Markenrecht. Jennifer Fraser

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Название Markenrecht
Автор произведения Jennifer Fraser
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Год выпуска 0
isbn 9783811456518



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vorgelegen hat oder nicht, kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 50; Ingerl/Rohnke § 14 Rn 411).

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      Eine vorausgegangene Verletzungshandlung kann sich nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg dergestalt auf die zu beurteilende Verwechslungsgefahr auswirken, dass nun ein größerer Zeichenabstand einzuhalten ist. Es kann daher bei Abänderung nur eines Buchstabens ggü der vorangegangenen Verletzung eine Verwechslungsgefahr auch dann anzunehmen sein, wenn die Zeichen iÜ nicht ähnlich wären (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 219).

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      Die Verwechslungsgefahr setzt eine Ähnlichkeit der Waren bzw Dienstleistungen voraus. In langjähriger Praxis prüft das BPatG zunächst das Vorliegen ähnlicher Waren bzw Dienstleistungen, bevor es überhaupt in die Prüfung einer Zeichenähnlichkeit einsteigt. Der BGH (GRUR 1999, 731, 732 – Canon II; GRUR 1999, 496, 497 – TIFFANY; GRUR 1999, 158, 159 – GARIBALDI) folgt dieser Rspr nunmehr seit der ersten maßgeblichen Entsch des EuGH zur Auslegung des Begriffes Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit nach der MarkenRL in dessen Canon-Entscheidung im Jahr 1998, in der der EuGH ausführte, dass eine Verwechslungsgefahr nach Art 4 Abs 1 lit b MarkenRL eine Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen erfordert (EuGH GRUR 1998, 922 – Canon).

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      Entspr den oben dargestellten Grundsätzen der Wechselwirkungstheorie ist dabei bereits ein Grad der Ähnlichkeit im Einzelfall konkret festzustellen (BGH GRUR 2003, 1047, 1049 – Kellogg's/Kelly's; GRUR 2002, 626, 628 – IMS), um diesbezüglich die Ähnlichkeit der Marken und deren Kennzeichnungskraft ermitteln zu können.

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      Die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ist ein Rechtsbegriff (vgl Ströbele/Hacker//Thiering/Hacker § 9 Rn 55). Ihre Beurteilung liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet, die Würdigung der tatsächlichen Grundlagen für die rechtliche Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Waren ist eine Tatsachenfrage (BGH MarkenR 2015, 36, Rn 15 – ZOOM/ZOOM, juris; BPatG MarkenR 2006, 460 – EVIAN/REVEAN); in einem Revisionsverfahren ist deshalb nur zu überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutr erfasst und entspr der Denkgesetze und der allg Lebenserfahrung geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (BGH MarkenR 2015, 552 Rn 26 – Goldbären, juris; Beschl v 3.7.2014 – I ZB 77/13, MarkenR 2015, 36, Rn 15 – ZOOM/ZOOM, juris; GRUR 2014, 488 Rn 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2002, 626, 627 – IMS; GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 886, 887 – Bayer/BeiChem).

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      Noch unter Geltung des WZG war auf eine Gleichartigkeit der gegenüberstehenden Produkte abzustellen. Mit Einführung des MarkenG ist wegen dieser begrifflichen Änderung ein Streit darüber aufgekommen, ob hiermit auch eine inhaltliche Änderung verbunden ist. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 53 ff) fasst diese Diskussionen zutr dahingehend zusammen, dass der neue Begriff der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit zwar weitergeht als derjenige der Gleichartigkeit, so dass die alte Rspr insoweit übertragen werden kann, als sie eine Gleichartigkeit angenommen hat. Dieser weitere Anwendungsbereich führe aber iE nicht zu einer häufigeren Bejahung der Verwechslungsgefahr, da diese letztendlich durch die Auswirkungen der Wechselwirkungstheorie wieder dergestalt eingeschränkt wird, dass in den Fällen, in denen nur von einer äußerst geringen Warenähnlichkeit auszugehen ist, die gegenüberstehenden Zeichen nahezu identisch sein und eine starke Kennzeichnungskraft aufweisen müssen. Da der Meinungsstreit in der Praxis keine große Bedeutung entwickelt, sei für die Darstellung der historischen Entwicklung und für den Diskussionsstand bei Einführung des MarkenG und der damit verbundenen Änderungen auf die ausführliche Darstellung von Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 53 ff verwiesen.

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      IRv Widerspruchsverfahren ist zunächst auf das jeweils eingetragene Waren-/Dienstleistungsverzeichnis abzustellen (BGH MarkenR 2015, 552 Rn 28 – Goldbären, juris). Während der nach § 43 Abs 1 geltenden Benutzungsschonfrist können sämtliche eingetragene Waren bzw Dienstleistungen berücksichtigt werden. Nach Ablauf von fünf Jahren ab der Eintragung kann der Anmelder der jüngeren Marke die Einrede der fehlenden Nutzung erheben, der Widersprechende hat sodann seine tatsächliche Nutzung glaubhaft zu machen (BPatG MarkenR 2006, 460 – EVIAN/REVEAN; GRUR 2001, 513, 515 – CEFABRAUSE/CEFASEL). Falls die ältere Marke für einen Oberbegriff geschützt ist, ihr Inhaber sie allerdings nur für einzelne unter diesen Oberbegriff fallende Waren oder Dienstleistungen nutzt, sind nur diejenigen Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen, deren Nutzung der Inhaber der älteren Marke glaubhaft gemacht hat (BGH MarkenR 2015, 552 Rn 28 – Goldbären, juris; MarkenR 2011, 547 Rn 10 – Maalox/Melox-GRY; MarkenR 2006, 409 – Ichthyol II).

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      Soweit die tatsächliche Nutzung hingegen unbestr ist, sind sämtliche Waren/Dienstleistungen aus dem Waren-/Dienstleistungsverzeichnis heranzuziehen, auf die sich der Widersprechende mit seinem Widerspruch beruft (BGH GRUR 2002, 65, 67 – Ichthyol). Nutzt der Widersprechende seine Marke über die eingetragenen Waren/Dienstleistungen hinaus, kann er einen Widerspruch nicht hierauf stützen (BGH GRUR 1999, 164, 166 – JOHN LOBB; EuG GRURInt 2005, 594, 595 – RIGHT GUARD XTREME sport; GRURInt 2004, 1020, 1022 – M+M); er kann – falls er insoweit eine Benutzungsmarke nach § 4 Nr 2 erworben haben sollte – ein Widerspruchsverfahren nach § 42 Abs 2 Nr 4 einleiten.

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      Im Verletzungsverfahren kommt es hinsichtlich der potenziell verletzten Marke auf deren Markenschutz unter den oben aufgeführten Gesichtspunkten an. Abzustellen ist während der Benutzungsschonfrist von fünf Jahren nach § 25 auf sämtliche eingetragenen Waren- und Dienstleistungen; erst nach Ablauf dieser Frist hat der Inhaber der älteren Marke seine tatsächliche Nutzung für die in Streit stehenden Waren bzw Dienstleistungen nachzuweisen (BGH GRUR 2002, 626, 627 – IMS). Wird die Marke lediglich für einen Teil der Waren, für die sie eingetragen ist, genutzt, so gilt sie zur Beurteilung der Warenähnlichkeit lediglich für diesen Teil als eingetragen (BGH MarkenR 2006, 409, 411 – Ichthyol II; zust Anm Fritzsche GRUR 2006, 943). Bezüglich der Verletzermarke ist dagegen ausschl die konkrete Benutzung der Marke zu betrachten und eine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit nur anhand der beworbenen Waren/Dienstleistungen zu beurteilen.

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      Für die Annahme einer Warenähnlichkeit kommt es nicht auf die Klasseneinteilung an. Dies besagt Abs 3 nun ausdrücklich, galt aber nach der Rechtsprechung schon vor Einfügung des neuen Abs 3. Die amtliche Begründung weist hierauf unter Bezugnahme auf die Entscheidung BPatG GRUR 2010, 441, 443 – printnet/PRINECT ausdrücklich hin (amtl Begr S 66). Es bedarf deshalb im Einzelfall der Feststellung, dass die Verbraucher die Vermarktung der streitgegenständlichen Waren unter derselben Marke als üblich ansehen, was idR voraussetzt, dass die Hersteller oder Händler der fraglichen Produkte jeweils üblicherweise dieselben sind (BGH MarkenR 2003, 141, 146 – BIG BERTHA; GRUR 2002, 544, 546 – Bank 24; MarkenR 2000,