Название | Markenrecht |
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Автор произведения | Jennifer Fraser |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811456518 |
(2) Durchschnittlich aufmerksam
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Die durchschnittliche Aufmerksamkeit des Verbrauchers hängt nach der stRspr des EuGH, des BGH und des BPatG zunächst von den jeweils gegenüberstehenden Produkten ab (BGH MarkenR 2011, 547 Rn 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2001, 158, 160 – Drei-Streifen-Kennzeichnung; BPatG GRUR 2014, 85 Rn 24 – GIRODIAMANT/DIAMANT; EuGH MarkenR 2006, 67, 71 – PICASSO; WRP 1999, 806 – Lloyd; EuG GRURInt 2014, 54, 55 Rn 18 – KNUT – DER EISBÄR/KNUD). Da ein Verbraucher nur selten die Möglichkeit hat, die gegenüberstehenden Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, muss er sich auf sein unvollkommenes Bild verlassen, das er im Gedächtnis behalten hat (HABM GRUR-RR 2006, 403, 404 – Oktobierfest/OKTOBERFESTBIER). Er wird beim Erwerb von Waren des täglichen Bedarfs (zB preiswerte Güter, Lebensmittel, Getränke) nur flüchtig Marken und Produkte vergleichen, langlebigen Gütern (zB Autos) und Dienstleistungen (zB Versicherungen) oder gesundheitsbezogenen Produkten kommt dagegen eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil (BGH GRUR 1995, 50, 52 – Indorektal/Indohexal; BPatGE 44, 33, 37 – ORBENIN; BPatGE 44, 1, 3 – Korodin; BPatGE 43, 108, 112 – Ostex/Ostac/OSTARIX; GRUR 2001, 61, 62 – ATLAVIT C/Addivit; OLG Köln GRUR 2002, 264 – DONA/PROGONA; EuGH MarkenR 2006, 67, 71 – PICASSO). Anderen Waren oder Dienstleistungen kann hingegen eine abgestufte Aufmerksamkeit zuteil werden (zB Bekleidung, Lederwaren, Nahrungsergänzungsmittel). Beruflich mit dem Waren- oder Dienstleistungserwerb befasste Fachkreise sollen nach der Rechtsprechung regelmäßig sorgfältiger zu prüfen und zu unterscheiden gewohnt sein (BPatG GRUR-RR 2013, 64, 65 – Trigon/TRIGION; BlPMZ 1998, 374, 375 – Twixt/OLIVER TWIST; Mitt 1995, 255 – JACOMO/Jac).
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Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Verbraucher die gegenüberstehenden Marken in aller Regel nicht gleichzeitig miteinander vergleichen wird, sondern eine Marke mit dem Erinnerungsbild der anderen Marke abgleicht (EuGH GRURInt 1999, 734, 736 Rn 26 – Lloyd; EuG GRURInt 2005, 497, 499 Rn 45 – NEGRA MODELO/Modelo; GRURInt 2005, 140, 142 Rn 40 – Chufafit; BGH GRUR 2005, 264, 265 – Das Telefon-Sparbuch; GRUR 2004, 235, 237 – Davidoff II; GRUR 2003, 1047, 1049 – Kellogg's/Kelly's; GRUR 2001, 158, 160 – Drei-Streifen-Kennzeichnung; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 254).
(3) Durchschnittlich informiert
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Das Erfordernis der durchschnittlichen Information des maßgeblichen Verkehrskreises schließt Spezialwissen nur einzelner Teile dieses Kreises aus (BPatG GRUR 1990, 276, 277 – Petersburger Schlittenfahrt: Das Spezialwissen von Musikliebhabern ist für eine Weinbezeichnung aus einem Musiktitel unbedeutend). In der Praxis wird das durchschnittliche Wissen des Publikums insb bei Sprachkenntnissen relevant. Dabei ist (weiterhin) davon auszugehen, dass Spanischkenntnisse beim inländischen Verkehr nicht zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 1998, 934, 937). Der BGH ging im Jahre 1989 von Englischkenntnissen bei 58 % der Bevölkerung aus, zwischenzeitlich dürfte eine weitere Verbreitung der englischen Sprachkenntnisse vorauszusetzen sein (BPatG GRUR 1996, 356, 361 – John Lord/John Lobb). Zutreffenderweise ist dabei nicht auf allg Englischkenntnisse abzustellen, sondern auf die für die im Einzelfall für die Beurteilung der gegenüberstehenden Marken erforderlichen Kenntnisse.
(4) Durchschnittlich verständig
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Mit dem Erfordernis, dass der durchschnittlich verständige Verbraucher relevant ist, sollen nach zutreffender Auffassung der Lit mit den vorliegenden Entscheidungen der Rspr, insb des EuGH, theoretisch zwar denkbare, praktisch jedoch zweifelhafte Fehlinterpretationen ausgeschlossen werden (vgl Ingerl/Rohnke § 14 Rn 477).
(5) Einzelfälle
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Produktbezogen: Käufer von Bekleidungsstücken wenden eine zumindest durchschnittliche Aufmerksamkeit an (BGH BlPMZ 1999, 226, 227 – LION DRIVER; GRUR 1999, 241, 243 – Lions; BPatG GRUR 1998, 148, 152 – SAINT MORIS/St. Moritz). Bei Medizinprodukten ist danach zu unterscheiden, ob die Arzneimittel verschreibungspflichtig sind oder nicht. Im ersteren Fall kommt es regelmäßig auf das Verständnis der verschreibenden Ärzte oder von Apothekern oder medizinischen Fachleuten (vgl zu dieser Gruppe EuGH MarkenR 2007, 210 – TRAVATAN/TRIVASTAN; EuG 23.9.2009 – T-493/07 – FAMOXIN/LANOXIN) oder Helfern (vgl hierzu OLG München GRUR-RR 2008, 6, 7 – B.T.I., bti/BPI) an, während bei letztgenannten Produkten auf den Anwender abzustellen ist (BGH GRUR 2002, 342, ASTRA/ESTRA-PUREN; GRUR 2000, 603, 604 – Ketof/ETOP; GRUR 1999, 735, 736 – MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 1999, 587, 589 – Cefallone; WRP 1997, 742, 745 – Sermion II). Das EuG wies auch darauf hin, dass Patienten die Arzneimittel zu Hause einnähmen (EuG ABl HABM 2006, 34 – ALREX/ARTEX; abl Bender MarkenR 2006, 60, 62). Im Einzelfall kann es auch auf mit dem Produkt befasste Arzthelfer oder Großhändler ankommen (BGH GRUR 1998, 815, 817 – Nitrangin I; OLG Köln NJWE-WettbR 1999, 82, 83 – ORBENIN). Nicht geringwertige Spirituosen sollen einer gesteigerten Aufmerksamkeit unterliegen, da ihre Marken als Qualitätshinweis angesehen werden (BGH GRUR 2000, 506, 508 – ATTACHÉ/TISSERAND).
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Verkehrskreisbezogen: Soweit die Waren oder Dienstleistungen speziell oder überwiegend Kindern angeboten werden, kann es auf deren Verständnis ankommen. Dies sollte entgegen der Auffassung von Ingerl/Rohnke (§ 14 Rn 479 ff) nicht nur in Fällen gelten, in denen Kinder (ggf ab einem gewissen Alter) als Käufer ohne Begleitung der Eltern auftreten, sondern bereits, wenn sie die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen. Die dort angenommene Korrekturmöglichkeit durch die letztendlich von den Eltern getroffene Kaufentscheidung sollte nur dann zu einer Verneinung der Verwechslungsgefahr führen, wenn die bei Kindern etwaig bestehende Verwechslungsgefahr ausschließlich auf deren Lese-, Hör- oder Merkfähigkeit zurückzuführen ist.
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Selbst wenn die Waren oder Dienstleistungen im konkreten Einzelfall exklusiv für den Export bestimmt sind, ist die Verwechslungsgefahr ausschließlich anhand der inländischen Verkehrskreise zu prüfen, was sich iRd § 9 im Eintragungsverfahren bereits aus der Anmeldung nur für das Inland ergibt (so iE auch Ingerl/Rohnke § 14 Rn 487; Sack RIW 1995, 180).
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Internet: Streitigkeiten über Markenverletzungen im Internet sind regelmäßig erst Gegenstand eines Verletzerverfahrens, weshalb hier zunächst auf die Darstellung iRd § 14 zu verweisen ist (vgl § 14 Rn 256). Soweit sich jedoch angemeldete Marken auf eine Internetadresse (Domain) beziehen, gilt auch im Eintragungsverfahren der Grundsatz, dass Internetnutzer regelmäßig eine gesteigerte Aufmerksamkeit walten lassen, da sie sich jederzeit bewusst sind, dass es bei der Eingabe der Domain auf jedes einzelne Zeichen ankommen wird; es besteht lediglich eine begrenzte Zeichenauswahl für Domains und darüber hinaus sind