Название | Der Verfall der Ordnung |
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Автор произведения | Dominik A. Vockner |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944771342 |
„Was wollt Ihr mir damit sagen?“
„Wir werden nicht hineinkommen“, präzisierte die Großkönigin ihre Erzählung. „Ich erfuhr es von der Hohepriesterin selbst, als wir Kontakt über die Elfensteine aufgenommen hatten.“
„Ängstliches Elfenpack!“, plärrte der Zwerg Tanrel vom Rücken seines Ponys herab und streichelte über das Bernsteinemblem auf seinem zinnernen Bierhumpen.
„Nachdem ich davon ausgehe, dass Ihr den Rat von Male nicht über den Elfenstein einholen könnt, da er seinen zurückgegeben hat, wie die meisten anderen Herrscher es auch taten, nach dem Krieg?“ Vael nickte betroffen. „Wird unser Ziel wohl Brack werden“, entschied Shjen nun doch, und schüttelte ihre Handgelenke über ihrem Haupt, womit sie allen bedeutete sich jetzt zu verteilen. Sofort kam Bewegung in die Sache, die Kutschen, die Fuhrwerke und die Pferde wurden neben der Stadt an die Mauern herangeschoben und an Holzgeländern befestigt, die Scharen aus Flüchtlingen wurden über die Marktgasse stadteinwärts gebracht und Shjen suchte sich gemeinsam mit Lizsan und Tanrel eine Schenke, während die anderen ein wenig Bummeln gingen.
Pochende, klirrende Hämmer durchfluteten die Klangwelt des Ortes, schnaufende Blasebälge atmeten tief, es roch nach Metall und frischem Brot. Auch der Honiggeruch von Met lag in der Luft, vermengte sich jedoch rasch mit dem Rauch des Essens zu einem bedrückenden Kohledampf wie in einem zwergischen Bergwerk. „Dieser Duft...“, sinnierte König Tanrel, während er hinter Lizsan und Shjen her stapfte.
Schnell kamen sie an ein Backsteinhaus, auf dem ein Holzschild mit einem eingebrannten Bierhumpen als Emblem von klimpernden Kettengliedern gehalten wurde. „Leider haben wir nur eine halbe Stunde!“ Der Zwerg wirkte wahrlich enttäuscht, und schrubbte schon lüstern auf seinem mitgebrachten Zinnbecher herum.
Die Zeit sollte wie im Fluge vergehen. Als sie sich dann vor den Toren von Brynn wieder eingefunden hatten, besprachen sie nur noch kurz die Lage, um sich schließlich, gleich nachdem sie die Hufe ihrer Pferde nochmals kontrolliert hatten, auf den Weg nach Nordwesten zu machen.
So traten sie ihn nun an, ihren Pfad ins Ungewisse, ihren Marsch in die Zukunft, ihren Ritt des Schicksals.
Lizsan Rûrden, der Elf, der Lehrer, der eingehüllt in einen grünen Baumwollmantel auf seinem braunen Schecken saß und sich immer noch fragte, ob es die richtige Entscheidung war, sein Versprechen, das er der Elfe des Blutes gegeben hatte, zu brechen.
Tak, der alte Bauer, der Wolfsgaukler, der stolz den Saum seines Pelzes am Hals mit einer silbernen Brosche zusammen geklemmt hatte; der einerseits zwar froh war, dass er schlussendlich doch mitgenommen wurde, aber andererseits auch wehmütig an seine geliebte Frau und seine beiden Kinder dachte, die er womöglich nie wieder sehen würde.
Vael, die Großkönigin der Reiche, die Herrscherin der gesamten Freien Welt, die in ihrem blau weiß karierten Bauernkleid, und mit ihrem zerkratzten Gesicht wirkte, als wäre sie eine Maid, die von ihrem herrischen Mann zu Hause geschlagen worden war, die aber trotzdem noch einen Hauch von majestätischer Erhabenheit und Würde versprühte, wie nur sie es vermochte.
Tanrel, der graue Zwerg, der König des Kessels, der es in der Schenke von Brynn geschafft hatte, in nur einer halben Stunde drei große Humpen des köstlichen Mets zu leeren, dem in der Stadt im Berg, in Trubal'Vir irgendetwas Schreckliches widerfahren sein musste und der immer noch verstört auf seinem Zinnbecher herum streichelte.
Kalef, der Hauptmann der Miliz, der begnadete Schildfechter, der gemeinsam mit seinen beiden Soldaten am Ende der Gruppe ritt, und es sich nicht nehmen ließ, den Aufpasser zu spielen, auch wenn er fühlte, dass er, trotz seines jahrelang bekleideten Amtes, hier fast schon zu den Unerfahreneren gehörte.
Und dann war da noch Shjen, die finstere Diebin, die erbarmungslose Anführerin, die zwar viel Wert auf die Meinungen von Vael und Lizsan zu legen schien, aber die zu keinem Zeitpunkt den Anschein erweckte, als würde sie einen Weg bestreiten, den sie selbst als nicht korrekt empfände.
Die Gruppe konnte unterschiedlicher kaum sein. Somit versprach ihre Reise auch äußerst kurzweilig zu werden, denn sie hatten sich untereinander viel zu erzählen. Oftmals richtete sich Tanrel an den Wolfsgaukler, fragte ihn, ob er sich nicht ihm zuliebe jetzt in einen Wolf verwandeln würde, damit er seinen Zweifel ablegen könnte. Doch Tak hielt sich wacker. Irgendwann wurde er von Lizsan endlich aus der prekären Situation befreit, indem der Elf erklärte, es wäre eine schmerzvolle Prozedur, die man dem alten Bauern nicht andauernd zumuten könnte.
Shjen belauschte die Gespräche und wunderte sich, wie ein weiser Zwerg, wie König Tanrel es war, ein so offensichtlich aufgetischtes Lügenmärchen glauben konnte; führte diesen Umstand dann allerdings rasch darauf zurück, dass der alte Tak mit seinem Wolfspelz und seiner ruhigen Art doch etwas Geheimnisvolles in sich wohnen hatte, dem auch die Lady im Moment noch keinen Namen geben konnte.
Großkönigin Vael ließ sich regelmäßig zu den Milizionären zurückfallen, um sich mit dem erfahrenen Hauptmann Kalef zu unterhalten, der laut eigenen Angaben Male, den König von Yugotan sehr gut kannte und somit einige Empfehlungen aussprach, wie man sich bei Hofe zu verhalten hatte. Vael hörte zwar aufmerksam zu, erinnerte sich aber an ihr letztes Aufeinandertreffen mit dem Herrscher von Brack, bei dem sie seine Hilfe ohne großes Gezeter schnell erhascht hatten. Ihr erschien es damals nicht sonderlich schwierig gewesen zu sein, sein Vertrauen zu gewinnen.
„Es wird nicht mehr lange hell sein“, erkannte Lizsan, der gerade ganz vorne neben Shjen ritt. „Plant Ihr irgendwo einzukehren?“
Die Lady schüttelte den Kopf und rupfte an ihrer Kapuze herum. „Wir werden abseits der Straße nächtigen und abwechselnd Wachen schieben“, bestimmte sie, „aber solange wir noch etwas sehen können, werden wir reiten.“
„Ihr wisst, dass wir nicht nur aus Soldaten bestehen?“, wies der Lehrer auf die müden Glieder einiger Gefährten hin.
„Ich zwinge niemanden mitzureisen“, erklärte Shjen trocken. „Die Umkehr steht den Schwachen offen.“
Jetzt schüttelte Lizsan enttäuscht sein Haupt. „Kein bisschen habt Ihr Euch verändert.“
„Weshalb auch?“, hielt die Lady dagegen. „Ich habe nie darum gebeten, in diesen Konflikt verwickelt zu werden. Mit Gewalt wurde ich dazu genötigt und nun stehe ich hier. Und lebe noch.“
„In den vielen Schlachten, in denen ich mit Euch gekämpft habe, hatte ich trotzdem nie die Hoffnung aufgegeben Euch... wie soll ich sagen...“
„Mich menschlicher zu machen?“, schlug Shjen mit einem Grinsen vor.
„Ja vielleicht“, gab Lizsan zu. „Mir war immer bewusst, dass die Menschen es Euch niemals Recht machen könnten, dass sie, egal wie sie handelten, immer gegen Euren Willen aufbegehrten. Hätten sie Euch mit Lob und Dank überschüttet, nach der Diktatur, hättet Ihr Euch vermutlich auch nicht wohl gefühlt, und hätten sie Euch als Abtrünnige und Egozentrikerin bezeichnet, hättet Ihr ihre Meinung auch lediglich verspottet.“
„Verblüffend, wie viel über jemanden gesprochen wird, wenn er gar nicht will, dass man über ihn spricht“, fasste die Lady zusammen. „Was wäre es denn, was mich menschlicher machen würde? Gespieltes Mitgefühl den Bettlern gegenüber, die zu keinem Zeitpunkt den Willen an den Tag legen, an ihrem erbärmlichen Leben etwas zu ändern? Aufgesetzte Barmherzigkeit für die, die in Gejammer und Flennerei versinken und sich darin suhlen wie Schweine? Oder geheuchelte Neugierde an dem Wohlergehen Anderer, die nur verbal am Gemütszustand ihres Gegenübers interessiert sind?“
Resignierend senkte der Lehrer sein Haupt. „Es ist nicht alles schlecht auf dieser Welt...“
„Nun ... Azazel hat