Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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auch ertränken. Trink das, Schreiner, ich füll Dir nach.«

      »Geh weg mit Deinem Gesöff!« sprach Wahnfred und warf ihr das Krüglein vor die Füße. »Weißt Du, wie die Giftmischerinnen im alten Testament bestraft worden sind?«

      »Ja so,« entgegnete die Ursel bissig, »weil du kein Christ mehr sein kannst, willst leicht ein Jud’ sein!«

      »Tausendmal besser, als wie ein gottloses Thier dahinleben. Der starke jüdische Gott mit der Ruthen, Freiwildin, der ist für uns gut genug!«

      Jetzt schritt vom Berghang nieder die halb zerfetzte und zerfahrene Gestalt des Stromers Roderich. Er schrie mit seiner heiseren Stimme schon von weitem nach Branntwein. Als er den Wahnfred sah, schlug er die Hände zusammen, stürzte dann auf ihn zu und schrie: »Der Schreiner! Der Retter! O Du Heldenmann, komm an mein Herz!« und wollte ihn umarmen. Wahnfred schob ihn ernst zurück.

      »Fang’ Du nur mit Dem was an, Roder, das ist ein Sauerampfer,« so sagte die giftige Ursel zum Stromer.

      »Bei Dir, das glaub’ ich,« rief dieser, »im Trawieser Wirthshaus bei den Jüngeren macht er ein anderes Gesicht, das weiß ich gewiß. Wahnfred! Sieger! Drachentödter! Na, da stehst Du ja! So sag’ aber, in welchem hohlen Eichenbaum bist denn begraben gelegen über den Winter, daß doch so umsonst gesucht haben?«

      »Wer hat mich gesucht?«

      »Wir Trawieser Bürger,« sagte der Stromer und richtete sich in seinen Lumpen so hoch auf, als es sein verkümmerter Körperbau nur erlauben wollte. »Und weißt Du auch, Schreiner, der Dich bringt, ist für den Tag gastfrei, so hat’s der Rath schon zu Lichtmeß beschlossen.«

      »Ich möchte wohl wissen, welcher Rath über mich was zu beschließen hat?« bemerkte Wahnfred.

      »Das wirst schon sehen, Held! Komm nur erst mit. Heut’ geb’ ich Dir kein Geld, Alte. Heut’ zech’ ich anderswo! Komm Schreiner. Eh, so geh mit und wart’ nicht erst auf einen goldenen Wagen. Im Trawieser Reich ist jetzt alles gleich, und mußt nur sehen, Bruder, was seit letztvergangenem Advent bei uns lustig geworden ist. Willst noch was trinken, so trink; ansonst aber komm!«

      Wahnfred war daran, die Kameradschaft entschieden abzulehnen; doch besann er sich. Sein Weg führte ja nach Trawies; wenn er nun mit dem redseligen Stromer ging, so konnte er gleich unterwegs Unterricht nehmen über die neuen Zustände seines Heimatsortes. Und so gingen die beiden Männer mitsammen. Indeß erfuhr Wahnfred auf diesem Wege nichts Anderes, als daß der Stromer heiterster Laune war.

      »Jetzt mein Bruder,« rief dieser und legte seinen Arm über die Schulter des Schreiners, »jetzt ist sie einmal da, die Zeit, wo Keinem hart geschieht. Ein Winter ist schon vorbei und im Sommer wird’s noch lustiger werden. Nur Eins fürchte ich, daß die Wacht wieder aufgelassen werden kunnt an der Granitz; geschieht das, so ist auf ja und nein alles Übel wieder in Trawies. Mußt nicht glauben, Schreiner, es gehe so leicht! Es giebt viele verblendete Leut’. Die Sandhockin will Buß’ wirken, daß doch dir Kirchen wieder sollt’ aufgesperrt; die Kofelarztin will Buß’ wirken, der Schmied-Paul will Buß’ wirken, daß der Bann wieder sollt’ gelöst werden. Das sind Leut’, die das Wohlsein nicht vertragen können. Wahnfred, wir werden zu thun haben, daß wir auf unserem Fuß bleiben jetzund. Etlich’ Altbauern sind auch noch, die von der neuen Gemein’ nichts wissen wollen. Na, weil wir nur Dich haben, Bruder, jetzt werden wir schon Ordnung machen.«

      Und der Stromer legte sich, als sie in Trawies einzogen, recht eng in den Arm seines Begleiters; es that ihm nur leid, daß es schon Finster wurde und die Leut’ nicht sehen sollten, was er heute für einen Genossen hatte. Sie hätten einmal nachsinnen sollen, ob nicht am Ende auch der Roderich dazumal im Advent hinter dem Spiele gewesen sein konnte, weil er mit dem Schreiner so gut Freund ist.

      Wahnfred that einen kurzen Blick gegen die Kirche hin, welche durch die Dunkelheit von der Anhöhe schimmerte. Im Wirthshause, auf das die Beiden zugingen, waren alle Fenster beleuchtet. Die Stuben waren voll lärmender Zecher. Der Stromer stieß mit dem Fuß die halb angelehnte Thür auf und zerrte seinen Begleiter mitten ins Gewühle.

      »Schaut’s auf, Leut’, schaut’s auf, wen ich da bring’!« so rief er.

      »Wahnfred!« schrien sie dem neuen Gast jubelnd entgegen, »Du Himmel-Herrgotts-Mensch, wo streifst denn so lang um und läßt uns allein? Schreiner! Du sakrischer Trawieser Heiland, Du! Na, wie schaust denn aus!«

      Von allen Seiten klatschten Willkommschläge auf seine Achseln, und Aller Hände drängten sich stoßend heran, um die seinen zu schütteln. Wahnfred konnte bei der vor Qualm verschleierten Talgkerze kaum eines der ihm zugrinsenden Gesichter erkennen. Es waren halbverkommene, bärtige Gesellen, zu sehen, als wäre Jeder eben wie er selbst aus einer Hochwildnis gekommen. Kohlenbrenner, Holzer, Bauernknechte, Wilderer, Bergknappen, Kräutersammler u. s. w. hatten ihre Arbeitsposten verlassen, hatten genommen, was sie gefunden, hatten, weil ihrer die große Mehrzahl war, sich die Herrschaft angemaßt und waren nun die Freien und die Bürger von Trawies. Alsbald war auch das Hausirervolk und alles Gesindel von der Straße mit ihnen und sie hatten sich zur steten Kräftigung der »Gemein« mit diesem Volke verbunden. Es waren aus den Hochwäldern Leute hervorgekommen, denen man auf entlegenen Pfaden niemals gern begegnet wäre; sie wurden aufgenommen in den neuen Verband, dem vor Allem daran gelegen sein mußte, aus gleichgesinnten Elementen gebildet, sobald as möglich groß und stark zu werden. Gleichgesinnte Elemente waren auch jene Gesellen, die draußen irgendwo der Kette oder dem Galgen entlaufen waren und sich nach Trawies geflüchtet hatten, so daß aus diesem Exile ein Asyl der Verbrecher werden wollte.

      Der Haufe ging von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte, und wer sich nicht anschloß, der lief Gefahr, seine Habe und sein Leben zu verlieren. Im Wirthshause hielten sie Hof, im Wirthshause tagten ihre Berathungen, die nicht selten mit Streit und Gewaltthätigkeiten, öfter aber noch mit tollen Gelagen endeten. So lange Geld da war und gangbar von Hand zu Hand flog, wickelten sich die Geschäfte ziemlich regelmäßig ab, denn »das einand mit Gewalt etwelches wegnehmen ist nicht verstattet«, hieß es in einem damaligen Beschluß der »Gemein«. Als sich jedoch der Wirth und der Krämer weigerten, Geld anzunehmen, weil sie die Münzen nicht abfließen zu lassen vermochten, drohte ein Aufstand, bis man sich zur Noth darin einigte, daß die Vorräthe der Trawieser Häuser herbeigeschafft und gleichmäßig an die Leute vertheilt werden sollten. Die Ursel in der Freiwildhütte war die einzige Person, welche noch Schinderlinge nahm, denn sie hatte noch nicht in Erfahrung gebracht, daß die Münzen keinen Anwerth mehr hatten, da sie die Dinger nicht ausgab, sondern in einen alten Topf zusammenthat und in die Erde grub. Und so war es eingerichtet, daß man zu Trawies um Bargeld nur Schnaps und nichts als Schnaps bekam.

      De gemäß war im Wirthshause die Stimmung, als Wahnfred eintrat. Auch Weiber waren in der Gesellschaft, je zwischen zwei Männern eines oder zweie, Alle Gluth in den Wangen, Viele auch noch Gluth in den Augen. Sie schauten gar unbefangen auf den schönen, schlanken Mann mit dem blassen Antlitze. Alles war auf. Sie hielten ihm Branntwein zu, sie tranken johlend auf den Befreier von Trawies.

      »Jetzt bist unser,« riefen sie, »jetzt bleibst unser! Wir brauchen Einen, der so ist wie Du. Was bist denn so blaß, wie ein steinerner Heiliger? Wirst doch nicht glauben, wir verschergen Dich?«

      »Da schau, das ist Deine Axt von der Sacristei, die wir in Ehren halten! Ist uns lieber als das Christuskreuz!«

      Wahnfred schauerte zurück vor dem rostigen Werkzeuge, vor dem harten Stahl, aus welchem der Funke gesprungen war, der in seiner Seele brannte wie höllisches Feuer, der einen unheilvollen Brand entfacht hatte in den Gemüthern zu Trawies. Im Herzen des Mannes war noch die Betrübnis vom Grabe her, er konnte kaum zu Worte kommen. Am liebsten wollte er nach dem, was er heute sah und hörte, fliehen, so weit ihn die Füße trugen. Nun dachte er aber an das Gelöbnis vor dem Sterbebette und an den Entschluß, mit Trawies zu siegen oder zu fallen.

      »Ich grüß’ Euch, Leute,« sagte er, »und wenn Ihr mir vertraut, so wird unser Zusammenbleiben ersprießlich sein.«

      Heller Jubel brach jetzt los, sie zogen den Schreiner zum vordersten Tisch! »Trink Brennwasser, Bruder! Du stehst nicht so auf, wie Du Dich hingesetzt hast, merk’, was wir gesagt