Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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er zum Nachbar Freiwild gehen, uns das Stroh ausdreschen, die Schaube ins Haus tragen und auf den Dachboden legen helfen. Von Arbeit will er nichts wissen, der Landrab’, hat sich auf seine Bank gedrückt, beim zweiten Schaub hat er nicht mehr gefragt.«

      »Weiß sie, daß ich komme?« fragte der Wahnfred im Strohbunde.

      »Sei still, Schreiner, wir kommen schon ans Haus.«

      Sie trugen die Last über den Anger, sie trugen dieselbe zwischen der Baumgruppe durch, die als Schutzwart gegen Sturm und Blitz dastand, sie trugen den Schaub über den kleinen Hof, wo der Brunnen rieselte, sie trugen denselben langsam, mit fast trägem Behagen gegen die Thür.

      Der Büttel kauerte auf seiner Bank; er hatte vor sich eine Schüssel mit Butter stehen, die er sich in der Vorrathskammer geholt. Er starrte mit Unwillen auf den Rest seines köstlichen Raubes, denn er wollte noch gern davon genießen und war schon satt. Als er nun die Männer mit dem Strohbunde heranschreiten sah, gedachte er seiner Pflicht, der er nach so fettem Bissen doch wieder einmal nachkommen solle, denn dieser Scherge das war ein Mensch, der sich sein Essen auch verdienen wollte.

      »Ist das wieder Stroh?« fragte er brummig.

      »Ja, Herr Soldat,« antwortete der Bart; »Du hast ein sauberes Amtel, hältst Schildwache vor lauter Stroh.«

      »Ist das alles Stroh?« rief der Scherge und schlug mit dem Spieß auf den Schaub.

      Anstatt Angst verspürte der Bart Zorn. »Wenn ich nur wüßt’, wie das Thier heißt, das dem Stroh so viel nachstellt?« versetzte er.

      »Ablegen!« knurrte der Scherge.

      »He, Ihr werdet doch Spaß verstehen?« Mit diesen Worten suchte der Feuerwart zu begütigen.

      Aber der Büttel riß den Strohbund von der Trage, zerbrach das Band; die Männer suchten ihn zurückzudrängen, er drohte mit Waffen und grub in den Halmen, und in dem Augenblicke, als der Schaub auseinanderfiel, sprang Wahnfred aus demselben auf und erfaßte den erschreckt zurücktaumelnden Schergen an der Gurgel. »So soll ich mir die letzte Stunde meines Weibes erkämpfen!« Diese Worte stieß er hervor, würgte den Söldner und schleuderte ihn an die Wand, daß der Schädel klang.

      Wahnfred stürzte in das Haus, in die Stube.

      Diese war dunkel, die Fensterchen waren verhüllt mit Lappen, auf dem Tische brannte eine rothe Kerze. Das Weib des Bart hatte vergessen auf den Bannfluch, hatte das Crucifix hervorgeholt, das sie vor den Räubern der Heiligthümer gerettet.

      Bei diesem alten Holzkreuze waren eine lange Reihe ihrer Voreltern gestorben, dieses Kreuz sollte nun auch der lieben Hausgenossin vor Augen sein, die schon seit vielen Stunden im Sterben lag.

      »Mein barmherziger Herr Jesu Christ,« so betete das Weib des Bart vor dem Crucifix, »wir sind Dein, wir lassen Dich nimmer. Sie wollen uns reißen von Deiner Seiten; wir umfangen Dein dornengekröntes Haupt, wir fliehen zu Deinen heiligen Wunden. O löse Deinen Arm vom Kreuze und halte uns fest, uns arme Sünder, für die Du gestorben bist. Laß’ uns nicht fahren, wenn uns die harten Menschen verstoßen wollen, steh’ uns bei, wenn der böse Feind uns will verderben. Hilf uns im Leben, hilf uns im Sterben, hilf uns, mein Jesu!«

      Aus dem dunklen Raum vor dem Tische ragten zwei kleine weiße Hände empor. Sie gehörten dem Erlefried, der im Schatten kniete, der erschöpft war vom Nachtwachen und Weinen, der nichts mehr für seine Mutter zu thun vermochte, als bebenden und betenden Herzens seine Hände emporzuhalten zu dem Bildnisse Gottes.

      Und daneben auf niedrigem Bette lag die Kranke. Ihr Gesicht war weiß wie Wachs, das die Sonne gebleicht hat. Jenes seltsam milde Licht, das wie ein Widerschein der Jugend auf dem Antlitze Sterbender ruht, schwebte um das Haupt. Die Augen waren offen und es schien, als schauten sie gegen die Thür hin. Sie hatte ihn gebeten, daß er nicht komme, und sie hatte doch gehofft, daß er kommen werde. Seit gestern rang sie mit dem Tode. Peinvoll zuckten ihre Glieder, schwer wie unter Berglasten hob sich ihre Brust, kalte Tropfen der Angst standen ihr auf der Stirne, und der Blick, der starre, verlöschende Blick war gegen die Thür gerichtet.

      Den Lärm, der sich draußen erhoben hatte, hörte sie nicht, aber als nun die Thür aufging, hub das Auge noch einmal an zu schimmern, bevor sie ihn sah. Er stand erschrocken still. Die Schauer des Todes dämpften sein aufgeregtes Gemüth. Erlefried ging auf ihn zu, zögernd, ängstlich, als erkenne er nicht recht, ob es der Vater sei oder ein Fremder. Wahnfred legte dem Knaben die Hand auf das Haupt und starrte auf sein Weib hin. Er war wie festgebannt, als ob ihn hier ein anderer Wächter zurückhielte, den er nicht beiseite zu schleudern vermöge.

      Ihr Auge blickte ihn unsäglich wehmuthsvoll an, und sie wollte doch lächeln. Nun bewegten sich ihre Lippen: »Wahnfred! ... Wahnfred, vom Knaben thu’ sie weg, diese Hand. Ich bitte Dich!«

      Da ging’s wie ein Stich durch des Mannes Brust, rasch zog er den Arm zurück, es war ihm, als müsse er fliehen.

      Sie bewegte ein wenig ihre Rechte, als winke sie ihm zu bleiben, seine Hand in die ihrige zu legen.

      »Ich habe Dich ja geweckt, mein Wahnfred, damals in der Nacht – als es Eins geschlagen. Du bist lange von mir fortgewesen.«

      »Nimmer!« so entgegnete nun er, und seine Stimme erstickte im Schluchzen, »nimmer gehe ich jetzt von Dir.«

      »Daß nur nicht ich so früh von Dir müßt’ scheiden!« sagte sie. »Möchte wohl gern bei Dir bleiben, weil Du so viel unglücklich geworden bist.«

      Nun brach er vor ihrem Bette nieder auf die Knie und preßte sein Gesicht an ihre Hand und weinte laut. Ihr Auge ruhte enrst und liebevoll auf seinem Haupte, sie suchte die Linke zu heben, um sie auf seine verwilderten Locken zu legen; da zitterte auch unter ihren Wimpern eine Thräne.

      »Daß Du nur weinen kannst, Wahnfred,« sagte sie leise, »diese Perlen nehm’ ich mit in die Ewigkeit. Sie werden mir leuchten auf dem finsteren Weg. Ich werde den lieben Gott schon finden.«

      »Nimm mich mit, mein liebes Weib, nimm mich mit Dir!«

      »Wahnfred! Du mußt noch auf Erden bleiben. Mußt bleiben, daß Du wieder kannst löschen, was Du hast gethan. Nur nicht verzagen darfst. Der Kirchenbann soll Dich nicht irren; nur den Fluch auf Deiner Hand mußt Du löschen. Ich weiß wohl, Du hast den Schwur gethan und hast keinen schlechten Willen gehabt. Du bist gut, mein Wahnfred, Du wirst Dich wieder erlösen. Nur mußt Du nicht vergessen, daß Du es unserm Erlefried sagst: Was böse ist, das bleibt aller Tage böse, und wenn es der Mensch auch des Guten wegen thut, es bleibt aller Tage böse.«

      »Ich verspreche Dir’s, mein Weib; so vielmals als ich Haare auf dem Haupt hab’, versprech ich Dir’s, daß ich Alles büßen will mit Freuden und gutmachen will, was ich gutmachen kann. Bei diesem Ehering, Maria, verspreche ich Dir noch einmal die Treue.«

      »Denk’ an’s Kind, sonst verlang’ ich für mich nichts. Das Trauern um mich laß sein. Zu mir bist Du allzeit lieb gewesen und ich hab’ den Himmel gehabt an Deiner Seiten. Wenn Du Dein Tagwerk gethan haben wirst und Dich zur Ruhe legst, dann komme ich wieder und wir gehen miteinander zu unserem Herrn. – Hörst Du den schönen Gesang?« Sie horchte; auch er wollte horchen und hörte nichts, als das Klopfen des Holzwurms in der Wand.

      »Die Todtenuhr!« lispelte das Weib des Bart gegen ihren Mann hin, der an der Thür stand.

      »Was sie doch wunderlich singen!« hauchte die Kranke. »Das sind die Engelschöre. – Die Fenster sind so schwarz. Wird denn gar nimmer Tag? Das liebe Licht möchte ich noch einmal sehen ...«

      Sie zogen die Hüllen von den Fenstern, der helle Tag schien in die Stube und auf das weiße Angesicht der Kranken. Sie sah nur starr in dieses Licht hinaus, als sinne sie, ob es wohl das rechte wäre, das sie meinte. – endlich sanken ihr die Lider, sie schlummerte, und das Weib des Bart schlich herbei, zu horchen, ob sie Athem hole.

      Wahnfred kauerte am Bette, hielt seinen Knaben an sich gedrückt und blickte unverwandt auf die Schlummernde hin.

      So währte es den Tag über und so währte es am Abend.

      Eine