Название | Die Seele Chinas |
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Автор произведения | Richard Wilhelm |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kleine historische Reihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843800495 |
Trotz gelegentlicher Festessen mit diesen Tendenzen ist das japanische Kultur-Liebeswerben in China zunächst auf ziemliche Kühle gestoßen. Es war ein zu ungewohntes Bild: Dieser neue Bruder, der die Friedensschalmei blies. Immerhin ergeben sich neue Perspektiven aus den letzten Ereignissen. Japan hat ja auch versucht, sich aus dem Konflikt von 1925, der durch rohe Behandlung chinesischer Arbeiter allererst entstanden war, rechtzeitig wieder herauszuziehen und England isoliert in der unangenehmen Position, boykottiert zu werden, sitzen zu lassen.
Deutschland nimmt in allen diesen Entwicklungen eine Sonderstellung ein. Es ist vollkommen desinteressiert. Das einzige Interesse besteht in der Förderung und Ausgestaltung wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen. Es hat sich entschlossen auf den Boden der Gleichberechtigung gestellt und die Konsulargerichtsbarkeit aufgegeben. Man kann ruhig sagen, dass die gemachten Erfahrungen im Ganzen genommen durchaus nicht unbefriedigend sind. Man erkennt in China die deutsche Wissenschaft und die deutsche Tüchtigkeit an und ist gerne bereit, von beiden bei der Ausgestaltung der Zukunft Gebrauch zu machen. So hat denn die deutsche Politik dank der ruhigzurückhaltenden und überlegenen Persönlichkeit des Gesandten Dr. Boyé in der letzten Zeit entschiedene Fortschritte zu verzeichnen. Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass auf chinesischer Seite ein über die genannten Punkte hinausgehendes Interesse für Deutschland vorhanden wäre. Ein solches Interesse könnte erst in Betracht kommen, wenn die wiederangesponnenen Fäden zwischen Deutschland und China sehr viel fester und zahlreicher geworden sind. Die deutsche Position ist insofern günstig, als sie ein Vorangehen auf einem Weg bedeutet, auf dem die übrigen Mächte früher oder später folgen müssen; denn daran ist kein Zweifel, dass trotz allem entgegengesetzten Anschein China sich als selbstständige und gleichberechtigte Macht durchsetzen wird.
Ehe wir die neueste Phase der politischen Verhältnisse behandeln, müssen wir noch einen Blick werfen auf das, was im Norden von China und in der Mongolei vor sich ging.
Als die bolschewistische Revolution in Russland ausbrach, kam es in Ostsibirien zu Kämpfen zwischen den roten und weißen Russen. Zur Unterstützung der weißen Partei griffen die Alliierten ein, anfangs Amerikaner und Japaner gemeinsam, schließlich blieben die Japaner allein übrig. Sie waren durch die Bluttat von Nikolajewsk, wo sämtliche Japaner von den Bolschewiken getötet worden waren, besonders angereizt worden. Dass sie aber schließlich sich doch zurückziehen mussten, nachdem die roten Russen immer unwiderstehlicher vordrangen und die fernöstliche Republik mit der Hauptstadt Tschita begründeten, die sich später mit Sowjetrussland vereinigte, lag zum großen Teil daran, dass der Bolschewismus auf die japanischen Truppen überzugehen drohte und man in Japan nicht sicher war, was für Konsequenzen sich daraus noch ergeben könnten. Immerhin taten die Japaner alles, was sie konnten, um die weißen Russen wie Koltschak oder Horwart zu stützen, die dort noch kämpften.
Dasselbe geschah mit der Mongolei. Sie hatte sich von China unabhängig gemacht. Die Mongolenhäuptlinge standen der Mandschudynastie nahe und wären auch bereit gewesen, sich an einer Bewegung zu beteiligen, die zu einer Wiedereinsetzung des Mandschus geführt hätte. Aber in jenen Gegenden stand von Weißrussen der Kosakenhäuptling Semionoff mit seinem »Berater«, dem Baron Ungern-Sternberg. Diese versuchten die Mongolen für ihre Zwecke auszunutzen und manövrierten deshalb mit Vertretern der Mandschudynastie, durch die sie die Autorität über die Mongolen zu erlangen hofften – alles unter dem Segen der Japaner. Wie wenig es ihnen dabei aber um die chinesische Sache zu tun war, geht daraus hervor, dass ein Mongolenfürst, der persönlich Fühlung mit den Mandschukreisen nehmen wollte, auf grausame Weise umgebracht wurde. Man schoss ihn samt seinem ganzen Anwesen und allem, was darin war, einfach mit Artillerie in Grund und Boden, so dass nur ein Trümmerhaufen übrig blieb. Nachher entschuldigte man sich den Mandschus gegenüber mit einem Missverständnis, man habe ihn für einen Verräter und Revolutionär gehalten.
Damals sind die chinesischen Truppen der Anfupartei, die in der Mongolei die chinesischen Interessen vertreten wollten, niedergemacht worden. Ungern-Sternberg, der vielleicht weniger grausam war als pathologisch veranlagt, war bedeutender als Semionoff, dessen Gehilfe er anfangs gewesen. Vielleicht gerade infolge seiner pathologischen Veranlagung besaß er etwas Dämonisch-Machtvolles, das auf seine Umgebung faszinierend wirkte. Er glaubte sich zum Herrscher Asiens berufen wie Dschingis Khan, mit dem er das Horoskop gemein hatte. Er glaubte streng an das Schicksal und mit einer gewissen großartigen Schwermut ging er diesem Schicksal auch dann noch nach, als es zum Untergang sich wandte. In seiner Umgebung waren einige Teufel von bestialischer Grausamkeit, die er aus Aberglauben oder Gleichgültigkeit gewähren ließ, die ihn aber schließlich ins Unglück stürzten. Semionoff hatte eine feinere Witterung für die eigene Sicherheit, und als die Sache anfing, gefährlich zu werden, schickte er zuerst seine Frau mit Kisten voll Gold über die Grenze. Von diesem Gold wurde zwar einiges vom chinesischen Seezoll beschlagnahmt, der größere Teil aber kam ungestört durch. Er wollte sich dann in Amerika niederlassen, wurde aber dort in keiner Weise gewünscht. Komisch wirkte die Begründung. Semionoff hat Hunderte, vielleicht Tausende von Menschen auf die bestialischste Weise morden lassen. Er war einer der gefährlichsten Räuber gewesen, die sich in jenen Gegenden herumgetrieben. Das alles fiel nicht weiter ins Gewicht. Selbstverständlich! Lief doch auch der General Howart unter alliiertem Schutz jahrelang in Peking umher und imponierte bei diplomatischen Empfängen durch seinen langen Bart. Aber Semionoff konnte keinen Trauschein beibringen, aus dem hervorging, dass er mit der Frau, mit der er zusammenlebte, einer schönen und klugen Abenteurerin, amtlich verheiratet war. So konnte man ihm, wahrscheinlich mit Recht, den Vorwurf der Bigamie machen. Damit war er natürlich in den Vereinigten Staaten unmöglich.
Schließlich gelang es den Sowjets, trotz all dieser Charakterköpfe in der Mongolei festen Fuß zu fassen, und nun geschah etwas, das als grandioser Witz der Weltgeschichte bezeichnet werden muss. Die Mongolen, deren Kulturstufe die nomadische ist, die noch unterhalb des Ackerbaus stehen, konstituierten sich als Sowjetrepublik. Und der lebende Buddha wurde Ministerpräsident! Selbstverständlich standen russische Ratgeber den einzelnen Ministerien zur Seite. Seit Russland mit China sich geeinigt hat, soll auch die Selbstständigkeit der Mongolei wieder aufhören, ebenso wie die der nordmandschurischen Eisenbahn, denn Russland liegt nur daran, dass beide Gebiete nicht von einer feindlichen Macht als Angriffsbasis benützt werden.
Während durch diese Ereignisse die Mongolei immer mehr ins Licht des allgemeinen Interesses der Welt gerückt wurde und regelmäßige Autoverbindungen durch die Wüste Gobi12 eingerichtet wurden, näherten die Verhältnisse in China sich einem neuen Konflikt. Nachdem Ts’ao K’un Präsident geworden war, sammelten sich seine Gegner, die ja an sich einander ebenso feindlich gegenüberstanden, zu gemeinsamem Angriff. Tschang Tso Lin hatte Zeit gehabt, die reichen Hilfsmittel der Mandschurei, die er als fast unumschränkter Herrscher zur Verfügung hatte, zur Reorganisation seines geschlagenen Heeres zu verwenden. Mit Japan stand er in freundnachbarlicher Verbindung, und auch mit Russland gelang in letzter Zeit eine Annäherung. Er hatte mit Sun Yat Sen und Tuan K’i Jui Fühlung genommen und auch der Truppenführer Lu von Hangtschou bei Schanghai war mit im Bunde. Auf der anderen Seite verfügte aber Wu P’e Fu ebenfalls über recht beträchtliche Hilfsmittel: Der Norden Chinas war in seiner Hand. Die Truppenführer am Yangtse hielten zu ihm. Sein bekanntester Feldherr aber war der christliche General Feng Yü Hsiang. Feng Yü Hsiang machte viel von sich reden durch seine Christlichkeit und seine stoische Einfachheit und machte damit namentlich auf seine amerikanischen Freunde großen Eindruck. Er hielt straffe Manneszucht und zeigte etwas Biederes in seinem Wesen.
Der Krieg brach in Schanghai aus, das der General Lu für sich beanspruchte, während es eigentlich zu dem Bezirk des Freundes von Wu P’e Fu, Ts’i Hsiä Yüan, gehörte. Ohne große Schwierigkeit wurde Lu besiegt, da Tschang Tso Lin versäumt hatte, rechtzeitig einzugreifen. So konnte denn Wu P’e Fu diesmal bis nach der Grenze der Mandschurei, Schanhaikuan, vorrücken, und seine Aussichten Tschang Tso Lin gegenüber waren