Название | Die Faehlings - eine Lübecker Familie |
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Автор произведения | Eckhard Lange |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738082043 |
Hinrich, kahl geworden und von den Jahren gebückt, aber immer noch wachen Geistes, Brun und Alf waren mit zwei weiteren Kaufleuten vom Herzog als Vertreter der Bürgerschaft anerkannt, hatten in ihrem Namen Heinrich Treue geschworen und lenkten nun gemeinsam mit dem Stadtvogt die Geschicke Lubekes, vergaben Grund und Boden, urteilten über geringere Vergehen und erließen Vorschriften und Gesetze. So gewöhnte man sich daran, die Straßen im Viertel der Fernkaufleute nach den bekanntesten Anwohnern zu nennen, bald sprach man allgemein von der Alfstraat oder auch der Brunstraat.
Es war Frühling geworden, und in Lubeke hatte sich hoher Besuch angemeldet: Heinrich der Löwe, nun einer der mächtigsten Fürsten des Reiches und gut befreundet mit seinem Vetter Friedrich dem Rotbart, Kaiser des römischen Reiches, erschien mit großem Troß in seiner Stadt. Nach Bischof Konrad war auch der neue Oberhirte ein Mann des Herzogs: Gleichen Namens wie sein Fürst, hatte er den Abtstab des Ägidienklosters in Brunswik mit dem Bischofstab in Lubeke getauscht. Ihm und seiner Kirche galt vor allem das Interesse des Löwen, denn er plante Großes, nachdem er von seiner Pilgerreise ins heilige Land zurückgekehrt war.
Hatte er schon am Bischofssitz im Land der Polaben, in Ratzeburg, einen steinernen Dombau begonnen und soeben die Stiftskirche neben seiner Burg Dankwarderode in Auftrag gegeben, so wollte er nun auch das Lübecker Bistum mit einer stattlichen Kirche ausstatten, zweitürmig wie auch die anderen sollte sie machtvolles Zeichen nicht nur des Glaubens, sondern auch der Herzogsgewalt über das Land werden. Nun konnte man in Brunswik sich zwar aus den Steinbrüchen im Vorland des Harzgebirges bedienen, doch hier im Norden wäre der Transport so vieler Materialien über so große Strecken auch für die reichgefüllten Truhen des Herzogs eine gewaltige Aufgabe.
Und so begann er ein Werk, das in dieser Größe noch niemand gewagt hatte: Er ließ die Domkirchen in Ratzeburg und Lubeke allein mit gestrichenen und gebrannten Ziegeln errichten, wie sie schon für einen Turm neben der Burg und seit kurzem auch für etliche Häuser reicher Bürger genutzt wurden. Allein das Fundament bestand aus mächtigen Findlingen, die im Boden vergraben waren. Mochte mancher auch zweifeln, dass sie einmal wirklich die Last unzähliger kleiner Backsteine, wie man die Ziegel nannte, würden tragen können, der Herzog war sich seiner Sache sicher, hatte er doch in der Lombardei manchen Ziegelbau bereits in Augenschein genommen und dort auch einige erfahrene Baumeister in seinen Dienst gestellt. So war Heinrich also selbst in Lubeke erschienen, um gemeinsam mit seinem Bischof den Grundstein eines neuen Domes zu legen. Dem feierlichen Zug der Domherren, denen Bischof und Herzog folgten, schlossen sich auch die Vertreter der Stadtgemeinde an. Am Ort der Grundsteinlegung erklang feierlich das Tedeum, bevor Heinrich zum Spachtel griff und der Bischof zum Weihwedel.
Der festliche Tag ging zur Neige, der Herzog hatte sich zurückgezogen. Der Stadtvogt logierte jetzt nicht mehr ständig in der Burg, sondern besaß in der Nähe auf einem freien Platz, dort, wo langsam auch eine Siedlung entstand, ein festes Haus, und darin war Heinrich zu Gast. Die bürgerlichen Räte jedoch trafen noch einmal zusammen, Alf hatte sie in seinen Wohnturm geladen zu einem abschließende Umtrunk. „Es ist ein großes Werk, was dort entstehen soll,“ sagte Brun Wittentorp. „Aber es ist eine Kirche, die außerhalb unseres Einflusses bleibt,“ antwortete Alf. „Du hast recht, mein Freund,“ stimmte Hinrich nachdenklich zu. „Der Herzog hat den ganzen Dombereich auf dem südlichen Werder seiner Stadt entzogen, weder der Vogt noch wir sind berechtigt, dort Anordnungen zu treffen, Übeltäter zu verfolgen oder Häuser zu errichten. Der alte Hügel Bucu hat nun endgültig zwei Herren, den Herzog im Norden und den Bischof im Süden.“ „Und was wollt ihr dagegen unternehmen?“ fragte Brun. „Heinrich selbst hat dem Domkapitel den Besitz übertragen.“
Alf jedoch hatte einen Plan, den er schon einige Zeit im Stillen erwog, nun sprach er ihn aus: „Noch sind Bischof und Herzog einer Meinung, aber Bischof Heinrich besitzt mancherlei Einkünfte im Land, er ist Grundherr in Eutin und vielen Dörfern. Die Priester werden zu Fürsten. Wir können dort, wo sie regieren, keinerlei Recht wahrnehmen, aber sie bestimmen mit, wenn es um das Wohl und Wehe der Stadt geht kraft ihres geistlichen Amtes. Wir brauchen ein sichtbares Zeichen unserer Eigenständigkeit. Darum ist dies mein Vorschlag: Auch wir werden aus unserer Kirche am Markt einen steinernen Bau machen, und er soll dem Dom in nichts nachstehen.“
„Es wird den Bischof herausfordern,“ gab Brun zu denken. „Nicht, wenn wir geschickt handeln,“ gab Alf zu denken. „Auch die Priester an unserer Kirche sind ja dem Bischof unterworfen, und er mag vorerst dort einsetzen, wen er für würdig hält. Und noch ein zweites sollten wir bedenken: Alle Dome, die der Herzog stiftet, werden zwei Türme haben, unsere soll sich daher mit einem begnügen, schon wegen der Kosten, die die Gemeinde zu tragen hat. Aber ich bin bereit zu einer größeren Stiftung, so wie ich dem Dom gestiftet habe.“ Die anderen Männer nickten beifällig. „Auch wir werden uns großzügig zeigen,“ sagte Hinrich. „Dem Ziegel gehört die Zukunft, denn Ton haben wir rings um den Werder in großer Menge. Bald werden auch bei uns genügend Männer gelernt haben, wie er aufzubereiten und zu brennen ist.“
Schon wollten alle aufbrechen, da hielt Alf sie zurück: „Verzeiht, wenn ich euch noch einen Vorschlag unterbreite. Die Domherren leben zwar auch in klösterlicher Gemeinschaft, aber Lubeke hat kein eigenes Kloster, wie es so viele weit kleinere Städte haben. Bedenkt darum, ob es nicht an der Zeit ist, auch hier tätig zu werden.“ Brun hob die Brauen: „Noch einen Bau zur Ehre Gottes? Übernehmen wir uns da nicht? Und wo sollte eine solche Anlage entstehen – mit Kirche und Klausur, mit all den Wirtschaftsgebäuden und Gärten ringsum?“ „Du hast recht, Brun,“ antwortete Alf, „es ist nur ein Gedanke für die Zukunft. Doch wir sollten ihn erwägen. Und was den Ort für ein Kloster angeht: Im Osten des Werders, in der Nähe der Wochenitze, ist noch viel freies Land, so dass die Brüder in Abgeschiedenheit leben können. Ich selbst besitze dort einige Äcker, die würde ich gerne einbringen.“ Er schwieg eine Weile, dann fuhr er fort, und er sprach mehr zu sich selbst als zu den Freunden: „Ich werde älter, und jeder Tag bringt uns dem Tode näher. Es kommt die Zeit, sich zu rüsten, um getrost vor den Richterstuhl des Herrn zu treten. Und ich weiß nicht, ob ein paar Seelenmessen reichen, um dann zu bestehen. Viele haben deshalb schon die Kutte des heiligen Benedikt genommen, um sich ganz dem Gebet zu weihen und so Gott gnädig zu stimmen. Es wäre tröstlich, wenn ich dann einen Ort wüsste, wo man mich aufnimmt, wenn ich die Gelübde ablegen möchte.“
Die anderen blickten ihn an. Dies war keine Politik mehr im Sinne der Stadt, dies war der Wunsch einer angstvollen Seele. Leise sagte Alf: „Mein Weib ist in Frieden gestorben, voller Hoffnung auf das Paradies. Ich möchte es ihr eines Tages gleichtun, wenn ich abgerufen werde.“ Hinrich legte ihm die Rechte auf den Arm: „Wir werden alles gut bedenken, mein Freund. Und du bist nicht der einzige, der seine letzten Tage so leben will, dass er in Frieden sterben kann.“
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Es dauerte noch zwei Jahre, bis sich Alf Faehlings Wunsch erfüllte. Bischof Heinrich begründete das Kloster, das dem heiligen Johannes gewidmet wurde. Gegen den Widerstand seines Domkapitels erwarb er dafür Grund und Boden im Bereich der Stadt, und Alf kam ihm großzügig entgegen. Allerdings, darauf hatten die Ratsherren bestanden, verblieb der klösterliche Besitz im Weichbild der Stadt und war so Recht und Satzung der Bürgerstadt unterworfen. Heinrich holte daraufhin Mönche aus seinem alten Kloster in Brunswik nach Lubeke, und bald erklangen auch hier die Stundengebete der Brüder.
Im gleichen Jahr starb auch Wiebeke, Alfs zweite und noch junge Frau, am Kindbettfieber. Das nahm der alternde Kaufmann als Zeichen und Mahnung. Nachdem er alles geregelt, sein Erbe verteilt und seine Ämter niedergelegt hatte, bat er demütig Einlaß in jenem Kloster, das er sich so sehnlich gewünscht hatte, und empfing die Tonsur. Zwei Jahre noch blieben dem Bruder Martinus, wie er nun genannt wurde, um sich auf seine letzte Reise vorzubereiten, und er tat es ernsthaft und voller Hingabe.
Es war der Tag, da der erste Schnee des Jahres 1180 fiel, als Bruder Martinus nach der Matutin in seinem Chorstuhl sitzen blieb, als die anderen Mönche schweigend