Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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und verknorpeltes Männlein, schleppt eine großmächtige Tonschüssel heran, einen rechten Familientopf, wohl für ein ganzes Dutzend Esser. Andere bringen hölzerne Löffel dazu; wieder andere kramen Mehl- und Schmalzkübel aus, und ein Kohlenbrennerweib kommt ganz verlegen hereingetorkelt und steckt der Braut ein sorgsam umwickeltes Päckchen zu. Als diese, mit unbehilflichen Worten die Spenderin lobend, es öffnet, kommen zwei wackergestopfte Kapaunen zum Vorschein. Das erspäht die alte Rußkathl, die, bereits auch festlich angezogen, erwartungsvoll an den Wänden herumschleicht, und sie flüstert zu ihrer Tochter: »Weißt wohl, Annamirl, wo die best' Brautgab' hinkommen muß! Ja, wohl in den kühlen Erdboden hinein. Nachher kommt eine schöne Frau in güldenem Wagen gefahren, und an dem güldenen Wagen sind zwei Kätzlein gespannt, die graben mit ihren Pfoten die Brautgabe aus, und die Frau nimmt die Gab' in ihre schneeweißen Händ' und fährt dreimal um die Hütten herum; nachher kann kein Elend kommen in eueren heiligen Eh'stand.« – So klingt das Märchen von der Freya noch fort im deutschen Walde.

      Die Annamirl schweigt eine Weile und dreht die schweren, säuberlich gerupften und gefüllten Geflügel in der Hand um und um, als wären sie schon am Bratspieß, dann versetzt sie: »Ich halt', Mutter, in der Erden kunnten sie verfaulen, oder es fräßen sie die Kätzlein, und deswegen ist es, daß ich sag': Wir essen sie selber.«

      Zuletzt naht gar der feine Branntweiner mit seinem großen vollbauchigen Plutzer, der gleich einen weingeistigen Geruch verbreitet in der ganzen Hütte. Das riecht der Rußbartelmei, der sofort herbeieilt, um zu sehen, wie so ein Tonplutzer eigentlich gemacht und zugestopft ist.

      Aber da kommt die Annamirl dazwischen: »Dank dir zu tausendmal Gott, Branntweinhannes, das ist schon gar zuviel, das können wir nicht abstatten. Das ist 'leicht das best' Brautgeschenk, und so tu' ich damit den alten Brauch.«

      Behendig zieht sie den Stöpsel aus dem Plutzer, gießt den funkelnden, rauchenden Branntwein bis auf den letzten Tropfen auf den Erdboden.

      Die Alte kichert und keift; »Du Närrisch, du, allbeid' Kätzlein werden dir rauschig; wird aber das ein Gehetz sein!«

      Als alle beisammen sind, hat schon die Sonne zur Tür hereingeleuchtet. In der Nacht ist ein Mahl gekocht worden, das die Leute nun mit gutem Appetit und lustigen Worten verzehren. Ich habe ebenfalls davon genossen und habe mich unter die Kinder gemacht, die da gewesen und denen ich von den Speisen in ihre hölzerne Schüsselchen gefaßt, auf daß sie auch etwas bekommen.

      Darauf sind wir alle davongegangen. Bei den Kohlenmeilern bleibt ein einziger alter Mann zurück, der mit seinem Eisenhaken lange vor der Tür steht, ein kurzes, hochtürmiges Pfeiflein schmaucht und uns nachblickt, bis wir in dem waldschattigen Hohlweg ihm verschwunden. Dann liegt nur noch die stille Morgensonne auf den Schirmtannen.

      Viele Männer des Hochzeitszuges haben sogar Schußgewehre bei sich getragen; aber nicht nach den Tieren zielen sie heute, in die freie Luft schießen sie hinein, und sie halten es für eine große Feierlichkeit und Pracht, wenn es recht knallt und hallt.

      Gesungen und gejauchzt wird, daß der Sommertag zittert. Herzensfreudige Lieder habe ich da gehört: Schalkheiten werden getan, althergebrachte Spiele unterwegs gehalten, und es ist schon Mittag, als wir zur Pfarrkirche von Holdenschlag gelangen. Fünf Männer kommen uns entgegen mit Trompeten, Pfeifen und einer gewaltig großen Trommel. Mit einer wahren Festfreudenwut haut der Trommelschläger drein; und das ist ein Gehetz und mächtiges Gelächter, als der Schlägel plötzlich das so sehr gemarterte Fell durchbricht und in den Bauch hineinschießt, um seinem Takte auf dem andern Felle noch rechtzeitig nachzukommen. Ein Bursche schleicht lauernd um den Zug und will uns nach alter Sitte die Braut entführen, allein der Brauthüter wacht. Er wacht eigentlich mehr über seinen Geldbeutel als über die Braut; denn wäre ihm diese abhanden gekommen, der Entführer hätte sie in ein entlegenes Gasthaus geschleppt und der Brauthüter hätte müssen die Zeche zahlen.

      Der Bräutigam geht neben der ersten Kranzjungfrau; erst nach der Trauung gesellt er sich als Ehemann zu seiner Gattin, und nun geht der frühere Brauthüter mit der Kranzjungfrau, auf daß gleich der Keim zu einer neuen Hochzeit gelegt ist. Der Brauthüter ist mir wohlbekannt, er heißt Berthold, die Kranzjungfrau heißt Aga.

      In der Kirche wird Wein getrunken und der Herr Pfarrer hält eine sehr erbauliche Rede von dem Ehesakramente und den Absichten Gottes. Der gute alte Herr hat sehr schön gesprochen, aber die Leute aus dem Walde verstehen sein Hochdeutsch nicht recht. Erst im Wirtshause, als wir schon alle gegessen, getrunken und Schabernack getrieben haben, ist für die Leutchen die rechte Predigt. Da erhebt der alte, bärtige Rüpel sein Weinglas und hebt an zu reden:

      »Ich bin kein gelehrter Mann, hab' keinen Doktornzipf auf und keine Kutten an. Tät' ich mein Weinglas nit haben zur Hand, bei meiner Treu', Leut' ich brächt' kein gescheit Wörtl zustand. Daß die Zung' mir wird gelöst, wie es bei Moses ist gewest, desweg' trink ich den Wein; fällt mir auch leichter ein schicksam Wörtl ein. – Ich bin als der alte Bibelreiter bekannt; wär' ich ein Rittersmann, ich ritt auf einem Schimmel durchs Land. Und in der Bibel, da hab' ich einmal ein Sprüchel erfragt, der Herrgott, das Kreuzköpfel, hat's selber gesagt: Ist der Mensch allein, sagt er, so tut er kein gut; aber sind ihre viel, so tun sie auch kein gut; so probier ich's halt justament zu zwein und zwein, und sperr' sie paarweis' in die Hütten ein. Aber schaut's, da wird gleich die Hütten zu klein. Sie brauchen ein großmächtiges Haus; zuletzt ist 's heilig Paradies zu eng, sie müssen in die weit' Welt hinaus. Müssen hinaus in den wilden Wald und auf stockfremde Heiden, müssen leiden und meiden und zuletzt wieder scheiden. Da hat der lieb' Herrgott seinen Sohn geschickt, daß er sollt die Schäflein weiden. Ich hör' auf das Kreuz wohl drei Hammerschläg' klingen, zur Rechten, zur Linken, zu Füßen – da möcht' einem das Herz zerspringen. Darauf ist geronnen das rosenfarbne Blut, das tut uns den Himmel erwerben. Dir bring' ich das Glas, o Gotteslamm, für dein heiliges Leiden und Sterben!«

      Da ist es still gewesen in der ganzen, weiten Stube, und der alte Mann hat das Glas ausgetrunken.

      Bald aber füllt er es zum zweitenmal und spricht: »Ihm sei die Ehr', aber es soll der Herr nun in Freuden auch bei uns sein, und darum laden wir zu diesem Ehrentag auch den Herrn Jesus ein, wie auf der Hochzeit zu Kana in Galilä, auf daß er uns mache das Wasser zu Wein, den ganzen Winkelbach, heut' und alle Tag'. Und der Wein ist hell und rein, weiß und rot zusammengegossen, wie die zwei jungen Herzen sein zusammengeschlossen in Lieb' und Ehr', und sonst keiner mehr. Der Wein wird gewachsen sein bei Sonn- und Mondenschein zwischen Himmel und Erden, so wie unsere Seel' von oben ist, und der Leib von der Erden. Und der süße, güldene Wein soll Braut und Bräutigam zur Gesundheit sein.«

      Das ist jetzt eine Lust und ein Geschrei, und der Braut gießen sie Wein auf ihren grünen Kranz.

      Jeder hebt nun sein Glas und bringt seinen Hochzeitsspruch, sein Brautlied aus dem Stegreif dar. Zuletzt torkelt die alte Rußkath empor und mit unglaublich heller Stimme singt sie:

      »Schneid Bimbam,

       Schneid Buxbam,

       Schneid birn-buxbam'ni Ladn,

       Mei Schatz will a buxbamas Bettstadl habn!«

      Das ist ihr Trinklied und Hochzeitsspruch gewesen. Wie's jetzt angegangen, da hab' ich gemeint, der Hall und Schall drücke alle vier Wände hinaus in den ruhsamen Abend.

      Nach und nach ist es wohl wieder stiller geworden, und die Leute haben ihre Augen auf mich gelenkt, ob ich, der gelehrte Mann, denn keinen Brautspruch wisse.

      So bin ich denn aufgestanden: »Glück und Segen dem Brautpaar! Und wenn nach fünfundzwanzig Jahren seine Nachkommen in den Ehestand treten, so wird es in der Pfarrkirche am Stege der Winkel sein. Das möge kommen! Ich leere den Becher!«

      So hat mein Brautspruch gelautet.

      Darauf ist ein Gemurmel und Geflüster gewesen und einer der Ältesten ist an meinen Platz getreten und hat mich höflich gefragt, wie die Rede gemeint. –

      Die ganze Nacht hin hat in dem Wirtshaus zu Holdenschlag die Musik geklungen, haben die Hochzeiter getanzt und gesungen.

      Am anderen Morgen haben wir das Ehepaar aus seiner Kammer hervorgeholt. Dann ist eine lange Weile der Brauthüter gesucht und