Die Seele Chinas. Richard Wilhelm

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Название Die Seele Chinas
Автор произведения Richard Wilhelm
Жанр Языкознание
Серия Kleine historische Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783843800495



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ihren englischen Bundesgenossen in ihren wesentlichen Punkten zu verheimlichen für gut befanden. Noch bis auf den heutigen Tag wird der Tag, da die 21 Bedingungen oktroyiert wurden, als Tag nationaler Schmach in China begangen.

      Dennoch gelang es Yüan Schï K’ai nicht, sein Ziel zu erreichen. In Yünnan entstand ein Aufruhr, der sich sehr rasch über das ganze Reich verbreitete. Provinz nach Provinz fiel ab, und schließlich blieb nichts übrig, als nach ein paar Monaten die Devise »Hung Hsiän« wieder abzuschaffen, und den Schritt vom Kaiser zum Präsidenten wieder zurück zu tun. Aber solche weltgeschichtlichen Schritte werden nicht ungeschehen gemacht. Wie um Wallenstein alles unsicher wurde und misslang, nachdem er offen sich seinem Kaiser entgegengestellt hatte, so wich nun der Erfolg von den Fahnen Yüan Schï K’ais, der ja in mehr als einer Hinsicht mit Wallenstein verglichen werden kann. Er starb schließlich, wie die Sage meldet, beunruhigt und gequält von den Geistern, die ihn nicht mehr losließen: Ein Mann mit gebrochenen Herzen.

      Fünftes Kapitel

      Die Kämpfe der Diadochen

      Yüan Schï K’ai schon hatte es nicht ganz leicht gehabt, die verschiedenen Generäle mit fester Hand zusammenzuhalten. Doch hat er zum Mindesten im Norden die Macht unbedingt besessen. Er hatte immer kluge Männer zur Seite, die dem Militär die Waage zu halten vermochten. Er versammelte sie in Peking als seine Freunde, die von jedem Untergebenenverhältnis dispensiert waren und ihm nur mit ihrem Rat zur Verfügung standen. Unter ihnen ragte an geistiger Bedeutung hervor Hsü Schï Tsch’ang, der den Titel eines Erziehers des Kaisers bekommen hatte und sich von seiner Ruhe in den Tsingtauer Hügeln am Meer wenn auch schweren Herzens löste, um seinem Freunde zu Diensten zu sein.

      Nach dem Tode Yüan Schï K’ais regten sich die antagonistischen Kräfte. Auf dem Präsidentenstuhl saß Li Yüan Hung, ein Mann voll von rechtschaffenen Gesinnungen, der auch das Parlament wieder berief und mit der Ausarbeitung einer ständigen Verfassung betraute. Ministerpräsident war Tuan K’i Jui, der fähigste unter Yüan Schï K’ais früheren Generälen. Er hatte eine Partei oder richtiger einen Klub von Generälen, Staatsmännern und Finanzleuten um sich versammelt. Nach dem Lokal, in dem sie zusammenzukommen pflegten, wurden sie der Anfuklub genannt. Sie bestanden zum großen Teil aus Elementen von der Yangtsegegend. Ihnen gegenüber bildete sich ein anderer Teil der Militärführer als Tschïlipartei aus, die ihr Haupt in den Generälen der Nordarmee Ts’ao K’un und Wu P’e Fu hatten. Ts’ao K’un war an sich ein unbedeutender Mensch, der weiter nichts erstrebte als den Genuss der Annehmlichkeiten, wie sie die Macht verleiht. Aber er war in den Händen ehrgeiziger und gemeiner Menschen. Wu P’e Fu überragte ihn weit an Bildung und persönlichem Kaliber. Wu P’e Fus Grundsatz war die Einigung Chinas durch Blut und Eisen. Er war aber ständig in Not, die zur Unterhaltung seines Heeres nötigen Mittel aufzubringen, da die Familie T’sao K’uns in schamloser Weise die öffentlichen Gelder stahl. Das bildet überhaupt ein charakteristisches Merkmal der Zeit der Diadochenkämpfe in China, dass die meisten von den Leuten, die auf kürzere oder längere Zeit zur Macht kamen, in ganz großzügiger Weise sich aus öffentlichen Mitteln bereicherten. Man hat vielfach in Europa über die Korruption gesprochen, die unter den Beamten während der letzten Zeiten des Kaisertums geherrscht habe, und es lässt sich in der Tat nicht leugnen, dass wenigstens einige – längst nicht die Mehrzahl – der höheren Beamten im Lauf ihres Lebens eine oder mehrere Millionen zusammenbrachten. Aber diese Beträge verschwinden gegenüber den Beträgen, die im modernen China auf die Seite gebracht wurden. Man ging jetzt mit wahrhaft amerikanischer Großzügigkeit vor. Der zehn- und mehrfache Betrag der Summen, die früher in Jahrzehnten aufgesammelt wurden, kam jetzt in Jahren und Monaten zusammen. Der Unterschied zwischen China und Amerika ist nur der, dass der amerikanische Staat so ungeheure Einkünfte hat, dass Skandal auf Skandal folgen kann, ohne dass die Staatskassen sich leeren, während in China das Geld so knapp ist, dass vom Universitätsprofessor bis zum Polizisten die Beamten monate- und jahrelang mit ihren Gehältern im Rückstand bleiben müssen, wenn die Machthaber ihre Beutel füllen.

      Außer diesen Epigonen Yüan Schï K’ais kam noch eine dritte Gruppe in Betracht: Das kleine Häufchen der Kaisertreuen. Unter ihnen war General Tschang Hsün die ausgesprochenste Persönlichkeit. Er war vollkommen ungebildet und eine absolut unkomplizierte Natur. Angeblich soll er vom Rossknecht an allmählich sich emporgearbeitet haben unter persönlicher Förderung der Kaiserin-Witwe. Das vergaß er der Dynastie nicht. Er hatte die Achtung vor dem konservativen konfuzianischen Ideal nicht verloren. Er behielt noch jahrelang seinen Zopf, und auch seine Soldaten gingen noch stolz mit ihren dicken gepflegten Zöpfen umher zu einer Zeit, da in Schanghai und Peking die Zöpfe als reaktionär schon den Leuten auf der Straße von eigens dazu bestellten Polizisten abgeschnitten wurden. Er kannte weder die Gesetze der Taktik noch der Strategie, aber er war ein alter Haudegen und hatte Mut, und wenn es aufs Kämpfen ankam, dann stellte er sich wirklich zum Kampf.

      Ihm stand eine Zeitlang zum Mindesten nicht fern der Gouverneur und Befehlshaber der Mandschurei, Tschang Tso Lin. Er hat die Räuberkarriere hinter sich. Eigentlich heißt er gar nicht Tschang Tso Lin. Aber als sein Räuberhauptmann, der wirklich Tschang Tso Lin hieß, von dem Regierungsgeneral aufgefordert wurde, sich zu melden unter Zusicherung von freiem Geleit, wagte er es an Stelle des ängstlich gewordenen Hauptmannes und unter dessen Namen sich zu stellen. Er erhielt nun, da die Sache tatsächlich gut ablief, den diesem zugedachten Posten und blieb von da ab Tschang Tso Lin.

      Das waren die hauptsächlichsten Vertreter der verschiedenen einander entgegengesetzten Parteien. In diese Verhältnisse griff zunächst der Weltkrieg ein. Der amerikanische Gesandte Paul Reinsch, ein Deutscher von Geburt, der diesen Makel durch vermehrte Deutschfeindlichkeit gutzumachen suchte, agitierte in Übereinstimmung mit der Politik Präsident Wilsons in der Richtung, China erst zum Abbruch der Beziehungen mit Deutschland und dann zum Eintritt in den Krieg zu bewegen. Dabei musste er China möglichst weitgehende Hoffnungen machen, ohne positiv etwas zu versprechen. Denn die ganze Sache war auf einen großzügigen Betrug Chinas angelegt, da man schon längst vorher die Treue Japans durch geheime Verträge erkauft hatte, die auf Kosten von Chinas Integrität und Souveränität gingen. England, Frankreich, Russland hatten alle Geheimverträge mit Japan geschlossen, alle auf Kosten Chinas und zum Teil so geheim, dass die verschiedenen Partner Japans und Japan selbst den Inhalt der Verträge vor den übrigen Partnern geheim hielten. Eben deshalb musste Amerika an die Front, das durch keinen solchen Vertrag gebunden war, und daher China gegenüber mit besserem Gewissen Hoffnungen erwecken konnte.

      So kam es, dass Tuan K’i Jui, der Ministerpräsident, der für den Krieg war, im Parlament zunächst eine Mehrheit kaufte – das Parlament wurde immer mehr zu einer Gesellschaft m. b. H., die aus dem Verkauf ihrer Stimmen ein gutes Einkommen bezog, ohne irgendwen zu »vertreten« als sich selbst –, die den Abbruch der Beziehungen mit Deutschland beschloss. Li Yüan Hung, der dagegen war, sah sich als Präsident der Republik genötigt, dem Parlamentsbeschluss Folge zu leisten.

      Der nächste Schritt war der Beschluss des Parlaments, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten. Der Süden unter Sun Yat Sen war dagegen. Im Parlament fand sich diesmal keine Mehrheit. Man übte einen Druck auf den Präsidenten aus, das Parlament aufzulösen. Die Parlamentarier zogen sich nach Süden zurück. Li Yüan Hung verschwand von der Bildfläche. Dies war der Moment des chinesischen Kapp-Putsches, der von Tschang Hsün veranstaltet war. Tschang Hsün sah sich dabei von anderer Seite gedrängt. Es blieb ihm schließlich nichts anderes übrig, als den jungen Kaiser auf den Thron zu erheben. Aber nur fünf Tage dauerte die neue Monarchie. Sie war zu schlecht organisiert. Vor allem hatte man versäumt, mit dem mächtigen Mann Tuan K’i Jui sich ins Benehmen zu setzen. Dieser aber war keineswegs gewillt, die über Nacht geschaffene Tatsache anzuerkennen. Es kam zu Straßenkämpfen in Peking. Tschang Hsün zog sich in den Schutz des Gesandtschaftsviertels zurück.11 Der Kaiser trat ungefährdet – er hatte ja nichts dafür gekonnt – in seine bisherige Stellung zurück, und Hsü Schï Tsch’ang, der alte Freund des verstorbenen Yüan Schï K’ai, wurde Präsident. Der Krieg gegen Deutschland wurde auf den Druck der Alliierten erklärt. Dennoch blieb die Stimmung in China im Allgemeinen durchaus freundlich gegen Deutschland, und die Behandlung der internierten Deutschen war die denkbar beste. Auch als später nach dem Abschluss des Waffenstillstandes die Deutschen auf englischen