Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Robert Musil |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026800347 |
Alpha: Ja sehen Sie, da müßte man … Oh, Gott! Das kann man doch nicht so einfach fragen …!?
Bärli winkt ab, die Frage ist unbeantwortet: Ist es nach dem Tode zu Ende oder nicht?
Alpha: Ja, sehen Sie, der Professor … – aber der Nationalrat sagt: –
Bärli: Wen lieben Sie von Ihren Freunden am meisten?
Alpha: Keinen! Wirklich keinen!
Bärli: Wen schätzen Sie am meisten?
Alpha: Aber doch jeden in seiner Art.
Bärli: Warum lieben Sie Musik?
Alpha: Ja das kann ich doch nicht wissen!
Bärli: Warum machen Sie dann Musik?
Alpha sieht ihn sprachlos an: Sie sind krank, oh, Gott, Bärli, lassen Sie mich jemand holen.
Bärli: Bereuten Sie nie etwas?
Alpha: Be –?
Bärli: Ja. Be–reu–en! Ich meine: Sind Ihnen alle Sünden Ihres Lebens leid, vom Grund Ihres Herzens?
Alpha: Oh gewiß. Sicher. Vieles.
Bärli: Was?
Alpha: Ja, das hab ich doch lang wieder vergessen.
Bärli: Sie sind sich also nicht klar über das stündlich wachsende Maß von Sünden, Reue, Gutem, bessernden Vorsätzen, als das Sie leben?
Alpha heftig: Nein! Nie! Das kann man nicht wissen! Niemand!
Bärli eine neue Walze einlegend: Würden Sie töten, stehlen, ehebrechen, Ihrem Beleidiger verzeihn?
Alpha: Das hängt davon ab!
Bärli: Sind Sie hoffärtig, mißgünstig, rachsüchtig, schadenfroh?
Alpha: Das kann man nicht so einfach sagen!
Bärli: Sie antworten vor meiner Pistole. Antworten Sie mir positiv! Nach welchen Grundsätzen richten Sie Ihr Handeln?!
Alpha: Das kann man nicht so einfach sagen!!! Das hängt davon ab!!! Das richtet sich danach!!!
Bärli: Darf ich also heute den Arbeitslohn vorenthalten? Auch nicht zum Teil? Wann habe ich andren etwas weggenommen und wann nicht? Warum ist Wahrheit besser als Lüge? Lust besser als Leid? Sittlichkeit besser als Unsittlichkeit? Soll man Kinder haben? – Alpha: Oh Gott! Sie verkriecht sich, von Entsetzen geschüttelt, in eine Decke, die sie über den Kopf zieht.
Bärli ohne sich bremsen zu können: Soll man selbstlos sein? Soll man national oder übernational sein? Weshalb gehe ich ins Kino? Sehe gern Akrobaten? Er bemerkt jetzt erst, was Alpha inzwischen getan hat, hebt langsam die Pistole empor, jedes Wort wägend. Sie haben mit Ihrem Geist, Alpha, meinen erschüttert. Durch Ihren Einfluß hat mein Dasein seinen Sinn verloren. Ich wollte in mich gehn und über mich nachdenken. Aber welche Antworten auf meine Fragen haben Sie?! Ich befreie mich von Ihnen!
Alpha aus der Decke hervorkommend: Da müssen Sie doch anders fragen! Das muß man im Gefühl haben wie einen Tanz! Sie sieht sich vor der Pistole. Aaaa … a!!!
Bärli gibt in rascher Folge drei Schüsse gegen Alpha ab. Wilder Schrei Alphas, sie versucht zu flüchten und stürzt auf das Gesicht. Ein Stuhl fällt um, und ein großer Stehspiegel zerbricht.
Bärli zaudert, schüttelt den Kopf: Das muß man anders fragen? Muß man verstehn wie einen Tanz? – Verdammt will ich sein, wenn das nicht wieder etwas Neues ist? Diese Situation macht mich bloß lächerlich; ordentlich schämen muß man sich vor der Vernunft der Möbel, wenn man sich zwischen ihren Füßen wälzt. Aber was hilft es!! Er gibt zwei Schüsse gegen sich ab und stürzt auf den Rücken, den Kopf zur Seite gewandt. Nach dem zweiten Schuß tritt Vinzenz ein. Alpha beginnt schwer zu stöhnen. Bei diesen Klagelauten richtet Bärli seinen Kopf auf und blinzelt besorgt nach ihr. Vinzenz pufft ihn rasch in seine Lage zurück. Er beugt sich über Alpha und netzt ihr die Stirn. Alpha stöhnt immer lebhafter.
Vinzenz: Alpha! Alpha! Wie hold das kleine Herz klopft!
Alpha schlägt unter seinen Bemühungen und Liebkosungen die Augen auf: Ich bin nicht tot?
Vinzenz: Süße kleine Alpha, so bist Du jünger, als ich Dich je kannte.
Alpha: Oh, ich bin so schwer verwundet.
Vinzenz: Nein. Es fehlt Dir gar nichts. Er hat daneben geschossen.
Alpha: Das ist nicht möglich. Ich habe deutlich die Kugel gespürt.
Vinzenz: Doch. Du bist rundherum gesund. Ich habe Dich untersucht.
Alpha aufstehend: Oh, es war fürchterlich! Aber – es war auch interessant. Am Ende ist er auch nicht tot?
Vinzenz: Doch; er ist es.
Alpha näher tretend: Ich sehe aber kein Blut?
Vinzenz: Laß ihn. Rühr ihn nicht an. Er ist entsetzlich verletzt. Er hat sich in den Rücken geschossen. Ich sah es. Ich kam leider erst in diesem Augenblick zurück. Er drängt sie fort.
Alpha: Ein fürchterlicher Mensch. Aber eigenartig. Es war merkwürdig schön … Sehe ich sehr verändert aus?
Vinzenz: Du bist stiller geworden.
Alpha: Ja, so ist es. Wie Du doch immer das richtige Wort findest?! Weißt Du, er tut mir immerhin leid. Es ist doch viel, sich und einen zweiten aus Liebe zu erschießen; Du könntest es zum Beispiel nicht. Und ich bin ihm so dankbar: Ich fühle mich so leicht. Stell Dir bloß vor: Beinahe tot! Eigentlich habe ich immer davor etwas Angst gehabt, aber schließlich wird auch das furchtbar überschätzt. So einem Erleben ist man etwas schuldig, das ist, hätte er eine Fessel durchschossen, die mich noch an dieses alberne Leben band, das ich führte, bevor Du gekommen bist. Wir werden namenlos glücklich sein, Vinzenz, wirklich namenlos …! Was hat sich da geregt???
Vinzenz: Nichts. Er ist bloß etwas tiefer auf das Gesicht gefallen. Pufft ihn. Sieh nicht hin!
Es läutet.
Alpha: Äh, das sind die andren, öffne nicht! Oder schick sie fort! Laß sie nicht herein!
Vinzenz: Das geht nicht, Alpha, wir würden in einen unangenehmen Verdacht geraten, wenn wir uns jetzt verstecken.
Es läutet abermals.
Ich werde es ihnen kurz erklären und sie gleich ins andre Zimmer führen. Ich muß ja auch mit ihnen sprechen wegen der Spielbanken.
Alpha: Ach ja, das mußt Du jetzt gleich tun.
Vinzenz: Es ist aber besser, wenn Du nicht dabei bist. Es sieht schlecht aus, wenn Du – es läutet abermals – jetzt schon zu ruhig von Geschäften redest. Während ich das schon irgendwie machen kann, indem ich ihnen zuerst den Vorfall hier erkläre – Alpha: Ich fürchte mich aber, mit dem allein zu bleiben.
Vinzenz an der Tür: Aber Alpha, wie wenig Frauen vermöchten wie Du zu begreifen, daß dies im Grunde doch nur ein bürgerlicher Vorfall ist!
Alpha: Du hast nicht recht; er war geistig erschüttert. Aber es wird besser sein, wenn ich recht wenig spreche. Vinzenz ab. Ich setze mich abseits. Mit einem Buch. Kaum hat sie sich, mit dem Rücken zu Bärli, gesetzt, wird sie von kindlicher Angst gepackt. Bezwingt sich. Es muß ein Buch sein, dessen Niveau über solchen Konflikten liegt. Sie schlägt ein Buch auf, muß sich aber wieder ängstlich umdrehen. Aber ich werde nicht darin lesen. Ich werde es geschlossen auf meinem Schoß halten. Es ist doch richtiger, wenn man in einer solchen Situation nicht liest, sondern nur andeutet, daß man eigentlich lesen sollte. Sie setzt sich zurecht.
Vinzenz die Freunde