Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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dann stotterte er Worte, die keinen Sinn hatten, und plötzlich haschte er nach ihrem fliegenden Halstuch. Sie entwand sich, das Kleidungsstück blieb in seiner Hand, er ließ es fallen und verfolgte das Mädchen. Da wurde er plötzlich zurückgerissen und taumelte, von einem Faustschlag ins Gesicht getroffen, zu Boden.

      Haberturms Rudolf kniete ihm auf der Brust.

      »Jetzt hab' ich dich,« sagte dieser, »jetzt machen wir Rechnung. Ich zahle für den Heidepeter!«

      Der Davidl stöhnte und biß um sich und schäumte. Der angestrichene Schnurrbart zog sich bereits als schmutziger Flecken über die Wange hin.

      Regina sah den Kampf, sie konnte die Gegenwart der beiden Männer nicht begreifen; es wollte ihr unheimlich werden, aber sie fuhr sich mit den taunassen Händen über das Gesicht und rief:

      »Das ist doch eine Schand'. Geh, Rudolf, laß diesen Menschen! Meinetwegen? Über den hätt' ich schon noch allein die Herrschaft davongetragen!«

      »Regina, das weiß ich besser,« sagte Rudolf, »er ist dir nachgeschlichen.«

      Der Bursche wand und wehrte sich verzweifelt, aber Rudolfs Arme und Fäuste, die ihn knebelten, waren ehern.

      »Du Haberturmischer Teufel, du!« knirschte der Davidl.

      »Ich bitt' dich gar schön, laß den Ekel laufen!« rief das Mädchen. »Und sag' mir doch um Gottes willen was von der Mutter!«

      »Rudolf!« stöhnte der Davidl jetzt, »das ist – kein Spaß mehr, du – bringst mich ja um. Halt, laß mich ein wenig, da – hab' ich was für dich.«

      Es gelang ihm, eine Hand so weit frei zu machen, daß er aus dem Brustfleck das Fläschchen hervorziehen konnte; mit einem Daumendruck den Stoppel weg und gegen Rudolfs Gesicht.

      Mit einem derben Faustschlag schnellte Rudolf dem Burschen das Fläschchen aus der Hand. Da tat Davidl einen kreischenden Schrei.

      Sein Auge war hin. Scheidewasser hatte er gehabt. Der halbe Inhalt des Fläschchens hatte sich über Davids Gesicht und das rechte Auge ergossen. Rudolf hatte ihn losgelassen. Noch einen wütenden Schlag tat der Unglückliche nach ihm, aber die Faust schlug in die Kante eines Steines.

      Rudolf richtete den Burschen auf, wischte ihm das Blut und die ätzende Flüssigkeit ab, und Regina verband ihm das Gesicht.

      Dann führten sie ihn abwärts durch die Waldungen über das Gefälle und über die Heide gegen das Zapfenwirtshaus.

      Und das war ein Aufruhr im Zapfenwirtshause! Die Wirtin fragte ihren fiebernden und vor Schmerz sich krümmenden Sohn in einem fort:

      »Hast du dir's tan, Davidl, oder hat dir's der Haberturm tan, oder die Heidepeterisch?« – Das eine Mal sagte er »nein«, dann wieder »ja«, und zuletzt rief er immer nur: »Ach Gott, ach Gott, gebt mir Schlaftrunk ein! Gebt mir Schlaftrunk ein!«

      Stürmische Zeit

       Inhaltsverzeichnis

      Rudolf und Regina suchten die Mutter und nun auch den Vater. – Der Vater lag krank in der Hütte der Einschicht-Res; das wunderliche Weib pflegte ihn mit herber Güte. Es sagte dem Kranken, daß ein Wunder geschehen werde, und daß es dann wieder an einen Gott glaube.

      Und das Wunder geschah, der Heidepeter brach nicht unter der Wucht des Schicksals. Er saß auf seinem Lager und betete und betete.

      Wochen vergingen, sein Weib blieb verschollen, von Gabriel kam auch keine Nachricht; und der Mann aus dem Heidehause genas dennoch, und er ging hinaus zum Ameishaufen und saß stundenlang vor demselben und kam gestärkt in die Hütte zurück.

      Die Sonne stieg nicht mehr so hoch, sie ging an dem Saume der Waldberge und der Schroffen dahin, und in die Schluchten der Hinterschroffen senkten sich die Vorboten des Herbstes, die Nebel, nieder. Der Heidepeter blieb in der Hütte bei der Einschicht-Res.

      Rudolf hatte alle Arbeit in der Wirtschaft eingestellt, er strich durch die Gegend, durch das Land und suchte das kranke, verirrte Weib. Er schrieb an Gabriel, aber er teilte ihm das Unglück noch nicht mit, er schrieb nur: »Gabriel, wenn etwa einmal deine Mutter bei dir ankommt, so mache es uns alsogleich zu wissen.«

      Von Gabriel kamen endlich wieder heitere Briefe. Er schrieb, daß ihm seine Studien endlich über die Brotsorgen hinausgeholfen hätten, und daß er Aussicht habe auf eine gute Stelle, von der er aber noch nicht wisse, ob er sie annehmen könne oder nicht. Das übrige mündlich in der Einöde. – Als Nachschrift, daß er Rudolfs Bemerkung über die Mutter nicht verstehe.

      Regina hing mit ihrem Herzen an Rudolf.

      »Rudolf,« sagte sie einst, als sie an einem Sonntage auf dem Kirchweg nach Rattenstein am Waldbrunnen zusammengekommen waren, »hab' ich doch einen Menschen, an den ich mich halten kann.«

      »So halte dich an mich dein Leben lang«, antwortete der Jüngling, »und gib zu, daß auch ich in schwerer Zeit mich halte an dein liebes, treues Herz. Wir sind beide heimatlos und stehen abseits von den Leuten, und dich hat das Unglück verfolgt, daß es zum Erbarmen ist. Aber dir hat es nichts anhaben können; du bist geblieben, wie dich Gott selber nicht besser haben kann. Und das ist all Tag mein einziger Wunsch gewesen: Gesundheit und einen starken Menschen. Und dann tät' ich anfangen und probieren, wie weit es sich auf der Welt mit Fleiß und Lieb' bringen läßt. Ich hielte mich allweg fest an dem einzigen lieben Menschen, und tät' nicht hüpfen, täte bedachtsam gehen, Schritt für Schritt, von einer Stufe zur anderen steigen, damit ich immer festen Boden unter mir hätte. Und das wäre doch was Rechtes, wenn man wüßte, was man ist und was man will. Regina, der Haberturmhof ist dreitausend Gulden wert, ich sag' dir's gleich. Ich aber will ihn nicht, ich bettle nicht, und kann mir mein' Sach' selbst erwerben. – Ist dir das recht?«

      Das Mädchen häkelte wie spielend die Finger aneinander und entgegnete leise:

      »Warum sollt's mir nicht recht sein: ich mach's ja selber so. Und bei dir ginge es mich auch nichts an.«

      »Gar viel geht's dich an!« sagte der Bursche lebhaft, »ich hab' keinen Verwandten auf der Welt. Dich hat der Herrgott aufgestellt, daß du schaust auf mich.«

      »Wie bist denn du, und was redest mir da vor?« fragte das Mädchen.

      »Was ich heut' zu dir red', Regina,« sagte Rudolf, und seine großen, klaren Augen ruhten in den ihren, »was ich heut' zu dir red', das hab' ich schon sieben Jahr' mit mir herumgetragen, und sooft ich dich angeschaut, und sooft ich gute Nacht zu dir gesagt, immer hab' ich das gemeint. Und wenn ich weit weg von dir gewesen bin, und wenn ich Holz geschlagen hab' im Wald, und wenn ich gebetet hab', und wenn ich doch wohl dann und wann was Gutes getan hab' – das hab' ich gemeint, und das allein, und jetzt bitt' ich dich um dein heiliges Wort.«

      Darauf faßte ihn das Mädchen an der rechten Hand und sagte:

      »Wenn es dein aufrichtiger Ernst und dein ehrliches Fürnehmen ist, so will ich gleichwohl nicht nein sagen, aber daß du mich ja verstehst, eine Bedenkzeit bis zum Christtag muß wohl sein, nicht meinetwegen, aber deinetwegen, weil du das im Ernst betrachten mußt, daß dir meinetwegen Haus und Hof verfällt. Mich kennst, ich bin eine arme Magd; wenn du aber meinst, daß ich Haus und Hof wert bin und dich selber noch dazu –«

      Er beugte sich und wollte einen Kuß auf die Lippen drücken, sie aber machte sich schnell los und sagte:

      »O Bübel, da haben wir noch weit hin! Wenn gleichwohl der Christentag schon da war', so sag' ich vor Gott und sag' es dreimal: Solang' meine Mutter nicht gefunden ist, solang' bin ich Heidepeters Regina, wie ich's bisher gewesen bin. Das bleibt dabei; der erste Kuß gehört meiner Mutter – erst den zweiten – wenn kein Rad bricht – kannst du haben.«

      So wurde es abgemacht am Brunnen auf dem Kirchweg nach Rattenstein. Rudolf wendete darauf seinen grünen Hut, daß die Hahnenfedern, wie man sie in der Einöde trägt, nach vorn zu stehen kamen. Dies nehmen sie für eine Bedeutung. Die Hahnenfeder nach vorn gerückt,