Montag oder Die Reise nach innen. Peter Schmidt

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Название Montag oder Die Reise nach innen
Автор произведения Peter Schmidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847659303



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hinter deinem Rücken versteckt?«

      »Nichts … ich.«

      »Zeig mal her!«

      »Nein, bitte nicht …«

      Sie sah mir in die Augen, und diesmal war ich alles andere als Glas für sie. Sie witterte, was vorging. Vielleicht roch sie es auch. Zeugungsfähigen Frauen wird nachgesagt, dass sie einen untrüglichen Sinn für die Ausdünstung männliche Hormone haben.

      »Hände nach vorn oder Tür zu«, forderte sie drohend.

      Ich streckte meine Hand mit der Schachtel aus.

      »Marke Panther«, stellte Karola ungerührt fest, als ständen die Freier mit Präservativen vor ihrer Tür Schlange. »Ist es denn so dringend? Bist du dafür nicht noch viel zu jung?«

      »Ich bin fast einen Kopf größer als du.«

      »Einen halben. Frauen sind meistens kleiner als Männer.«

      »Ich glaube, die Körpergröße spielt keine besondere Rolle dabei.«

      »Und wieso glaubst du, dass ich für so etwas zu haben bin? Ich meine, wer gibt dir eigentlich das Recht, von mir zu denken, ich sei eine Nutte?«

      Sie wippte auf den Zehenspitzen in ihrem geblümten Nachthemd, dessen einer Träger schräg über ihrer weißen Schulter hing, und grinste, halb prüfend, halb verächtlich. Die Korridorlampe warf einen Schatten auf ihr Gesicht, der wie der Pferdefuß des Leibhaftigen aussah. Eine Projektion meiner schwarzen Phantasie, versuchte ich mir einzureden.

      »Ist es zum ersten Mal?«

      Ich nickte.

      »Jeder tut’s irgendwann zum ersten Mal. Es ist meist wenig erfreulich. Wir sind viel zu verkrampft.« Sie tippte sich mit beiden Mittelfingern an die Schläfen. »Da drinnen läuft garantiert das falsche Programm ab, beim ersten Mal.«

      »Bei mir nicht«, widersprach ich.

      »Du hast mir schon oft aufgelauert, nicht wahr? Du beobachtest mich.«

      »Nein, wie kommst du darauf?«

      »Ich bin nicht blind, Herzbaum …«

      »Es ist nur wegen der Freier, die dich besuchen könnten. Der Gedanke, da könnte noch jemand anders außer mir sein, macht mich nervös.«

      »Hallo, der Kleine erprobt wohl gerade seine Machoallüren? Glaub mir, wenn ich’s tue – falls ich es tue –, dann nicht, weil du es bist oder um mich bei dir einzuschmeicheln, sondern einzig und allein, weil ich selbst ein wenig Spaß daran habe. Das ist das einzige Kriterium, hast du gehört?«

      »Natürlich, was sonst?«

      Wir setzten uns auf ihre Bettkante und laborierten eine Weile mit den Utensilien und den dazugehörigen Körperteilen. Aber anscheinend war außer einer netten entspannenden Oberschenkelmassage an diesem Abend nicht viel drin für mich. Die Gummis erwiesen sich als viel zu groß. Oder das für diesen Zweck erforderliche Körperteil aus Angst zu klein. Mussten für irgendeinen Bodybuilder angefertigt worden sein. Sondergröße, falscher Karton im Automatenschacht.

      Erstaunlicherweise meisterte Karola mein Problem mit der Diskretion einer erfahrenen Prostituierten – als sei es eine ganz alltägliche Erfahrung für sie. Ihre Hände waren unglaublich geschickt. So führte meine erste etwas persönlichere Begegnung mit Alexander Montag, zu einem eher kläglichen Ergebnis, was den Lustgewinn anbelangte.

      Ich hatte Schlüsse aus seinen Bemerkungen gezogen, die noch in die Kategorie »Was denken wir auf der Affeninsel?« gehörten.

      Ich begriff erst ganz allmählich, dass er mir mehr mitzuteilen versuchte als die Trivialität: Genieße das Leben, verdammt noch mal, falls Gott wirklich tot ist.

      6

      Die Frage, ob es den Teufel gab, brachte mich trotzdem in nicht geringe Schwierigkeiten, denn ich war ihm längst leibhaftig begegnet – während meines Wechsels zu einer anderen Schule nach unserem Umzug! Diesmal hatte er die Gestalt eines Schülers meiner Klasse angenommen: Harald Piper Müller …

      Jemand musste ihm den teuflischen amerikanischen Vornamen »Piper« verpasst haben, um von seiner wahren Natur abzulenken. Ich hatte schon Tage und Nächte damit verbracht, ihn zu überführen, wie er gerade seinen Pferdefuß kratzte oder seine Hörner polierte, um bei den Mädchen Eindruck zu schinden.

      Aber auf irgendeine durchtriebene Weise verstand er es immer, sich wieder rechtzeitig in seine harmlose Menschengestalt zurückzuverwandeln.

      Piper hätte mir völlig gleichgültig sein können, wäre er nicht Anne-Maries älterer Bruder gewesen. Seine Schwester war das schönste Mädchen auf dem Schulhof. Ihr feuerrotes Haar wurde von einem schwarzen Lederstirnband mit indianischen Ornamenten zusammengehalten, das mich wohlig erschauern ließ, weil es mich an den Marterpfahl erinnerte. Ich verpasste keine Gelegenheit, ihr unter die Augen zu laufen. Aber sie quittierte meine Annäherungsversuche immer mit verlegenem Lächeln. Ich war wenig einfallsreich, was mein Werben um sie anbelangte. Manchmal starrte ich sie nur wie gelähmt an.

      Piper hatte herausgefunden, was mit mir los war. Seitdem machte wer mir die Schule zur Hölle. Er wandte nie rohe körperliche Gewalt dabei an, sondern setzte lieber etwas ein, das viel stärker auf uns wirkt – Worte.

      Nach meiner Einstandsparty an der Schule war es ihm und ein paar anderen betrunkenen Schülern gelungen, über den Baum vor meinem Fenster in mein Zimmer einzusteigen, um nach einem vermuteten Tagebuch zu suchen, in dem ich, wie Piper ganz richtig hoffte, meine unglückliche Liebe zu seiner Schwester zu Papier gebracht hatte.

      Wie meine Schwester Anja waren sie prompt fündig geworden und hatten mein verdammtes Tagebuch aufgestöbert (das besagte billige Notizheft), und der erste Satz darin, datiert zweieinhalb Monate vor meinem sechzehnten Geburtstag, lautete nun einmal, dass ich mich entschieden hatte, fortan der Sexualität zu entsagen, weil sie eine Irreführung des Intellekts sei. Es gab auch ein paar Bemerkungen über seine Schwester darin, die wahrscheinlich noch peinlicher wirken würden.

      Also ließ dieser Teufel Harald Piper Müller keine Gelegenheit aus, in der Klasse mit halblauter Stimme daraus zu deklamieren, als zitiere er aus Dantes Göttlicher Komödie. Es machte mich krank.

      Ich verlor vier Kilo Gewicht. Meine Gesicht nahm eine fahlgraue Färbung an. Mein Rücken war gebeugt, wie ich im Spiegel feststellte. Ich hatte nur noch eines im Sinn – dem dreisten Grinsen dieser Spötter zu entgehen.

      Nach meinem Missgeschick mit Karola hätte mich nichts in der Welt dazu bewegen können, es noch einmal mit ihr zu versuchen. Dabei gab sie mir bei ihren Nachhilfestunden zu verstehen, dass sie unser kleines Abenteuer durchaus als amüsant empfunden hatte. Ich fürchtete, dass ein weiterer Fehlschlag meine »Impotenz« fixieren könnte.

      In meinem Notizheft stellte ich lange Betrachtungen darüber an, ob ich bei Anne-Marie genauso versagen würde.

      Ein gefundenes Fressen für Piper. Unser Klassenlehrer Alfons Donelli, ein gebürtiger Italiener, der Deutschland zu seiner Wahlheimat erklärt hatte, war im Nebenfach Religionslehrer.

      Obwohl er nicht genau mitbekam, worum es ging, weil Piper als geborener Teufel (ich hatte sein Gesicht auf Hieronymus Boschs Weltgerichts-Triptychon entdeckt!) sein Wissen sehr geschickt einsetzte, spürte er doch die dunkle Wolke von Hass und Grausamkeit, die uns umgab.

      Meine Mitschüler hatten ihr Opfer gefunden, um von ihren eigenen Schwächen abzulenken, und Donelli versuchte dieses makabere Spiel nach Kräften abzuschwächen.

      Er hatte ein feines, kultiviert wirkendes Gesicht, das mich an Alexander Montag erinnerte, obwohl er gut und gern dreißig Jahre jünger war. Wir wussten, dass ihm mehr als alles andere daran lag, uns sein Nebenfach, die Religion nahezubringen. Die anderen Fächer waren – bei aller wissenschaftlichen Strenge – nur Vorbereitung für ihn, ein Forum, den einen oder anderen Gedanken über die Kraft des Guten in der Religion einfließen zu lassen.

      Natürlich