Der Verfall der Ordnung. Dominik A. Vockner

Читать онлайн.
Название Der Verfall der Ordnung
Автор произведения Dominik A. Vockner
Жанр
Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783944771342



Скачать книгу

wahrlich, einem geschenkten Gaul schaut man nun mal nicht ins Maul.

      Die beiden Gefährten von Mia quetschten Wasser aus ihren Trinkschläuchen und gluckerten munter vor sich hin. So etwas wie Anstand schienen sie nicht zu kennen. Unverfroren schmatzten sie, unterhielten sich mit vollem Mund und rülpsten oftmals aus tiefster Kehle.

      Fjaeron fragte sich, wo Mia solche Rüpel her hatte, denn eigentlich genoss das Reich der Katzenherrscherin einen sehr noblen Ruf. Die Zwei jedoch passten so ganz und gar nicht in das Bild von Maelan. Angewidert starrten die Elfenfrauen immer wieder kurz die Futtergewohnheiten der Menschen an, ekelten sich dann aber schnell so dermaßen, dass sie ihren Blick abwenden mussten.

      Mia stand zwischen den Fronten. Einerseits schämte sie sich für ihr Mitbringsel und wurde angesichts des Benehmens zeitweilig knallrot im Gesicht. Andererseits allerdings schien sie über die beiden etwas zu wissen, dass es ihnen gestattete, sich so zu verhalten.

      Fjaeron beschloss, über ihre Manieren hinwegzusehen und abzuwarten. Ihre Vorzüge waren wohl definitiv nicht die Umgangsform und auch nicht die Art des Essens, aber womöglich war es an der Zeit Derartiges links liegen zu lassen, und sich auf die Rettung der Welt zu konzentrieren. Vielleicht lagen dort ja die Stärken der Anhänger der Königin. Hoffentlich...

      „Mit wie vielen Reitern können wir rechnen?“, interessierte sich Arani erneut für die Mission.

      Mia nickte rasch einige Male, kaute schließlich ihr Brot fertig, und antwortete nach getanem Schlucken: „Es müssten an die zweihundert sein.“

      „Und da machen wir uns wichtig“, brüllte Orian und rülpste.

      „Es kann wohl davon ausgegangen werden“, erklärte sich Mia, auch wenn sie gar nicht verstand, wieso sie sich vor ihren Untertanen rechtfertigen musste, „dass auch Indarien noch über eine gewisse Streitmacht verfügt.“

      „Wir sollen lediglich die Bahnen in die richtige Richtung lenken?“, kombinierte Arani geistesgegenwärtig.

      „Soviel zum Plan...“, fügte nun abschließend Fjaeron noch hinzu. „Sind die Mägen nun ausreichend gefüllt? Solange Tag herrscht, wäre es gut, soviel Weg wie möglich hinter uns zu lassen.“

      Mia wusste ganz genau was er meinte, und stimmte sofort zu, indem sie sich erhob und Brotkrümel von ihrer Robe putzte. Auch die Hochelfen standen auf.

      „Nachts wär' es aber kühler. Da ist's doch viel angenehmer“, mampfte mal wieder Orian vor sich hin, der noch auf seinem Stein saß.

      Etwas genervt strich Fjaeron über seine Hutkrempe und schob sie dabei tiefer in sein Gesicht, sodass sein Blick grimmig wirken musste: „Nachts ist allerdings Panterzeit...“

      Verstehend nickten nun auch die beiden Tunichtgute und stopften schnell noch die Überreste ihrer Fladenbrote in die Backen, bevor sie zu ihren Pferden stolperten.

      Und im Vorbeigehen schenkte Mia dem alten Fjaeron ein lobendes Grinsen, während ihre Lippen nachahmend und spöttisch Panterzeit hauchten.

      Der pechschwarze Hengst fauchte aus den Nüstern. Shjen riss jetzt die Zügel herum und konnte von der Kuppe des Hügels, auf der sie inne gehalten hatte, in beide Richtungen blicken.

      Vor ihr lag Brynn, ein kleines Dorf, das von Zwergenflüchtlingen errichtet worden war, die im Süd-Ost-Krieg wohl andernfalls ihre Leben hätten lassen müssen. Darunter befanden sich begnadete Schmiede, namhafte Steinmetze, privilegierte Diamantschleifer, berühmte Metbrauer und ambitionierte Bäcker.

      Mühlräder schaufelten sich fleißig durch den schmalen, seichten Fluss, der Wasser neben der Siedlung vorbei schob. Von den Rauchfängen der einstöckigen Backsteinhäuser stiegen schmale Wölkchen auf, die solange lustlos empor schwebten, bis ein feines Lüftchen sie zerpflückte.

      Blickte Shjen nun hinter sich, den Hang hinab, konnte sie die Karawane sehen, die sie anführte, die sich durch die bräunlichen Gräser des Hügellandes schleppte. Es war ihnen nicht schwergefallen anhand der besonderen Personen, die sich unter den Reisenden befanden, beim nächsten Pferdehändler alles Notwendige einfach geschenkt zu bekommen. Nicht nur das, nachdem man ihm von der Zerstörung Sterlingholmes berichtet hatte, hatte er sogar darum gebeten sich anschließen zu dürfen. Ihnen waren hölzerne Fuhrwerke gegeben worden, zwei kleine, ratternde Kutschen, jede Menge Versorgung und eine halbe Waffenkammer.

      Aus dem fahrenden Zug brachen zwei Reiter aus und ratterten auf Shjen zu. Sie drehte sich weg, schaute auf Brynn hinunter, während die beiden sie just flankierten. „Das erste kleine Ziel ist wohl gleich erreicht“, erkannte Lizsan, der am Rücken eines braunen Schecken saß und über das Gefälle hinab lugte.

      „Soweit gut...“, sprach Hauptmann Kalef, der sich mit seinem Schimmel auf die andere Seite von Shjen gestellt hatte. „Nur was dann?“

      Shjen zog sich den Saum ihrer Kapuze bis fast auf die Nasenspitze und umfasste dann wieder die ledernen Zügel ihres Hengstes. „Dann werden wir den Ballast los“, verkündete sie trocken.

      Herr Rûrden war zwar kein Elf, der eine derartige Kälte an den Tag legen konnte, wie die Lady es zu tun vermochte, aber er musste ihr zustimmen. Mit der Karawane im Schlepptau würden sie nicht weit kommen, da sie einfach zu langsam wären. Trotzdem konnte er noch keinen Weg sehen, der sie aus diesem Wahnsinn, den er in Sterlingholme mitansehen musste, herausführen würde. „Soweit verstanden, Lady Shjen. Aber was soll dann geschehen?“

      Sie drehte ihm den Kopf zu, beinahe wären ihre Augen sichtbar geworden, und verriss die Lederriemen ihres Tiers, sodass der Gaul sich bereit machte. „Das gilt es zu besprechen...“, gab sie dann noch zu denken und ritt wieder hinab zum Flüchtlingszug.

      Kalef und Lizsan starrten sich kurz sprachlos an, der Lehrer zuckte mit den Achseln. Dann trabten sie auch wieder nach unten, zu den knapp dreißig Überlebenden.

      Drei Pferde schleppten Karren, auf denen einige schmutzige und murmelnde Leute kauerten, vier Tiere zogen zwei Kutschen, die am Dach reichlich beladen waren, mit Nahrung, Trank und Waffen, sechs Rösser, einschließlich der drei von Lizsan, Kalef und Shjen, trugen Reiter, und ein Pony hatte den grauen Zwerg Tanrel auf seinem Rücken.

      Der Hauptmann klopfte an die Fensterscheibe einer Kutsche, kurz darauf verschob sich der Vorhang. Großkönigin Vael schaute heraus. Sie ließ den Schleier aber sofort wieder fallen, als sie Kalef gesehen hatte, und das Klappern des Türmechanismus begleitete das Öffnen der Luke. Ihr Gesicht war durchzogen mit feinen, langen Kratzern. Sie wirkte ausgesprochen ermattet. „Hauptmann, was gibt es?“

      „Wir haben Brynn gleich erreicht, Großkönigin Vael“, berichtete er und hob die Handfläche zum Salut.

      „Spart Euch meinen Titel...“, war ihre erste enttäuschte Antwort. „Was plant Lady Shjen zu tun?“, wollte sie nun wissen.

      „Besprechen...“, erklärte Kalef und zuckte hilflos mit den Schultern.

      „Habt Dank, edler Hauptmann.“ Sie lächelte ihn freundlich an, „ich werde mich vorbereiten.“

      Herr Rûrden bildete mit Shjen die Front des Zuges. Sie leiteten das Gespann nun in eine sanfte Rechtskurve, um sich auf den Eingang von Brynn hinzubiegen. „Habt Ihr schon einmal etwas von Elfen des Blutes gehört?“, wollte Shjen aus heiterem Himmel vom Lehrer erfahren.

      Dieser schaute sie verstohlen und ein wenig erschrocken an. Er erinnerte sich, dass sie diesen beiden Wesen begegnet sein musste, und zwar nicht nur einmal. Auch wusste er, dass sie eine Fehde mit ihnen hegte, die auf einem gesponnenen Netz aus Lug und Trug basierte... doch er erinnerte sich auch daran, dass er Indarî versprochen hatte, nicht von ihrer nächtlichen Unterhaltung zu sprechen. „Nur aus Legenden“, entschied er schließlich zu antworten.

      Doch scheinbar hatte er die präzise Auffassungsgabe und die geübte Kunst der gezielten Deutung von Mimik und Gestik vergessen, die Shjen besaß, denn sofort wurde er erwischt. „Euer Blick sagte eben etwas anderes.“

      Ein