Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Название Die Faehlings - eine Lübecker Familie
Автор произведения Eckhard Lange
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738082043



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unsere Wünsche für die Zukunft ebenfalls. Vielleicht ist er als neuer Stadtherr gerne bereit, uns vor dem Zugriff des Holsteiner Grafen oder anderer begehrlicher Fürsten zu schützen. Dann soll er festlich empfangen werden, wie es dem Kaiser des römischen Reiches gebührt.“

      *

      Jannes und Dietmar erreichten am Abend die belagerte Stadt, die kaiserlichen Herolde zogen sich grüßend zurück. Beide ritten in die Brunstraat und meldeten sich beim Bürgermeister, um ihm vom Erfolg ihrer Reise zu berichten. Der schickte sofort Boten an die anderen Ratsmitglieder, und trotz der einbrechenden Dunkelheit erschienen alle bei Brun Wittentorp. Noch einmal schilderte Jannes, was sie erreicht hatten, und gab allen die herzogliche Urkunde zu lesen. Dann wiederholte Dietmar seinen Vorschlag, Kaiser Friedrich am nächsten Morgen die Übergabe der Stadt anzubieten und dabei die Lubeke vom Herzog verliehenen Rechte anzusprechen. Alle stimmten zu, und Brun sagte: „Wir ergeben uns also nicht nach verlorener Schlacht, wir empfangen unseren kaiserlichen Herrn mit der ihm gebührenden Ehre. Wir sollten deshalb um einige Tage Aufschub bitten, damit der Einzug Friedrichs vorbereitet werden kann.“

      Am kommenden Tag zog der gesamte Rat, wieder begleitet von einem Herold, zum Lager der kaiserlichen Truppen. Die Herren hatten ihre Festgewänder angelegt, den kurzen, faltigen Rock aus farbenfrohem Samt, an den Rändern bestickt, dazu Mäntel aus Pelz, mit feinem Wollstoff gefüttert, und eng anliegende Beinlinge mit ledernem Schuhwerk. Brun und einige der älteren Ratsherren gerieten schon auf halbem Weg ins Schwitzen und hofften, die Pelze bei der Unterredung ablegen zu können. Jannes hatte vorher aus der Ratstruhe, die in St. Marien verwahrt wurde, die Urkunden über die herzoglichen Privilegien herausgenommen, sie sorgfältig abschreiben lassen und die Nachschrift in eine lederne Tasche gesteckt.

      Die Ankunft wurde dem Kaiser gemeldet, die festliche Tracht ließ den Secretarius schließen, dass der Rat eine günstige Nachricht überbringen würde. Man bat die Ratsherren um ein wenig Geduld, denn auch Friedrich wollte sie fürstlich gekleidet empfangen. So traten sie denn vor den Kaiser und neigten mit Respekt das Knie vor dem höchsten Fürsten der Christenheit. „Wir sind gekommen, um Eure kaiserliche Majestät zu bitten, diese Stadt Lubeke mit ihrem Besuch zu beehren,“ begann Brun als Bürgermeister. „Es wäre uns eine große Freude, wenn wir die Majestät mit aller Ehrfurcht am kommenden Tage des Herrn in die Stadt geleiten dürfen.“

      Friedrich Barbarossa zeigte sich sichtlich erfreut, ersparte man ihm doch einen Angriff. So fiel ihm Lubeke mühelos zu, und er könnte als neuer Stadtherr diesen wichtigen Ort in Augenschein nehmen. Er ließ kostbare Silberbecher in sein Zelt bringen, damit alle Ratsherren ihm zutrinken konnten, und leutselig fragte er nach dem Handel und den Beziehungen der Stadt zu den Häfen des Nordens. Jannes sah die Gelegenheit gekommen, auf die Privilegien zu verweisen, die Lubeke seit alters her genießt, auf den Vertrag mit den Gotländern, in dem der Schutz des Reiches sowohl den deutschen Kaufleuten auf Gotland als auch den dortigen Kaufleuten bei ihrer Reise nach Lubeke zugesichert war. Daß Herzog Heinrich ihn vermittelt und besiegelt hatte, verschwieg er lieber. Aber letztlich hatte der Löwe dies ja damals als Stellvertreter des deutschen Königs ausgehandelt.

      „Wir werden über alle diese Dinge mit Euch reden, wenn wir Eure Gastfreundschaft genießen,“ antwortete Friedrich diplomatisch, um dann doch zu ergänzen: „Wir werden Eurer Stadt Rechte nicht antasten, denn sie sind sicherlich auch im Interesse des Reiches.“ So wurde denn der Einzug des Kaisers für den folgenden Sonntag festgelegt, und die Ratsherren machten sich auf den Heimweg.

      *

      Ein wolkenloser Himmel spannte sich über das offene Feld vor dem Burgtor, wo sich in angemessener Entfernung das Heerlager des Kaisers befand. Friedrich trug den roten Cäsarenmantel, ihm folgten, ebenfalls hoch zu Roß, Fürsten und Grafen, die am Kriegszug beteiligt waren, sowie eine größere Zahl Berittener. Die Ratsherren gingen ihm etwa eine halbe Meile entgegen, um ihm als neuem Stadtherrn zu huldigen. Dabei übergab Bürgermeister Brun Wittentorp feierlich den Schlüssel der Stadt, den dann Dietmar als jüngstes Ratsmitglied vor dem Kaiser hertrug, während zwei andere zu beiden Seiten des Kaisers schritten und die Zügel seines Pferdes führten. Der restliche Rat folgte ihnen, bevor die weiteren Edelleute sich dem Zug anschlossen. So näherten sie sich dem Zugang neben der Burg, dort standen rechts und links vom Weg je zwölf Jungfrauen in weißen Leinenkleidern mit Blumenkränzen im Haar. Am Tor hatte sich der gesamte Klerus versammelt und stimmte das Tedeum an, während nun auch der Bischof das Knie vor dem Kaiser beugte, denn er war als weltlicher Fürst zugleich Lehnsträger des Reiches.

      Danach durchzogen alle die Stadt, deren Straßen festlich geschmückt waren mit Birkengrün und Fahnen. Der ganze Weg war gesäumt von den Einwohnern der Stadt, die dem hohen Herrn zujubelten, und das durchaus mit fröhlichem Herzen, denn ihnen war Schlimmes erspart geblieben. Dort, wo die Rechte des Rates endeten und die Domfreiheit begann, hatte die Schola der Bischofskirche Aufstellung genommen, um wiederum festliche Gesänge anzustimmen und den Besuch in die Domkirche zu begleiten, wo der Bischof ein festliches Hochamt zelebrierte. Danach geleiteten die Ratsherren Kaiser Friedrich und die Lehnsträger des Reiches zu den ihnen zugedachten Quartieren in den vornehmsten Häusern der Stadt, den Kaiser zum Haus des Bürgermeisters, das ebenfalls festlich geschmückt war. Alle wurden zunächst standesgemäß bewirtet, bevor sie sich zu einer Ruhepause zurückzogen. Am Abend folgte dann ein Festbankett im Saalgeschoß eines steinernen Hauses am unteren Ende der Alfstraat, das der Korporation der Gotlandfahrer als Versammlungsstätte diente und in dessen Keller die besonders kostbaren Waren lagerten.

      In diesem Saal traf dann am nächsten Morgen auch der Rat mit dem Kaiser und seinen Räten zusammen, um sich vom neuen Stadtherren die Privilegien von Rat und Bürgerschaft bestätigen zu lassen, neben der Selbstverwaltung in vielen Angelegenheiten vor allem Zollfreiheit und Schutz im gesamten Sachsenland. Auch gewährte Friedrich der Stadt weitere Rechte, um die man ihn bat: Der Graf von Holstein sollte allen Bürgern Weiderecht zugestehen auf dem Gelände rings um die Stadt, soweit, wie man das Vieh an einem Tag hinaus- und wieder hineintreiben konnte. Auch das Recht, Holz für Haus- und Schiffbau zu schlagen, wurde geregelt: Die Nutzung aller Waldflächen entlang des Flüsschen Stecknitz und des großen Sees, aus dem die Wochenitze fließt, sowie im Gebiet östlich bis zum Fluß Stepenitz wurden den Bürgern zugesprochen, ebenso der Fischfang in diesem Bereich. Vor allem aber erklärte der Kaiser sich zum Stadtherrn, auch wenn die Vogteirechte dem Grafen Adolf von Holstein, nunmehr der dritte dieses Namens, zugesprochen wurden.

      Kaiser Friedrich war ebenso ehrenvoll, wie er eingezogen war, nach einer Woche aus der Stadt geleitet worden, Alltag war eingekehrt in den Häusern der Kaufleute und Handwerker. Auch Dietmar konnte sich nun wieder um seine Geschäfte kümmern, auch wenn Katharina, seine Frau, erfahren genug war, um ihn zu vertreten. Zwei Töchter hatte sie ihm geboren und endlich auch den ersehnten Sohn, Reinhold. Brana, die Kinderfrau seiner jüngeren Geschwister, hatte wieder eine Aufgabe gefunden, und Katharina schätzte ihren Dienst, auch wenn sie im Gegensatz zur Hausfrau bereits ergraut war und ihr Gesicht von vielen Falten durchzogen. Dabei war die Magd knapp fünf Jahre älter als sie, und sie schleppte mit Leichtigkeit die hölzernen Eimer vom Brunnen auf dem Grundstück ins Haus, schlug das Linnen weich auf den Wiesen nahe der Wochenitze, wenn sie es zum Bleichen ausgebreitet hatte, und spaltete das Feuerholz, wenn die Knechte am Hafen gebraucht wurden. Vor allem aber wachte sie über Dietmars Kinder. Den Mädchen hatte sie aus mancherlei bunten Tuchresten Püppchen genäht und für den kleinen Reinhold eine Rassel aus Holz geschnitzt. War es ein Wunder, dass die Kleinen an ihr hingen und manchen Abend bettelten, sie möge doch von früheren Zeiten erzählen?

      Manchmal lauschte Dietmar, wenn sie mit ihrer immer noch etwas harten Aussprache von mächtigen Fürsten und schönen Frauen sprach, und Wehmut überkam ihn, weil so vieles an die Mutter erinnerte. Duscha hatte immer noch einen festen Platz im Herzen des Sohnes, und wenn Brana dann eines dieser schwermütigen slawischen Lieder sang, war auch seine Mutter ganz nahe. Katharina kannte diese Sprache nicht, und manchmal vermutete sie, dass allerlei Heidnisches besungen wurde, doch sagte sie nichts – die Kinder lauschten der Magd gerne, sangen auch diesen oder jenen Vers einmal mit, aber auch sie wussten ja nicht, wovon diese Zeilen erzählten, und das beruhigte ihre Mutter. Einmal hatte sie Brana danach gefragt, doch die hatte gemeint, es wären die Wiegenlieder ihrer Jugend, und dann verschmitzt hinzugefügt: „Und auch Liebeslieder meines Volkes, aber das verrate ich den Kleinen