Der Verfall der Ordnung. Dominik A. Vockner

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Название Der Verfall der Ordnung
Автор произведения Dominik A. Vockner
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Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783944771342



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betroffen blickte die Lady zu Boden. Das Samenkorn der Hoffnung, das gerade aufgekeimt war, wurde soeben wieder zertreten. „Ihr denkt also, wir seien verloren?“

      „Verloren ist man, wenn man aufgibt“, erklärte Indarî weise. Es knisterte, als ein Holzscheit im Lagerfeuer zerbarst. Zwischen den Ruhenden tänzelten Funken empor. „Wir waren nahe dran damals ... soviel weiß ich noch. Nur leider entzog die jahrelange Versteinerung viele Details meiner Erinnerung.“

      „Das wäre dann ja auch zu einfach gewesen“, bedauerte Shjen grinsend ihr Schicksal. „Und was macht Azazel nun in Sterlingholme?“

      Jetzt aber schien die Elfe etwas zu wissen, was von Bedeutung sein könnte. „Er beginnt mit der Entseelung.“

      „Der Entseelung?“, hakte Shjen nach.

      Indarî nickte. „Bei frisch Verstorbenen hat sich die Seele vom Körper noch nicht getrennt. Die Seelen dienen Azazel als eine Art...“ Sie stockte.

      Und plötzlich fuhr Ryvân fort: „Eine Art Nahrung. Er wird dadurch stärker. Irgendetwas scheint Azazel zu beunruhigen. Er benötigt mehr Kraft, als er ohnehin schon besitzt, um es zu beseitigen.“

      „Er frisst also gerade die Seelen der Menschen, um noch stärker zu werden, während wir davonlaufen?“, kombinierte Shjen etwas erschrocken.

      „Seine derzeitige Macht“, nahm Indarî das Gespräch wieder auf, „ist für uns auch schon zu groß. Ich hoffe es lässt sich ein Weg finden, ihn aufzuhalten. Indessen müssen wir froh sein, solange er sich in Sterlingholme aufhält und uns gewähren lässt.“

      „Wie lange wird die Entseelung denn in Anspruch nehmen?“

      „Da muss ich wieder passen...“, gab Indarî enttäuscht zu, „hoffentlich jedoch lange genug, bis wir gefunden haben, wonach wir suchen...“

      Nun stellten sich die feinen Härchen auf Shjens Unterarmen auf, denn sie erkannte gerade, dass, während sie mit ihrem kleinen Haufen noch nicht einmal ansatzweise eine Ahnung hatte, wonach sie überhaupt suchte, der Erzdämon in Sterlingholme immer mächtiger und mächtiger wurde. Vielleicht irgendwann zu mächtig.

      Und so löste das Silber der Nacht den abendlichen Schein aus Rubinen ab.

      Irgendwo zwischen den Grashalmen der Steppe von Indarien hörte man Grillen. Die Einöde wirkte wie versteinert. Schnelle Wolkenfetzen huschten über das Gestirn. Fjaeron erwachte, als sich unter das Zirpen ein blubberndes Gurgeln mischte.

      Tunlichst vermied der alte Herr es allerdings, seine Lider aufzuschlagen und sich aufzurichten. Er begnügte sich mit angestrengtem Lauschen. Ein Flüstern drang an seine Ohren. Irgendjemand hielt sich im Lager auf. Ganz genau horchte er hin. Diese Stimme. Er kannte die Stimme.

      Während er nun noch einige knirschende, vorsichtige Schritte ausmachen konnte, umfasste er sofort seinen Wanderstock, schlug die Felldecke beiseite und sprang aus seiner Schlafstätte.

      Damit hatte der nächtliche Besuch wohl nicht gerechnet! Erschrocken drehte er sich um. Sein feuchtes Messer blitzte im Mondschein. „Wie kann das sein?“, empörte sich der Einbrecher. Sofort fiel Fjaeron auf, dass die Stimme zu Orian gehörte.

      „Was macht Ihr da?“, stellte der alte Herr ihn zur Rede, die Spitze seines Stockes verurteilend auf den Diener von Mia gerichtet.

      „Ganz ruhig, alter Mann“, sprach Orian, „es geht schnell, Ihr müsst nicht leiden.“

      Aus dem Nichts sprang der zweite Mensch Fjaeron an. Gerade noch rechtzeitig konnte er seinen Stock zwischen Hals und Messerklinge stecken. Nun taumelte er, mit dem Wütenden am Rücken über das rauchende, sterbende Lagerfeuer.

      Die schwarzen Kohlebrocken fielen in sich zusammen. Funken stoben empor. Fjaeron wedelte umher, es wollte ihm aber nicht gelingen, seine Klette abzuwerfen. Als nun von vorne auch noch Orian auf ihn zugesprintet kam, ließ er sich plötzlich fallen.

      Von der unerwarteten Bewegung überrascht, stürzte der Mann über seinen Kopf hinweg, nach vor, mitten in die schwache Glut der Feuerstelle. Vor Schmerzen brüllte er. Orian half ihm heraus, während eine schillernde Kugel gleich einem übergroßen Jadekristall zwischen ihnen detonierte.

      Die magische Kraft sprengte die beiden auseinander. Sie wurden mit rudernden Händen in die Wiese geschleudert. Die Spitze des Wanderstockes sog den fluoreszierenden Schein wieder in sich auf. Schon hatten sich zwei Hochelfen erhoben, die von dem Lärm geweckt worden waren.

      Die braune Robe von Fjaeron fächerte auseinander, als er mit einer Körperdrehung aus vollem Anlauf den Stab zwischen die Überreste des Feuers steckte. Aus der Nacht wurde auf einmal Tag.

      Helligkeit durchflutete die Ebene. Ein gleichmäßiger Wind, der von Fjaeron ausging, legte alle Gräser rings um die Raststätte zu Boden. Unvorbereitet blieben die beiden Tunichtgute stehen und schützten sich mit ihren Unterarmen vor der enormen Grelle.

      „Sie haben Ishia getötet!“, fiel Arani auf, die ihre blutverschmierte Schwester beiseite gerollt hatte. Dunkles Blut lief aus der Kehle und beschmierte die weiße Seide.

      Fjaerons Augen verwandelten sich in schmale Schlitze, gebaren ein Antlitz des Zorns. „Ihr lächerlichen Ausgeburten der Hölle!“, brüllte er, und ließ seinen Stock einmal um seinen Körper kreiseln, um ihn anschließend erneut kräftig in die Erde zu rammen.

      Vom Aufschlagpunkt ausgehend krachte es. Eine Felsspalte öffnete sich, brach sich ihren Weg mitten durch das Lager, krächzte vorwärts bis zu Orian und verschluckte diesen schließlich, ehe sie sich einfach wieder verschloss. Gedrungen hörte man den fallenden Menschen noch kreischen, doch zusehends wurde es leiser, bis es nicht mehr vernehmbar war.

      Nun drehte sich Fjaeron um, packte seinen Stock und ließ seinen betagten Leib wieder von der Gehhilfe tragen. Er schleppte sich zu dem anderen Diener von Mia.

      Mit schlotternden Knien und immer noch über den Kopf geschlagenen Händen bibberte das wertlose Stück Abfall vor sich hin, während sich der braune Zauberer immer näher zu ihm hinbewegte. „Denke nicht einmal an Flucht“, riet ihm Fjaeron und hatte ihn schließlich erreicht. „Was sollte das?“ Immer noch starrte er verständnislos und unerbittlich ernst auf den wimmernden Mann.

      „Wir hatten keine Wahl...“, stotterte er.

      „In wessen Auftrag habt Ihr gehandelt?“, informierte sich Fjaeron, ohne Regung in seinem Gesicht zu zeigen.

      „Gnalgnalgnal...“, würgte er gequält hervor.

      „Gnaljamjijak?“, schlug der alte Herr vor, und stieß auf ein Nicken. „Wieso?“

      „Er … er hatte Angst, dass Ihr ausbrecht aus dem Käfig...“, murmelte der erbärmliche Mann, „darum hat er noch zwei enge Vertraute von Mia neben Euch in Käfige gesetzt ... damit wir es zu Ende bringen könnten, sollte das geschehen...“

      Sprachlos lauschte Mia aus ein paar Schritten Entfernung. „Dieser verfluchte Häuptling...“, erboste sie sich. „Erst lässt er sich mit literweise Schlangenblut bestechen und dann wird er auch noch zur Marionette dieser Kirche...“

      Das untere Ende von Fjaerons Stock schnellte empor. Ungebremst fuhr es zwischen die Beine des Verräters. Mit einem weibischen Aufschrei ging der Abschaum zu Boden und erhielt noch einen wuchtigen Hieb von der Seite auf seinen Kopf, sodass ihm sein Bewusstsein geraubt wurde.

      Nun wandte sich Fjaeron von ihm ab und schaute Arani tief in die Augen. „Werte Hochelfen“, sprach er, „er gehört euch.“

      „Habt Dank edler Fjaeron“, nickte die Elfe ihm zu. Mit gefalteten Händen neigte sie ihr Haupt.

      Fjaeron schleppte sich jetzt an Mia heran, um sie zu trösten, während die beiden weißen Gestalten an ihm vorbeihuschten. „Geht es Euch gut?“, wollte er von der Königin der Katzen wissen.

      „Mir fehlt nichts...“, stammelte sie in sich hinein. Doch diese Antwort