Название | Das Lachen der Yanomami |
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Автор произведения | Nina Hutzfeldt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738031041 |
Jean öffnete die Augen und drehte sich zu Samuel. »Dein Vater hatte Recht.«
Samuel zog die Stirn in Falten. »Womit?«
»Damit, dass du ein Weichei bist.« Jean lächelte und ließ sich wieder in seinen Sitz sinken.
Samuel atmete tief aus. Warum hatte sein Vater so etwas über ihn gedacht? Vielleicht, weil Samuel lieber gemalt und mit Puppen gespielt hatte. Aber das machte ihn noch lange nicht zum Weichei.
Samuel blickte aus dem runden Fenster hinaus auf die weiße Wolkendecke, die sich wie Watte an das Flugzeug schmiegte. Wann würden sie endlich landen? Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er musste einfach zur Ruhe kommen, dann würde die Angst sicher bald verschwinden.
Jean öffnete die Augen und musterte Samuel. Er dachte darüber nach, dass es nun Samuel war, mit dem er nach Boa Vista flog. Eigentlich hatte Jean den Ausflug mit Samuels Vater, Joseph, machen wollen. Jean hatte Joseph im Zweiten Weltkrieg kennengelernt, doch sein Freund hatte diesen nicht überlebt.
Das Flugzeug begann zu sinken und schon bald konnte Jean aus dem Fenster Land erkennen. Vorsichtig klopfte er Samuel auf die Schulter. »Hey, aufwachen. Wir sind gleich da«, flüsterte er.
»Mm.« Samuel streckte die Arme in die Luft und gähnte. »Wie lange habe ich geschlafen?« Er rieb sich die Augen.
»Eine ganze Weile. Du, ich hab nochmal über das nachgedacht, was ich gesagt habe. Du bist kein Weichei. Es ist nur so, dass dein Vater...«
»Ist schon gut.« Samuel hob die Hand. »Ich weiß, dass mein Vater nach außen manchmal ziemlich herzlos wirkte, aber er hatte ein Herz.«
»Du bist sein einziger Sohn und er war stolz auf dich.« Jean starrte auf seine Füße. »Das waren seine letzten Worte.«
Beide schwiegen, bis das Flugzeug den Boden erreichte.
Boa Vista liegt im südlichen Teil des Berglandes Guayana. Es ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Roraima. Die Stadt liegt am rechten Ufer des Rio Branco. Das wusste Samuel, als er aus dem Flugzeug stieg und die Hand an die Stirn legte. Die Sonne stand hoch am Himmel und verstreute ihre heißen Strahlen in alle Himmelsrichtungen.
Samuel stellte schnell fest, dass hier alles etwas lockerer zuging als in England. Von der in England unvermeidlichen Hektik, war hier nichts zu spüren. Am Laufband standen sie gemütlich an, sicherlich hätten sie ein bis zwei Kaffee trinken können, bis ihr Gepäck zu sehen war.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so heiß ist«, sagte Samuel, als er seinen Rucksack schulterte.
»Das hatte ich dir gesagt.«
»Du hast etwas von einer anderen Wärme gesagt. Puh!«
»Komm, wir rufen ein Taxi und lassen uns in die Innenstadt fahren. Dort treffen wir uns mit den anderen Männern der Gruppe.«
Samuel war bei diesem Gedanken gar nicht wohl. In einem fremden Land nach Gold zu graben, schien ihm verkehrt. Aber Jean hatte alles bis aufs Kleinste geplant, was ihn ein wenig ruhiger stimmte. Er vermisste seine Frau Molly und die beiden Kinder Skye und Faith. Auch wenn es in seiner Ehe mehr schlechte als gute Zeiten gab, war seine Familie sein ganzer Stolz.
Jean hingegen hatte keine Familie mehr. Seine nahen Angehörigen waren im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Zu dieser Zeit hatten sich Joseph und Jean kennengelernt. Sie waren schnell Freunde geworden und hatten Pläne für die Zukunft geschmiedet, wenn sie sich in brenzligen Situationen befanden. Einer dieser Pläne war die Goldsuche hier in Südamerika.
»Danke, dass du mit mir zusammen hier bist. Es bedeutet mir sehr viel«, sagte Jean, als auf das Taxi warteten.
»Du musst dich nicht bedanken. Das tue ich gerne.«
Ein silberner Opel Meriva parkte in der Haltezone und hupte.
»Wir kommen«, rief Jean auf Französisch und hob dabei die Hand.
Der Taxifahrer war so klein, dass er gerade über das Lenkrad blicken konnte. Samuel lächelte.
Die Autofahrt war rasant und schnell zu Ende. Gut für das Portemonnaie, dachte Samuel und tastete nach seiner Gesäßtasche. »Hier. Ich gebe dir etwas dazu.« Er zog einen Schein Cruzeiro aus der Geldbörse und reichte ihn Jean.
Eigentlich wollte dieser das Geld nicht annehmen, aber Samuel bestand darauf.
Der Taxifahrer faltete seine Hände zum Gebet und beugte sich nach vorne. Jean hatte ihm viel mehr gegeben, als er musste.
»Komm, los jetzt. Wir treffen uns in einem Pub hier irgendwo um die Ecke.« Jean holte seine Karte aus der Hosentasche und faltete sie auseinander. Mit dem Finger fuhr er die Strecke nach, die das Taxi vom Flughafen zurückgelegt hatte.
»Na dann komm. Worauf wartest du?« Samuel schulterte seinen Rucksack, den er aus dem Kofferraum geholt hatte und war im Begriff loszugehen.
»Okay, dann los.« Jean zögerte, irgendetwas bedrückte ihn.
Die beiden Männer stiegen drei Stufen hinab und standen dann in einer zwielichtigen Kneipe. Jean nickte dem Wirt zu, als sie an den Tresen gingen. Jean sagte etwas auf Französisch und dann folgten sie dem Wirt bis zu einer Hintertür. Jean und Samuel traten in einen Raum, der nur von nackten Glühbirnen beleuchtet wurde.
»Hallo«, sagte Samuel.
»Bonjour.« Jean nickte den Männern am Tisch zu.
Dieser Raum wurde sonst sicher für illegale Pokerspiele genutzt, vermutete Samuel.
Acht gut gebaute Männer saßen am Tisch und blickten die beiden Frischlinge an.
»Ihr müsst Jean und Samuel sein?«, fragte der Größte von ihnen in schlechtem Englisch.
»Ja, das ist Samuel und ich bin Jean.«
»Gut, dann kommt. Setzt euch.«
»Ich bin Diego. Mit den anderen könnt ihr euch nachher bekannt machen.« Er zeigte in die Runde. »Seid ihr durstig? Ich lasse euch etwas zu trinken bringen.«
»Ja, gerne.« Samuel legte seine Hände auf den Tisch. Sein dunkelbraunes Haar klebte ihm auf der Stirn.
Diego hob die Hand und einer der Männer stand auf. »Kommen wir zum geschäftlichen Teil.«
Auf dem Tisch lagen mehrere Pässe, was Samuel stutzig machte. Er blickte Jean an, der ihm auswich.
»Hier sind eure Pässe. Die Fotos sehen euch ziemlich ähnlich. Benutzt sie nur im äußersten Notfall. Einen Hubschrauber haben wir organisiert, und wenn wir erst einmal die Funai passiert haben, kann uns nichts mehr passieren.«
Samuel nahm einen der Pässe entgegen. »Jayden Garcĭa«, murmelte er. Eigentlich wollte er fragen, warum er einen neuen Pass brauchte, aber er traute sich nicht. Die Männer waren ihm unheimlich.
Die Getränke wurden auf den Tisch gestellt. Es gab Bier, was Samuel überhaupt nicht mochte. Vielleicht war er doch ein wenig verweichlicht, dachte er, während er an seinem Glas nippte.
»Morgen früh werden wir aufbrechen.«
»Dann sollten wir uns gleich hinlegen, damit der Jetlag uns nicht umhaut«, scherzte Samuel, doch niemand lachte.
Über der Kneipe befand sich eine kleine Pension. Samuel und Jean hatten ein Zimmer mit zwei Betten. Samuel stellte seinen Koffer neben einem der Betten ab und setzte sich. Vorsichtig strich er sich die Schuhe ab und krabbelte gleich unter die Bettdecke. Am liebsten hätte er jetzt mit Molly gesprochen, aber in England war es jetzt Nacht und Molly schlief sicher schon.
Als Jean aus dem Gemeinschaftsbad zurück ins Zimmer kam, sah er Samuel nicht an. »Hast du nicht ein paar Fragen?«, sagte er.
»Vielleicht solltest du mir erzählen, was hier vor sich geht.« Samuel drehte sich zu Jean. Natürlich schwirrten ihm gerade tausend Fragen durch den Kopf.
»Früher oder später würdest du