Название | Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz |
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Автор произведения | Julius Stinde |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066112479 |
»Wir werden es schon finden,« sagte die Pohlenz. »Mir recht,« entgegnete ich. — Bei dem Durchwandeln des Parkes konnte ich wundervoll feststellen, wie angestrengt in den letzten Tagen gearbeitet worden war und wie die Ausstellung immer completer und schöner wurde. Es will eben alles seine Zeit haben, selbst der simpelste Hefenteig.
Schritt vor Schritt gab es etwas zu betrachten, eine von uns Dreien blieb immer irgendwo hängen und war nicht mit zu kriegen und, als wir glücklich bei den Marineschauspielen anlangten, war die Vorstellung justement vorbei.
Die Pohlenz, nun beleidigt gethan und vorgeworfen, wir, also die Butschen und ich, hätten absichtlich gebummelt, damit sie zu spät käme und so wie ich hätte mich gerühmt, Bescheid zu wissen und das schiene doch nur sehr plundrig. Grade ihrem Husten hätte die Marine-Seeluft gut gethan. Aber man gönnte ihr nichts Gutes. In denselben Ton verfallen war meinerseits nicht, obgleich sie es war, die am meisten stehen blieb und überall hineinwollte, wo noch garnicht eröffnet wurde. Hocharistokratisch entgegnete ich daher: »Mein Fräulein, die Ausstellung ist zu groß, als daß sie auf ein- oder zweimal in den menschlichen Geist geht. Schuld allein ist die Gnietschigkeit, sich kein Programm zuzulegen.« — Das könnten Andere sich nicht minder zuziehen, schnatterte sie gegen in ihrer sticheligen Manier und bewies dadurch wieder, wie sehr es ihr zwei Finger hoch über der Nase fehlt.
Mir fiel sofort plötzlich ein, daß ich meinem Karl versprochen hatte, rechtzeitig wieder zu Hause zu sein, und, indem ich zur Butsch sagte: »Sie bleiben wohl noch,« machte ich eine absichtlich gelenkarme Verbeugung, woran die Pohlenz etwas zum Nachdenken hat, und verabschiedete mich. Mir war klar geworden, daß es bei Ausstellungen doch sehr auf die Gesellschaft ankommt, mit der man sie besucht.
Der Hausbesuch regt sich.
Kaum haben nämlich die Herrschaften auswärts in den Zeitungen gelesen, daß die Ausstellung angegangen ist, ehe sie fertig war, sie sich, wie sie gebacken sind, hingesetzt und geschrieben, sie kämen erst später. Die Antworten darauf und das Umkatern der Anmeldezeit, der Zimmerbesetzung und gegenseitiges Verständigen, da Ungermann's jetzt mit Tante Lina zusammenfallen und der Amtsrichter dito mit ihr zusammenstößt, wenn auch Ungermann's umgelegt werden, das hinderte. Ungermann's müssen in die gute Stube und Tante Lina läßt sich allenfalls nach Butsch's abzweigen, andererseits jedoch ist der Amtsrichter unmöglich mit der Mädchenkammer zufrieden. Das Fremdenzimmer ist besetzt. Und die Dorette sperrt sich gegen das Schlafen auf dem Boden.
Hat man den Kopf voll von Einrichtungen, kann man keine allgemein einleuchtende Berichte über die Größe der Industrie und das Bedeutendste der Gesammtleistungen verfassen. Es sind in der That Leistungen draußen, von denen man, wie Napoleon oder wer es war, nur sagen kann: es sind welche! Und wie manches, geradezu nicht hoch genug anzuerkennende ist in einem Seitenflügel angebracht. — Jawohl, das ist es! — Da wird es Pflicht der Berichterstattung, es hervorzuziehen und laut zu verkündigen: da seht her, was hier gewebt ist, diese prachtvolle Qualität und dauerhaft im Tragen. Und preiswürdig! Denn bei den immensen Kosten will doch auch der Aussteller sein Geschäft machen und das kann er nicht in einem Winkel, an dem das Publikum sinnlos vorüberrennt und seinen Fleiß, seine Arbeit, seine Tüchtigkeit links liegen läßt.
Aber ich will's schon schieben.
Was Auswärtige nun unter »nicht fertig« denken, das würden sie selbst mit den schrecklichsten Daumenschrauben nicht gestehen können, da sie ja garnicht wissen, wie die Ausstellung werden soll, wenn sie fertig ist. Freilich, desto vollendeter sie ist, desto mehr Totaleindrücke giebt sie her, aber für Viele thut sich ohne dies schon fast zu reichlich. Außerdem hat bis jetzt noch keine große Ausstellung ihren Zeitpunkt innegehalten. Den letzten Pinselstrich hat wohl noch Niemand gesehen, wie mein Karl meint.
Was ihn selbst betrifft... er will nicht in der Fabrik schlafen und sagt: »er sei nun einmal ein Gewohnheitsthier und werde, so weit in seiner Macht stände, sich auch nicht ändern.«
»Karl,« hielt ich ihm vor, »die Aufgabe des menschlichen Geschlechts liegt neuerdings in der Vervollkommnung. Man muß das Thierische, das Einem noch von den Vorzeiten anstammt, immer mehr abstreifen, namentlich Gewohnheiten.«
»Meine Familie hat sich nie zu der Darwin'schen Religion bekannt,« sagte er. »Wie Deine es damit gehalten hat, wirst Du selbst am besten wissen.«
»Was willst Du damit behaupten? Was kannst Du mir vorwerfen? Oder willst Du meine Vorfahren verächtlich machen? Karl, die liegen in ihren Gräbern und können sich nicht vertheidigen und Du schiltst sie Gorillas?«
»Mit keiner Silbe!«
»Wenn einer Darwin sagt, meint er Affe. Und das verbitte ich mir für meine Ahnen, das waren Musterleute. Was mich selbst betrifft, bin ich viel zu aufgeklärt, um zu leugnen, daß ich nicht auch meine Fehler hätte.«
»Ganz sicher.«
»So; und welche wären das? Wie? Ich möchte sie wirklich kennen lernen. Jawohl, das möchte ich. So nenne sie doch.«
Er besah seine Fingernägel, als wären es Polizeiakten, aber es stand nichts darauf.
»Siehst Du, Karl, wie leicht etwas nicht bewiesen wird? Gesetzt den Fall, ich wäre nicht Deine Dich innig liebende Gattin, sondern Besuch von Außerhalb und ginge Dich direct verklagen? Bedenke den Blam! Du in allen Zeitungen, an jedem Biertisch gelesen und straffällig gefunden, verurtheilt von der öffentlichen Meinung und nie — nie Kommerzienrath. Du urtheilst zu rasch, mein Karl, Du bist zuweilen recht unüberlegt; ich will es nicht gerade tadeln, weil es an Deinem jugendlich aufwallenden Blut liegt — Du hast Dich auffallend gut konservirt — aber wenn wir Fremde haben und Du läßt Dich hinreißen und schmetterst in Deinem Leichtsinn gerichtliche Ehrenkränkungen hin wie eben... Karl, hast Du die Folgen bedacht? Ich meine Folgen, wenn ich Folgen sage...«
»Wilhelmine, ich weiß nicht, wie Du mir vorkommst.«
»Bange Blicke in die Zukunft, die Besorgniß um Dich...«
»Aber Kind...«
»Karl, es ist das Beste,... Du schläfst in der Fabrik, dann kann so etwas garnicht passiren.«
»Nein!«
»Und wenn's nachher zu spät ist? Wenn es sich erfüllt, wie ich voraussehe?«
»Für das, was geschieht, übernehme ich, Karl Buchholz, die Verantwortung. Bist Du damit zufrieden?«
»Vollständig. Gewiß, mein Karl. Ich möchte den sehen, der Dir irgendwie käme... Aber wenn Du in der Fabrik schlafen wolltest...«
Was er sagte, als er das Lokal jetzt verließ, verstand ich nicht genau. Ich glaube beinahe, er fluchte.
Aber er hat nun einmal das Prinzip, nicht in die Fabrik überzusiedeln und Prinzipien sind um so eigensinniger, je höher sie gehalten werden.
Und doch... mein Karl muß in die Fabrik.
Meine Stimmung war eine durchwachsene; es that mir wohl, daß mein Mann nicht von mir weg wollte, und gleichzeitig verdrossen mich seine Sperenzken. Um diese beiden Drehpunkte bewegten sich meine Gedanken, als ich mich nunmehr hinsetzte, der Kliebisch Tag und Woche zu schreiben, wann wir sie mit Gatten bei uns sehen könnten, und nebenbei einige Andeutungen über ihren Briefstil zu