschön, also Gelehrtinnen erst recht nicht; das heißt ihre Figur ist nicht übel.« — »Zeig' noch mal her das Bild.« — »Nein, Du hast genug gesehen, Ihr Männer gebt viel zu viel auf den Wuchs und bedenkt nie, wie viel Fischbein dabei ist. In dieser Beziehung kann ich Professor Röntgen nicht hoch genug preisen; der dreht Euch endlich ein durchschauendes Licht auf, und er nennt es auch sehr richtig X-Strahlen, weil alle X-Beine dadurch ersichtlich werden.« — »Hat sie welche?« — »Wer?« — »Die Ottilie.« — »Karl, selbst als Scherz betrübt diese Frage mich tief. Ich habe über Ottilien zu wachen, wie eine Mutter über dem Hühnchen aus dem Ei...« — »Schon mehr Henne,« lachte mein Karl dazwischen. — »Wer?« fuhr ich auf, »wer ist die Henne?« — »Nun, die Ottilie,« lachte er weiter, »sie hat wirklich etwas hühnerhaftes in ihrer Physiognomie.« — »Photographieen treffen manchmal daneben,« wies ich ihn ab. Ueber meine Verwandtschaft spectakeln erlaube ich nicht.

      Wäre Ottilie, was man unter schön versteht, hätte ich sie bei den lieben Ihrigen gelassen oder nur auf flüchtigen Besuch gebeten. Meine beiden Töchter würden es krumm nehmen, obgleich sie längst ihre Männer haben, wenn plötzlich eine entfernte Cousine Aufmerksamkeit in den Kreisen auf sich lenkt, die sie bis zum Jetztpunkt beherrschten,