Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde

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Название Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz
Автор произведения Julius Stinde
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066112479



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mit Crême. Sie soll merken, daß man Gewicht hat, trotz ihres naslöcherigen Betragens, weil ihr Mann Studirter ist und sie sich in jeder Gesellschaft das Meiste dünkt. Wenn ich wieder erscheine, thu ich ganz wie gewöhnlich mit Schlichtheit und Selbstverständlichkeit. Und sie hat den Aerger intus. Den hat sie reichlich an mir verdient mit früheren Pikanterien und Ueberhebung, sogar über meinen Mann, der doch ganz anders einzubrocken hat als ihr Mann mit den dicken griechischen Büchern und dem dünnen Gehalt.

      So verspreche ich mir viel Interessantes und Erhebendes von der Ausstellung schon jetzt, wo sie aus dem Gröbsten heraus den letzten Schmuck angelegt kriegt. Wie viel tausend Hände sich regen, das muß man sehen, und Alle von dem einen Gedanken beseelt, daß es schön wird.

      Solcher Anblick erfreut, wo so viel Zerstören in der Welt ist, so viel Hader und Häßliches. Hier soll es schön werden. Und das wird's auch.

      Allein blos die Natur. Der Berliner ist ja schon vergnügt, wenn er einen Baum sieht. Desto grüner er ist, desto besser, daß er ihm gefällt, und nun im Park die massenhaften Anlagen mit Bäumen und Gebüschen, Teichen, Kanälen, Rasenflächen und Beeten, wie wird ihm dies Alles zu Herzen sprechen.

      Und in dem Waldartigen die verschlungenen Pfade und die einzelnen Fachgebäude, freundlich und lustig, bunt bemalt und fröhlich geziert, so im Grünen darin, als hätte der Osterhase sie versteckt. Welche Ueberraschung, wenn man immer wieder Neues entdeckt, wenn man beinahe vorbeigetrabt wäre und nach und nach inne wird, wie groß und bedeutend die Ausstellung wirklich ist, und wie riesig mannigfaltig. Man müßte schon vier Beine haben und ein Dutzend Augen.

      Bald fängt es an zu blühen, der große Park wird zu einem Garten, zu einem Paradies des Fleißes und der Arbeit. Die Springbrunnen plätschern, die Maschinen wirbeln, Fahnen flattern, Blumen duften, auf dem Gewässer wiegen sich Gondeln, die Wilden lagern in Kairo, Alt-Berlin wird lebendig. Musik erschallt, die Thore öffnen sich und jubelnd ziehen wir ein, wir Alle miteinander aus Nah und Fern.

      Und die Vögel sitzen auf den Zweigen und singen dazu.

      Mein Karl fing aber noch einmal an: »Wilhelmine, es werden Sachverständige über die Ausstellung schreiben — wo bleibst Du?«

      »Darüber beunruhige Dich nicht, viel eher fürchte zu viel Sachkenntniß. Du willst wissen wie und weshalb? Das bleibt vorläufig mein Geheimnis. Ich nenne Dir nur den einen Namen: Ottilie.«

      Er sah mich ganz perplex an der gute Karl.

      »Du wirst es schon erfahren!«

Titel-Dekoration

       Inhaltsverzeichnis

      Beellachinis Hut Das merkwürdigste von allen Organen des Menschen ist sein Gedächtniß. Ich habe bis vor Kurzem keinen rechten Begriff davon gehabt, aber ich stelle mir es vor wie früher Bellachini's Hut — Nichts ist darin und ohne daß man daraus klug wird, kommt die erstaunungswürdigste Füllung zum Vorschein: Laternen, Bälle, Becher und zuletzt ein Wickelkind, das einen Heiterkeitserfolg erntet. Oeffentliche Wickelkinder sind immer von durchschlagender Wirkung.

      Ich muß mich an diesen Vergleich halten, um mir zu erklären, wieso mein Karl und ich mit einem Male in dem Kopfe so sehr Vieler auftauchten, die sich erinnern, daß wir sie gebeten haben, uns zu besuchen, wenn der Weg sie nach Berlin führte, und mit unserem Fremdenstübchen vorlieb zu nehmen.

      Da sind Verwandte von meinem Karl, die mit ihm blos durch höchst zweifelhafte Urgroßmütter zusammenhängen und es vor Gott und der Welt unverantwortlich finden, intimere Beziehungen so lange vernachlässigt zu haben und ihre Saumseligkeit nur dadurch tilgen können, daß sie während der Ausstellung einige Tage bei uns weilen. Ablehnung meinerseits ist nicht angebracht, denn keine Behandlung schmerzt den Mann mehr, als wenn die Gattin seinen Angehörigen und Freunden das Haus zum Eiskeller macht, und außerdem bin ich durch meine Seitenlinien in gleiche Lage gedrängt. Als damals die Tante in Bützow starb, habe ich mitgeerbt, und Erben legt Verpflichtungen auf. Sollen die Leute sagen: »den Draht schluckt die Buchholz, aber trotzdem sind die Familienbande zerrissen.« — Nein!

      Und dann die Geschäftsfreunde, theils mit, theils ohne Hälften, die sich bei unserer Silberhochzeit förmlich fürstlich angestrengt haben — die eine Servante ist geradezu ein Schützentempel werthvollster Metallgaben — und Jeder, der sich darin verewigte, ist zum Ehrenmitgliede unseres Hauses ernannt, und die Ruppigkeit, die einmal zuerkannte Ehre hinterher zu verweigern, haben wir nicht, selbst, wenn sich Einiges auch blos als plattirt herausstellt. Beim Putzen schimmert der Verdacht an den Kanten manchmal durch.

      Bei jedem neuen Briefe mit dem Wunsche des Wiedersehens und der jetzt erst möglichen Annahme der überaus liebenswürdigen Einladung vom so und sovielten, Anno so und so, sagen wir »Sehr schätzbar, aber wo unterbringen«? Denn das Fremdenzimmer habe ich ursprünglich für Ottilie bestimmt, die mit mir die Ausstellung studiren wird und ihr ungeheures Wissen hineinträufelt, wo ich eine Zuthat nothwendig erachte.

      Sie ist die Tochter einer Halbcousine von mir und geprüfte Lehrerin, womit sie sich ziemlich sorgenfrei ernährt, soweit das Leibliche in Betracht kommt. Mit dem Geistigen und den Nerven aber hat sie ihre Molesten. Wer versteht sie in dem Nest? Vielleicht Einige, aber mit denen geht sie unglücklicher Weise nicht um. Seit Jahren hat sie unbändige Gelehrtheit in sich aufgespeichert, von der sie nicht erleichtert wird, da sie nur in den Anfangsgründen unterrichtet, weshalb die Nerven unter fortwährendem, wissenschaftlichem Druck leiden. Sie schrieb mir, Berlin wäre der einzige Ort, mit seinen Kapazitäten ihren Nerven aufzuhelfen, sie ginge zu Grunde in der geistigen Einsamkeit und so kam ich auf den Gedanken, sie als Ausstellungsvertraute heranzuziehen.

      Mein Karl sagte: »Es ist mir lieb, Dich draußen nicht allein zu wissen, denn ich kann Dich nicht so oft begleiten, als Du wegen Deiner Berichte Dich abstrappeziren mußt. — Aber wenn Ottilie das Fremdenzimmer bezieht, wo bleiben wir mit den anderen Gästen?«

      »Karl,« sagte ich, »Ottilie schläft bei mir.«

      »Und ich?« unterbrach er mich.

      »Du wirst in der Fabrik eingerichtet.«

      »Danke!« — —

      »Danke nicht eher, als bis Du siehst, wie gemächlich Du es dort haben wirst. Fabrik und Haus sind durch den Zwischengang ein und dasselbe. Wollen wir die Kundschaft vor den Kopf stoßen? Herr Ungermann hat sich angemeldet, einer Deiner besten Abnehmer — er widmete die große silberne Fruchtschale — durch und durch echt — und seine Frau kommt mit. Und alle die Anderen! Wir müssen noch die gute Stube als Logirzimmer hergeben. Wenn das Mädchen auf dem Boden bivuakirt, läßt sich ein einzelnes Wesen in ihrer Kammer beherbergen, wie zum Beispiel Tante Lina. Kleinstädter sind anspruchslos.«

      »Das kann ja reizend werden.«

      »Karl, es muß sein.«

      »Aber bedenke die Menge!«

      »Es gehen viele Sardinen in eine Dose, wenn das Oel nur gut ist, ich meine nämlich die Behandlung. Die Hôtels sind bis unter das Dach übervölkert, also muß die Privatmildthätigkeit eingreifen. Freilich die Krausen vermiethet für Geld, ich glaube, sie nächtigt mit ihrem Mann in seinem Schreibsecretair oder sonst, wo es unpassend ist, blos um Beute zu machen. Kein Laster dünkt mich empörender, als diese Art von Wucher, wo er doch die Jünglingsjahre ihr geopfert hat und in seinen alten Tagen Bequemlichkeit beanspruchen darf.«

      »Mit mir wird auch nicht viel anders umgegangen.«

      »Nicht, daß ich wüßte.«

      »Kommandirst Du mich nicht aus meiner gewohnten Behaglichkeit