Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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      Aus dergleichen Gedanken weckt mich ein Zupfen an meinem Hut; ich wende mich, um zu sehen, wer mich neckt. – Eine braune Kuh steht da und zerkaut meinen Alpenstrauß.

      Bin aufgefahren, hab' das vorwitzige Rind mit meinem Stab wollen züchtigen, da fällt es mir ein: Gutes Tier, etwan machen meine Blumen dir mehr Vergnügen als ihr; so gesegne dir sie Gott! Sie trinkt dafür deine gute Milch.

      Als ich zum späten Abend in das Dorf herabkomme, sind ihre Fenster hell erleuchtet.

       Einen Spaß muß man auch haben.

      Einer von den Bedienten der Frau, der Jakob, ist ein Kreuzköpfel. Können tut er alles; er kann musizieren, kann schneidern und schustern und kann zeichnen; gar Komödie spielen kann er. Die Frau muß aber solche Dinge nicht recht leiden mögen, denn der Jakob kommt allerweg zu mir in das Schulhaus her, wenn er seine Künste üben will. Da hab' ich meine Kurzweil und muß oft närrisch lachen.

      Ich habe dem Jakob einen Pfeifenkopf geschnitzt, dafür schenkt er mir allfort den besten Tabak. So schnitzen, sagt er, das könne er nicht. Die Höflichkeit hat mir noch kein Mensch gesagt wie der Jakob. Auch macht er mir allerhand Schwanke vor; auf dem Kopf kann er stehen, bauchreden kann er, wahrsagen kann er und Karten aufschlagen. Meiner Tag' hab' ich keinen so geschickten Menschen gesehen. Aber eines habe ich ihn gebeten, in Gegenwart der Schulkinder möge er nicht allzuviel so Künste treiben; 's ist mir lieber.

      Letztlich hat mich der Jakob gar gezeichnet. Auf Ehre, ich hab' nicht sitzen wollen, aber er hat mich herumgekriegt, bis ich all meinen Staat um mich getan und dort auf dem Holzblock Platz gefaßt habe. Er hat mich gezeichnet und mit Farben bemalt, daß es eine Herrlichkeit ist. Das rote Halstuch ist gar zum Sprechen getroffen.

      Das Bild hat er mir geschenkt. Ich guck' es heimlich an; aber die Schulkinder dürfen mir's nicht sehen!

      Will's wohl fleißig verstecken.

       Hab' gemeint, ich werd' mich recht an ihre Kinder machen. Aber sie sprechen eine welsche Sprache, und die versteh' ich nicht. Der junge Herr ist fortweg bei Pferden und Hunden; das Mädchen möchte sich auf den Wiesen umhertreiben bei den Blumen und Käfern. Aber das wird ihr verwiesen. Sie ist schon völlig zu groß, um glückselig sein zu dürfen.

      Dieser Tage ist Hermann – verzeih' mir' Gott, daß ich ihn allfort noch so nenne – vom Gesenke herübergekommen, um seine Schwester zu besuchen. Die Frau hat sich krank gemeldet. Der Jakob sagt, die beiden hätten kein rechtes Zusammensehen. Die Gnädigste erkenne keine Schwägerin an, die nach Tannenpech rieche.

      Heute hat die Frau eine Tafel gegeben und dazu den Pfarrer und den Grassteiger eingeladen. Mir ist ein Stück Braten und ein Glas Wein ins Haus geschickt worden. Zum Glück geht ein Bettelmann vorbei, daß mir die Speisen nicht verdorben sind.

      So sind heute zwei Bettelmänner abgespeist worden.

      Bei der Tafel sei von mir gesprochen worden, sagt der Jakob. Die Frau habe erzählt, ich hätte als armer Student in dem Hause ihres Vaters eine Weile das Gnadenbrot genossen, dann sei ich aus der Schule davongegangen und als Vagabund zurückgekehrt; dann habe mich ihr Vater um Gottes willen in den Wald getan und mir das Brot gegeben.

      So weißt du's nun, Andreas Erdmann; aber kein graues Haar desweg, es täte die weißen entstellen.

      August 1848

      Nun sind sie wieder fort. Jakob hat mir ein schwarzes Beinkleid und einen weißen Handschuh dagelassen.

      Juli 1852

      Die Grundablösungen sind bewilligt worden. Die meisten Bauern von Winkelsteg sind nun ihre eigenen Herren, 's ist ihnen vom Herzen zu gönnen. Aber ihre Augen sind schlechter geworden; jeder sieht mich nicht, wenn ich des Weges an ihm vorüberkomme.

      In diesem Sommer bin ich wieder auf dem Berg gewesen. Hab' schon gemeint, ich sehe es gegen Mittag hin. Ist aber nur ein Nebelstreifen gelegen.

      Ich habe mir bei dieser Bergfahrt, ich weiß nicht, durch das grelle Licht der Weiten oder durch einen scharfen Wärmewechsel, wieder das böse Augenleiden zugezogen, das viele Wochen gewährt und mich an meinem Berufe gehindert hat.

      Ich denke, den stummen Peter Reiter sollte man ein wenig Musik lehren. Er muß doch was haben, um sein Herz auszulegen. Es ist unglaublich, wie das weh tut, wenn man alles in sich verschließen muß.

      1853

      Der Peter hat Schick; er spielt schon auf der Zither und auf der Geige. Später muß er mir an die Orgel. Die Winkelsteger werden auch in Zukunft noch ihr Meßlied haben wollen. Ich werde nicht immer sein.

      Der Grassteiger oder, wie sie ihn jetzt heißen, der Winkelwirt ist mir gut, und er ist gegen jeden gut; ganz Winkelsteg hat an ihm einen Freund. Aber seine alte Krankheit will sich wiederum melden. Wenn ihn zuweilen etwas erregt, so muß er gar sehr mit sich kämpfen. Ich hab' gesagt, er sollt' wieder anheben mit den Rosenkranzkügelchen; täten aber vielleicht nicht mehr viel helfen; es ist Gefahr vorhanden, daß er ins Trinken kommt. Der ginge zugrund', wenn er nicht eine so brave Frau hätt'. Die Juliana weiß mit ihm umzugehen, ihr zulieb' leidet er den bittersten Durst.

       Der Branntweiner Schorschl – der Hannes ist schon tot – wirft mir dann und wann die Fenster ein. Er hält mich für seinen größten Feind, weil ich die Kinder vor dem Branntwein warne.

      Die Fenster verklebe ich mit Papier. Die Kinder warne ich vor Schädlichem, solang ich lebe.

      1855

      Der Pfarrer ist uns ausgetauscht worden gegen einen blutjungen. Der Blutjunge sagt, die Seelsorge sei arg vernachlässigt, und will das Krumme auf einmal gerade machen. Er ordnet Betstunden, Buß- und Bittgänge an. Seine Predigten sind scharf wie Lauge. Für manche mag's taugen. Aber – es gibt so viele wunde Herzen.

      Seit der neue Pfarrer da ist, bin ich in der Schule schier überflüssig geworden. Er füllt die Stunden mit Glaubensunterricht aus.

      Die Kinder haben mehr Fähigkeiten, als ich je erfahren – den ganzen Katechismus kennen sie auswendig.

      Der Kaiser und der Papst sollen miteinander ein eigenes Gesetz für das Seligwerden herausgegeben haben, und seit ewigen Zeiten ist zu Winkelsteg nicht so viel vom Teufel gesprochen worden wie jetzt.

      24. August 1856

      Heute ist öffentliche Schulprüfung gewesen. Der Dechant von der Kreisstadt ist da. In Glaubenssachen ist er sehr zufrieden. Was das übrige anbelangt, hat er den Kopf geschüttelt. Beim Kommen hat er mich artig gegrüßt, beim Fortgehen hat er mich nicht gesehen.

      Oft sitze ich eine lange Weil' da oben im Schachen unter den alten Bäumen. Dieser Schachen ist noch übriggeblieben von den großen Wäldern, über deren Gründe sich die Gemeinde breitet, als ein in die Kette der Menschheit eingereihtes Glied.

      Ich mag unter dem Schachen sitzen, solange ich will, kein Mensch ruft mich.

      Wenn die Toten nur nicht gar so fest schliefen!

      Ich bin ein alter Späher. Meine Augen sind krank und müd' und gucken doch zuweilen was aus.

      Durch den Bretterzaun habe ich es gesehen, wie der Reiter-Peter das Schirmtannermädchen an der Hand gefaßt und nicht mehr lassen hat wollen. Durch tausend Gebärden hat er ihr was erzählt, das Blut ist ihm in die Wangen gestiegen, aber das Mädchen hat fortweg gesagt: »Nein, Peter, nein.«

      Da hat der Junge jählings die Geige bei der Hand und spielt der Rosa ein Stück vor, das ich ihn nicht gelehrt hab'. Wundersam ist es gewesen, wie ich es meiner Tag nimmer hätt' gemeint, daß der Peter spielen könnt'.

      Ja, und so lange hat er's getrieben, bis ihm die Rosa ist an den Hals gefallen: »Hör auf, mir tut's zu weh! Peter, ich hab' dich ja gern.«

      's ist ein Gescher' mit den jungen Leuten. Hat so ein Bursch keine Stimm' zum Schwätzen, so hebt er seine Liebschaften gar mit der Geige an.

      Zur Winterszeit 1857

      So ein Tagebuch ist doch ein treuer Freund. Was man ihm auch anvertrauen mag, es vergißt nichts und plaudert nichts aus. Wenn