Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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      »Die Hundswut!« kreischten die Weiber.

      »Peterin, habt's denn keine Büchsen im Haus?« lärmte ein Bauer durch das Gehöft.

      Die Peterin hörte ihn kaum, sie hatte den kleinen Gabriel in einen Wasserkübel gestellt, und in wahrer Todesangst wusch sie die Bißwunde am Schenkel.

      Der Heidepeter kam vom Walde heim.

      – Was denn heut' bei mir so viel Leut' herumrennen? 's ist doch 'leicht nichts geschehen! – dachte er bei sich, da hörte er schon:

      »Der Hund ist wütend!«

      Der Peter sah dem Tier eine Weile zu und lehnte dann langsam seine Holzart an die Wand. Der Heidepeter überstürzte sich nie in etwas. Schon kam der Hahnenkamp mit einer Flinte dahergeeilt, da sagte der Peter ruhig:

      »Was willst denn, Steffel, wirst mir doch meinen Haushund nicht niederschießen! Ist gar kein' Red', daß er die Wasserscheu hat, da tat' er ganz anders ausschauen.«

      Darauf nahte er sich dem winselnden, keuchenden Tier, das unablässig die Pfote an das Ohrläppchen schlug.

      »Nu, mein Waldl, was hast denn heut'? Bist ja sonst ein gescheites Tier, 's muß dich was beißen; halt' still!« sagte er zum Hund und untersuchte das Halsband und die Ohren. »Aha, da haben wir's!« rief er plötzlich und hielt einen glimmenden Feuerschwamm in der Hand. »Das Ding da ist ihm im Ohr gesteckt.« – Das Tier war einen Augenblick ruhig, dann sprang es seinem Herrn freudig bellend an die Brust und wedelte mit dem Schweif.

      Hinter der Tannengruppe, die in der Nähe des Hauses stand, brach jetzt ein Gekreische los. Der Heidepeter hörte es; sogleich drängte er den Hund von seiner Brust zurück und schritt gegen die Bäume. Da lief von denselben weg und hin über die Felder Zapfenwirts Davidl. Hub der Peter an und ließ seine Beine aussetzen und rannte dem Flüchtling nach, daß der Hut abflog und das ungeschnittene Haar des Bauers in der Luft flatterte. Die Leute lachten; selten hatten sie den Heidepeter so wild gesehen. Der Davidl lief verteufelt gut, und als er zum hohen Rain kam, husch war er über denselben hinabgekugelt. Dennoch verließen ihn seine guten Geister – als er zum Bach kam, erfaßte ihn die Hand des Schicksals am Rockkragen und schlenderte ihn zu Boden.

      »Hab's nicht 'tan, hab's nicht 'tan!« schrie der Knirps.

      »Hast es 'tan, Bub!« rief der Heidepeter, »wirst's leugnen auch noch! Ich hau' dich in den Steinboden!«

      »Ja, jetzt; aber ich tu's nicht mehr!« – stotterte der Davidl; der Peter ließ sich keine Schrift darüber geben.

      »Fuchsbartl, du«, knurrte er und faßte die roten Haare und schüttelte den Jungen so heftig, daß diesem all sein Zetern und Bitten von den klappernden Zähnen zermalmt wurde.

      Als der Heidepeter müde war, setzte er aus und fragte ganz sanftmütig:

      »Hast jetzt genug, Davidl?«

      »Meinem Vater sag' ich's!« schrie der Knabe.

      »Schau, nachher hast noch nicht genug«, sagte der Peter und setzte das Schütteln fort, so daß ein wahres Meckern entstand.

      »Feuerschwamm steck' ich dir keinen in die Ohren, aber merk' dir's! So, und jetzt troll dich!«

      Der Knabe schlich brüllend davon, und als er sich jenseits der Schlucht in Sicherheit glaubte, schrie er laut:

      »Meinem Vater sag' ich's, der zündet dir das Haus an, du dalketer Heidepeter, du!«

      Der Peter ging jetzt langsam seinem Gehöfte zu; aber er schnaufte noch immer; er war ein hagerer, etwas schwächlicher Mann und das Laufen nicht gewohnt. Die Leute hatten sich verloren.

      »'s macht mir so leicht keiner die Nägel heiß«, sagte er zu seinem Weibe. »Aber wenn einem so ein Tunichtgut schier alle Tage einen Schur antut, daß zuletzt gar der Kettenhund vor ihm nicht mehr sicher ist, so steigt einem halt doch die Gallbirn auf. Wenn ich ihm in der Hitz nur nicht etwa zuviel getan hab'!«

      »Und was ich ausgestanden hab' in der Stund'!« sagte die Peterin, »gar nicht glauben kannst es. Alle Heiligen im Himmel hab' ich angerufen, und ich hab' mir gar nichts anders mehr gedacht, als wir kriegen jetzt all miteinand' die Wasserscheu, und den Gaberl tragen sie zuerst hinaus. Das frisch' Blut hab' ich ihm aus der Wunde gesogen in der Angst. Mein Gott, mir schlottern noch Händ' und Füß'!«

      Gabriel lief schon wieder in der Stube umher und kletterte auf die Bank, sah zum Fenster hinaus und dem Kettenhund zu; der schlürfte ruhig seine Abendsuppe. Dann schlich Gabriel auf den Zehenspitzen zur Wiege, in welcher eben sein Schwesterlein erwacht war und flüsterte diesem zu:

      »Regina, derweil du geschlafen, hat mich der Waldl gebissen, schau.«

      Und er hob den kleinen Fuß auf, zog das Höschen empor und zeigte dem Kinde die Zahnwunde. Er bildete sich schier was darauf ein.

      Es begann zu dunkeln; auf den Waldbergen lagerte sich Herbstnebel. Der Halter kam mit den schellenden Kühen heim. Auf der Tenne hörte man noch lange das Auskörnen der Hafergarben, die der Knecht über einen liegenden Baum schlug, bis das letzte Körnchen herausgesprungen war. Endlich schloß sich das Scheunentor zu, und das kleine Häuflein Leute verzehrte in der Stube die Roggensuppe und das Erdäpfelmus. Dann suchten sie ihre Strohbetten auf.

      Die Kinder schliefen bald.

      In der Stube brannte ein Span, den die Bäuerin noch mehrmals im Haken zurechtsteckte. Der Peter zog die rauchgebräunte Hänguhr auf. Aber es sollte noch nicht Ruhe sein an diesem Abend.

      Als sich die Eheleute zur Ruhe begeben wollten, schlug der Kettenhund an. Es klopfte leise an der Fensterscheibe.

      »Wer denn?« rief der Bauer, und sein Weib setzte unwirsch hinzu:

      »Heut' ist mehr kein Fried!«

      »Um die Nachtherberge tät einer bitten!« sagte draußen eine heisere Stimme.

      »Ein Armer wird's sein, ja das ist was anderes,« sagte die Bäuerin, »geh, Peter, riegle die Tür auf.«

      Bald hernach stolperte ein Mann in die Stube, gebeugt, mit der rechten Hand einen langen Stock umklammernd, in der Linken ein Bündel tragend. Ein breiter, entfärbter und zerdrückter Filzhut saß ihm auf dem Kopfe, und unter der Krempe hingen graue Haarsträhnen nieder.

      Der Peter nahm den Span in die Hand, räusperte die Kohle ab und leuchtete dem Fremdling unter den Hut. Da rief er aus:

      »Du liebe Zeit, solch's ist doch leicht nicht möglich, das ist ja der Schulmeister von Rattenstein!«

      »Ja, ja, mein lieber Heidepeter,« entgegnete der Alte, sich ausschnaufend, »'s wird wohl so sein. Mit Erlaubnis, ich setz' mich gleich nieder.«

      Die Bäuerin warf noch einmal den Rock über und eilte in die Küche, daß sie eine warme Suppe bereite, dann rief sie zurück in die Stube hinein:

      »Geh, Peter, zünd' eine Kerze an, der Span will frei nicht scheinen, und der Rauch brennt einem schier die Augen aus.«

      Als hernach auf dem Tisch eine Talgkerze brannte und als der alte Mann den Schweiß von seinem abgehärmten Antlitz gewischt hatte, hielt ihm der Heidepeter fast schüchtern die rechte Hand hin und sagte: »Ja, wie hat sich denn der Herr Schulmeister verrennt in die Einöde herein?«

      »Es hat sich schon so geschickt,« antwortete der Greis, »bei mir heißt's: Verlassen, verlassen wie der Stein auf der Straßen. Hab' den Gebirgsfußsteig genommen und bin fortgegangen über Hald' und Berg, wie der Herrgott die Welt erschaffen hat. So bin ich halt da zu Euch in die Einöde gekommen.«

      »Und wenn ich fragen darf, wo will der Herr Schulmeister denn hin?«

      Der Alte antwortete nicht, sein Haupt nickte abwärts. Seine Hand haschte nach dem blauen Sacktuch, aber noch eh' er dieses mit zitternder Hand zum Antlitz führte, begann es ihn zu stoßen, von innen heraus.

      »Aber Schulmeister! – Aber Herr Schulmeister!« – rief der Peter und sprang bei, um ihn zu stützen, denn der Greis drohte zusammenzubrechen.