Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Robert Musil |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026800347 |
Thomas: … Ich weiß es. Aber … meinst du es – so ganz einfach? So ganz ebenso?
Josef: Du kennst nicht alles.
Thomas: Aber es ist nicht wahr! Er kann nicht gekommen sein, um mir Übles zu tun!
Josef: Aber du Narr! Du eingebildeter Narr! Du meinst, die einfache Wahrheit sei für dich nicht gut genug; das Einmaleins der Tatsachen, für dich gilt es nur, wenn es zugleich eine «höhere Wahrheit» ist!
Thomas: Eben das wollte ich vielleicht sagen. Wenn du mir beweisen würdest, Anselm will mich betrügen, und wenn du mir beweisen würdest, – Maria will es: Das kann nicht wahr sein! Und das kann nicht falsch sein! Das kann nur etwas bedeuten, das damit gar nicht gesagt ist.
Josef: Also auch du bist berückt und verzaubert. Gut. Also bleibe ich hier.
Thomas: Wie meinst du das?
Josef: Ich bleibe hier in deinem Haus. Du wirst mir nicht die Türe weisen, während du sie jenem Schurken offenhältst.
Thomas verwirrt: Natürlich nicht, nein … aber das läßt sich nicht machen.
Josef: Und ich sage dir, daß ich nicht von hier fortgehe, bevor ich diesen «Kopfjäger» – ja siehst du, das ist der richtige Ausdruck, den habe ich für ihn gefunden – hier vor euch allen genötigt habe, mir die Schuhe zu lecken! Du wirst sehn, er tut es, er ist klüger als ihr! Er hält nicht stand, sobald er merkt, worum es sich handelt!
Thomas bitter und mit wachsender Ergriffenheit: Du würdest es bereuen. Wenn auch nichts vorgefallen ist, so ist doch … eine Abwendung nicht fortzuleugnen. Du würdest mit Regine sprechen wollen, sie würde dir ausweichen. Du würdest ihr etwas beweisen und sie würde es einfach nicht hören. Verstehst du: eine Taubheit der Seele. Du würdest ihr mit dem Finger zeigen, er ist ein Schurke, und sie würde es nicht sehen. Du würdest den Verstand verlieren, wahrhaftig du würdest nicht mehr wissen, redest du sinnlos oder fliegen deine Wort fort?!
Josef: Ich werde mir Gehör zu verschaffen wissen. Ich will mir nicht vorwerfen müssen, daß ich durch Unentschlossenheit mich mitschuldig gemacht habe. Ab.
Thomas durchmißt in höchster Qual einigemal das Zimmer: Du würdest denken, solch jahrelanges Beisammensein sei etwas Geistiges. Dann kommt einer, nichts hat sich geändert, aber alles, was du tust, ist ohne Bedeutung und alles, was er tut, bedeutet etwas. Deine Worte, die vordem tief eindrangen, fallen dir unbeachtet vom Munde. Wo ist Seele, Ordnung, geistiges Gesetz? Zusammengehören, Begriffenwerden, Ergreifen? Wahrheit, wirkliches Gefühl? Der Abgrund des stummen Alleinseins schluckt sie wieder ein!
Maria tritt vorsichtig ein: Ich wußte nicht recht, bist du schon wieder allein? Ich habe gewartet.
Thomas: Und … hast gehört?
Maria: Ich habe nicht gehorcht. Ich will nicht wissen, was ihr gesprochen habt. Gib mir die Mappe.
Thomas weicht wie vor einer unentrinnbaren Gefahr zurück: Also …? Also wirklich?
Maria: Ich habe darüber noch einmal mit ihm gesprochen. Er beginnt sich mir anzuvertraun. Laß ihn mein Freund sein. Gerade wenn er schlecht ist.
Thomas: Also wirklich … Und was ich dir gesagt habe?
Maria: Wenn du es selbst glaubtest, würdest du es anders anpacken als nur so von innen heraus. Schmerzlich. Warum hast du dich in das eingelassen? Weil du glaubst, daß er mich beeinflußt. Ja, er tut es; darf er denn nicht?
Thomas: Er darf? Kann! Kann es, Maria! Sieh mich doch an, was hat sich verändert? Du verlierst dein Stopfholz, dieses liebe runde Ding, über das du manchmal die Strümpfe spannst; dann findest du es nach Tagen auf der Straße wieder: du erkennst es kaum: was du daran war, ist verwest; es ist nur ein lächerliches kleines Holzskelett. So kehrst du wieder. Seines Geistes Kind: Fetzen der Widerwärtigkeit dieses fremden Mutterschoßes hängen an dir!
Maria: Du bist ein harter, gewaltsamer Mensch.
Thomas: Sag neidig. Sag voll Haß. Dieses fremde Wesen möchte ich mit den wildesten Säuren wegätzen, das mit mir ringt, ohne daß wir uns fassen können! In deinen Gedanken finde ich ihn, das ist hilfloser verlassen sein, als ob ich ihn in deinem Bett fände.
Maria: Du bist ein harter, eifersüchtiger Mensch; du forderst, ohne selbst etwas geben zu wollen. Darf ich nur auf dich hören? Mußt in jeder Frage du recht haben?
Thomas: So wenig, daß ich manchmal nicht mehr verstehe, warum bist du immer bei mir gewesen und nicht bei ihm? Es ist etwas in mir, etwas störrisch Unbelehrbares, das wacht über dich wie eine Mutter über die Freude ihres Kinds. Das fühlt, dummglücklich im Schmerz, wenn du von ihm kommst, etwas Erfrischtes, Neues.
Maria: Siehst du, daß du eigentlich alles gar nicht meinethalben machst, Aufregungen und Gefahr für unsre Existenz. Sondern nur weil du zu fühlen glaubst, daß er mich – nicht begehrt! sondern höher schätzt als du!
Thomas: Seit es anfing, sagst du mir, es sei nicht Liebe, sondern ein geistiges Erlebnis –
Maria: Das ist es auch nur.
Thomas gequält: Fast ebensolang zeige ich dir schon, er ist im inneren Erlebnis ein Fälscher. Aber du glaubst nicht an mich, sondern an ihn. Das klingt so einfach und ist – das Grauen.
Maria: Ich glaube noch an dich! Aber was hast du daraus gemacht?! Etwas nie Fertiges. Etwas, das nie klar wird. Von jedem neuen Einfall bedroht. Als Ersatz dafür ein unbestimmtes Zusammengehören, wie Reisende in einem Abteil. Ohne Zwang und Leidenschaft! Ich will nicht denken! Man kann auch anders etwas sein! Thomas, was dich gepackt hält und zerrt und schüttelt, bist du selbst! Die Scham über die Stunden, wo du nicht denkst; wo du zu mir kommst, weil du nicht denken willst, entblößter als nackt in diesen schändlich «schwachen» Stunden, wo die Eingeweide heraustreten. Was hast du aus uns gemacht! «Du du» und «da da», «Mausi und Katz», «kitzi kitzi, kleiner Mann und Mädi»!
Thomas: Still! Still! Es ist grauenvoll! Ich kann es nicht anhören! … Spürst du nicht das ungeheuer hilflose Vertrauen darin? Alles, was dir ein Mensch geben kann, liegt in dem Bewußtsein, daß du seine Neigung nicht verdienst. Daß er dich gut findet, für den in alle Ewigkeit kein Grund zu finden ist, der ihn als gut beweist. Daß er dich, der sich nicht sprechen, nicht denken, nicht beweisen kann, nimmt als Ganzes. Daß er da ist; hergeweht; zur Wärme, zur Aufrichtung für dich! Hast du es nicht so empfunden?! Warst du immer anders?
Maria: Daß du noch stolz darauf bist! Du hast mich den Mut zu mir selbst verlieren lassen!
Thomas: Und Anselm gibt dir einen gefälschten!! Du wirst eine ungeheure Enttäuschung erleben!
Maria: Vielleicht fälscht er. Aber ich habe ein Recht darauf, daß man mir vorredet: so ist es! Daß – und wenn es nur eine Täuschung wäre! – etwas stärker als ich aufwächst. Daß man mir Worte sagt, die nur wahr sind, weil ich sie höre. Daß mich Musik führt, nicht daß man mir sagt: vergiß nicht, hier wird ein Stück getrockneten Darms gekratzt! Nicht, weil ich dumm bin, Thomas, sondern weil ich ein Mensch bin! So wie ich ein Recht darauf habe, daß Wasser rinnt und Steine hart sind und Schweres in meinen Rocksaum genäht, damit er nicht schlottert!
Thomas: Wir reden aneinander vorbei. Wir sagen das gleiche, aber bei mir heißt es Thomas und bei dir Anselm.
Maria: Ist das alles, was du antwortest? Nie, nie, nie steht etwas da, groß, aufregend, notwendig, nach der Hand greifend! Du nimmst mich nicht einmal fort von ihm.
Thomas: Man kann niemand fortnehmen von dort, wo er steht. Du wirst aber – er sucht Worte und findet kein besseres – eine unsagbare Enttäuschung erleben.
Maria: Sag es mir, wenn du etwas wirklich weißt! Laß mich doch nicht so allein!
Thomas: