Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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heut' so herlebig (herausfordernd)?«

      Die Mädchen flüsterten einander zu und rieten hin und her, wer denn die Auserwählte sein könne. Andere dachen an das Testament im Haberturmhofe und schüttelten den Kopf.

      Und als bei demselbigen Kirchgang der alte Haberturm auf dem Hute seines Ziehsohnes die kecke Stellung der Federn sah, blickte er höchst verwundert auf.

      Rudolf zog den Hut ab und streute die Federn auf die Erde.

      »Sie haben das Zeugnis gegeben vor Euch und vor den Leuten,« sagte er, »ich habe mich mit Heidepeters Regina versprochen.«

      »Hast recht!« versetzte der Bauer kurz.

      »Ich weiß es, Vater, daß ich nun wieder fremd bin in Eurem Hause, aber es muß wohl so sein. Ich hab' jahrelang zurückgehalten; ich hab' Euch keinen Kummer machen wollen und mich nicht heimatlos. Ihr seid mein größter Wohltäter auf der Welt, und das verlangt Ihr nicht von mir, daß ich mein Leben selber begrabe.«

      Der Haberturm starrte vor sich hin, dann murmelte er: – »So.«

      Aber auf der Heimkehr gesellte sich der Bauer wieder zu Rudolf. Sie waren anfangs die Vordersten, doch sie ließen die anderen Einödleute vorübergehen.

      Und als alle vorüber und sie die Letzten waren, sagte der Alte:

      »Rudolf, was ich damals beim Zaun gesagt hab', das ist nicht so genau zu nehmen. Du bleibst noch da, Rudolf. Nur das nächst mit der Feder hättest dürfen bleibenlassen. Geh jetzt heim und koch' den Leuten das Mittagsmahl, ich muß auf einen Sprung zu der Zapfenwirtin hinein, 's ist was auszurichten vom Amtmann.«

       * * *

      Das war in demselben Jahre eine bewegte Erntezeit in der Einöde. Die Kornähren waren schwer und die Gartenfrüchte groß und frisch wie schon seit langem nicht.

      Und dennoch war kein ruhiges, planmäßiges Arbeiten, sondern eine ungewöhnliche Erregung und Verwirrung. Selbst den Haberturm ließ es nicht bleiben im Zapfenwirtshause, und der so strenge Hahnenkamp ließ die Wirtschaft gehen, wie sie ging: er schritt stetig um seinen Hof und knirschte in sich hinein:

      »Niederschlagen, niederschlagen, aufknüpfen auf den höchsten Baum in der Einöde!« Wen meinte er nur?

      Büttel gingen umher und pochten an alle Haustüren, und wo nicht freiwillig aufgemacht wurde, brachen sie ein. Wenn man sie zur Rede stellte, was diese Gewalt bedeute und wer sie dazu berechtige, so gaben sie keine Antwort. Sie fluchten und höhnten nur, sie durchstöberten Korn und Kammer, Kisten und Kästen, und wo sie ein Schießgewehr fanden, da lachten sie und nahmen es mit sich.

      »Eine solche Zeit ist noch nicht gewesen,« sagten die Bauern, »haben wir nicht Weib und Kind zu wahren und zu schützen? Gibt es nicht wilde Tiere und schlechte Leut' in der Gegend? Leben wir nicht in der Einöd'? Und die Schutzwehr tragen sie uns davon!«

      »Sollen sie uns davontragen!« rief der Hahnenkamp. »Bauern, dasselb' ist erlogen, daß diese Herren keinen Herrn haben! Das sag' ich: Nicht ein Splitterl von meinem Güterl! Was mein ist, ist mein! Nachbarn! Wir finden in unseren Häusern noch Sensen und Beile und Hacken, wir finden noch was anderes, Bauern, wir stehen auf!«

      »Aufstehen«, meinte ein anderer kopfschüttelnd, »wär' schon recht, aber 's ist halt eine gewagte Sach'!«

      »Du wagst am wenigsten was,« schrie ein Holzhauer, »und wenn sie dir deinen Kürbis einbrennen, so hat die Einöd' keinen Nutzen und keinen Schaden.«

      Aber die Büttel gingen doch umher und durchstöberten die Gehöfte.

      Graf Frohn hatte nämlich wieder neue Wilderergeschichten vernommen, besonders den Fall mit dem Zapfenwirtssohn im Schroffenwald. Er gab darauf in seinem Jägerhause dem neuen Förster folgenden Auftrag:

      »Mir scheint, diese Einödler wildern wieder? Auch Waldfrevel kommen vor. Das ist albern von den Leuten. Es wird gut sein, ihnen vorläufig die Gewehre abzunehmen.«

      Wenige Tage später, als der Patron die Widersetzlichkeiten der Einödbauern erfuhr, flog eine matte Röte über sein Gesicht, und er sagte zu sich »Wenn's die Leute so treiben, ziehen wir andere Saiten auf. Wenn sie's denn just wissen wollen, wer der Herr ist, so mögen sie's wissen. Wir haben die Besitzungen hier nicht, daß sie uns Ärger bringen, wir haben das Bauernvolk auch nicht aufkommen lassen, daß es das Wild vernichte und den Wald verderbe. Mein seliger Vater hat hier ansiedeln lassen, ich will aufräumen. Der Wald ist mein, keinen Stamm Holz sollen sie mehr haben – nicht einen Fidibus! Abstift' ich sie!«

      Und bald war es laut in der ganzen Einöde: »Abstiftet er uns all'!«

      Die Jüngeren wußten gar nicht, was das heißt »Abstiften«, aber die Älteren wußten es wohl.

      »Abstiften! Uns Grund und Boden wegnehmen, uns davonjagen, unsere Häuser niederreißen und auf dem Boden Waldsamen säen. Das heißt Abstiften.«

      »Sonst nichts? – Herrgott, da setzt's was ab!«

      »Abstiften, das kann er nicht,« riefen andere, »Grund und Boden ist unser Eigentum. Die Jagd und der Wald ist zwar sein, und auch dazu haben wir nach altem Herkommen ein Recht. Wir üben's aus, und wenn neunnndneunzigtausend Großteufel –«

      »Ja, ja, ja, schreit nur und macht Fäuste, wird euch nichts helfen. Die Seeleiten ist vor sechzig Jahren auch abgestiftet worden, und nun steht ein schlagbarer Wald darauf.«

      »Zu den drei Teufeln hinein!« fluchte der Hahnenkamp, »da hab' ich das Heidehaus um die Halbscheid zu teuer. Ich aber sag' euch's, Bauern, ich geh nicht von Haus und Hof, das ich mir ehrlich erworben, und ich heb' mit dem Großteufel was an!«

      »So heirat' ich,« meinte der alte Haberturm, »wenn mein Hof auf alle Fälle hin ist, so heirat' ich!«

      Auf diese Weise wurde planlos hin und her geschrien.

      »So schlecht wird's nicht sein«, sagte Rudolf zum Haberturm. »Das mit dem Abstiften ist ein neues Aufkommen – dagegen sind Gesetze da. Wir haben Anrecht auf Grund und Boden, wir haben ihn urbar und fruchtbar gemacht, wir –«

      »Du hast gar nichts urbar und fruchtbar gemacht«, unterbrach ihn der Bauer in seinem Ärger. »Allweg wollen es die jungen Gelbschnäbel besser wissen wie unsereins. Wer ist länger da, ich oder du?«

      Der Hahnenkamp fluchte mit seinem Gesinde noch mehr und beständiger als jemals, und nun wollte er es nicht einmal mehr leiden, wenn der Knecht beim Brotaufschneiden pfiff, was er sonst ja immer gern gehabt hatte. Das Gesinde aber sagte zueinander:

      »Ist schon recht, wie's jetzt kommt. In der Einöd' ist sein Lebtag soviel Streit und Neid und Ungerechtigkeit gewesen. Der Stärkere hat den Schwächeren niedergehalten und ihm das Knie auf die Brust gesetzt; jetzt kommt über den Stärkeren ein noch Stärkerer. Wir lachen, wenn diese Hungerleidnester abgestiftet werden; wir binden unsere Sach' auf den Buckel und gehen um ein Pfarrl weiter.«

      Beim Zapfenwirt fanden wiederholte Hausuntersuchungen statt, des Wilderns wegen. Man wollte den Davidl ins Verhör nehmen, allein er lag immer noch an seiner Augenwunde danieder, und die Wirtin zeterte fort und fort:

      »Da liegt er, zu was wollt's ihn denn, ihr Schergen! Schleppt ihn davon, bringt ihn gleich gar um! Da habt's ihn, da liegt er!«

      Sie wußte wohl, daß ihn die Krankheit beschützte.

      Aber der Bursche stand endlich wieder auf, wenn auch nur mit einem Auge; die Höhle des anderen war häßlich zu sehen. Die Wirtin weinte oft stundenlang über die Entstellung ihres einzigen Lieblings und knirschte:

      »Dieser Herlaufer Rudolf ist an allem schuld! Wenn ich nur genau wüßt', wie's gewesen ist!«

      Das erfuhr sie indes bei der nächsten Untersuchung. Diese kam so unerwartet, daß sich Davidl kaum flüchten konnte.

      Der alte Haberturm als Gemeinderichter, Rudolf, Heidepeters Regina, ein Beamter und zwei Gerichtsdiener traten ein.

      Die Wirtin stellte sich arglos, eilte den Eintretenden entgegen