Die Regulatoren in Arkansas. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн.
Название Die Regulatoren in Arkansas
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753135991



Скачать книгу

als sich das zum Tod entsetzte Tier auf diesen in die Höhe hob, um mit einem Sprung der gefährlichen Nachbarschaft zu entgehen. - Es war zu spät, der alte Mann hing wie mit eisernen Klammern an dem seinem Geschick verfallenen Tier. Vorwärts riß ihn aber die verzweifelte Kraftanstrengung des also Gefangenen.

      In voller Länge hineingezogen in die lehmige Masse, schleifte es ihn in seinem letzten Sträuben, und vergebens hob er, soweit es ihm der kurze, dicke Nacken erlaubte, den Kopf, um diesen wenigstens dem Schlammbad zu entziehen. Hochauf spritzte die dünne Masse, als er, einem Schiffe gleich, das von Stapel gelassen wird, hineintauchte.

      "Haltet fest", schrie Brown, hoch aufjauchzend und seinen gewöhnlichen Jagdschrei ausstoßend. "Haltet fest, Onkel - hurra für den alten Burschen, das nenne ich eine Jagd!"

      Der Zuruf war aber keineswegs nötig, denn nichts fiel dem alten Mann weniger ein, als jetzt loszulassen, wo er nicht allein seinen ganzen Sonntagsstaat, sondern sogar sich selbst total preisgegeben hatte. Um Hilfe zu rufen, durfte er freilich nicht wagen, denn unter diesen Verhältnissen den Mund aufzumachen, hätte mit höchst unangenehmen Folgen verknüpft sein können, aber fest hielt er, als ob seiner Seele Heil daran hinge. Gewiß lag in diesem Augenblick der Ausdruck seiner Willenskraft und Entschlossenheit in seinen Zügen, als er mit fest zugekniffenen Augen ruckweise durch die Salzlecke gezogen wurde, doch hatte ihm die väterliche Erde die ganze Physiognomie mit einer solchen Kruste überzogen, daß an Erkennung irgendeines Ausdrucks gar nicht zu denken war.

       Brown sprang zwar schnell zu seiner Hilfe herbei, der Anblick war aber so komisch, daß er sich am Rande der Lick ins Laub niederwarf und so krampfhaft lachte, daß ihm die Tränen an den Backen herunterliefen und er sich wohl eine Minute lang nicht erholen konnte. Wie er aber endlich wieder emporsprang, hörte er den scharfen Krach einer Büchse, zum letztenmal zuckte das schwergetroffene Tier im Todeskampfe empor und stürzte dann, die gefesselten Läufe dem Griffe des alten Mannes entreißend, verendend in den Schlamm zurück.

      Den Knall der Büchse hatte Harper aber gehört, und sich aufraffend, rief er mit wilder Stimme: "Wer hat geschossen?" Wobei er sich, da er die Augen nicht öffnen konnte, nach der falschen Seite, auf der niemand stand, wandte und dadurch Browns Lachlust aufs neue unwiderstehlich erregte.

      Der verborgene Schütze ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn aus einem kleinen Sassafrasdickicht trat der Indianer und stieß, als er die traurige Gestalt des sonst so ernsten und ehrbaren Mannes erblickte, wie er mit weitgespreizten Fingern und geschlossenen Augen dastand, in komischer Verwunderung ein lautes "Wah!" aus.

      "Bill - Bill - verfluchter Junge - Bill - komm her und f'ühr’ mich an die Quelle. Donnerwetter, soll ich denn hier den ganzen Tag stehenbleiben, bis der Lehm so hart wird, daß ihn kein Teufel wieder abkratzen kann? Bill, sag' ich - Schurke, willst du deinen alten Onkel hier im Stiche lassen?"

      Bill brauchte aber wirklich erst einige Sekunden, bis er sich sammeln konnte, dann trat er an das äußerste Ende des weichen Schlammes und reichte dem armen, kleinen Mann einen gerade dort liegenden trockenen Zweig hinüber, den dieser auch gar schnell ergriff und von seinem gehorsamen Neffen gleich darauf an den Bach geführt wurde, wo er sich vor allen Dingen die Augen auswusch, um sehen zu können, was um ihn her vorgehe.

      Das erste, was seinem Blick begegnete, war die Gestalt des Indianers, der, ohne weiter eine Miene zu verziehen, seine Büchse wieder lud.

      "So, Mr. Rotfell - also Ihr glaubt, ich krieche Sonntag morgens im Schlamm herum und halte Euch die Hirsche bei den Hinterläufen, bis es Euch gefällig ist, näherzutreten und sie nach Bequemlichkeit niederzuschießen, eh? Wenn ich einen Hirsch mit Lebensgefahr lebendig fange, habt Ihr dann ein Recht, ihn totzuschießen? Warum geht Ihr denn nicht auch nach meinem Hause und schießt Kühe und Schweine über den Haufen?"

      "Aber, Onkel, wir kommen zu spät in die Kirche!"

      "Die Kirche mag zum - glaubst du, ich ginge in einem solchen Aufzug in die Kirche? - Nein, dieser Rothaut will ich erst noch ordentlich meine Meinung geigen. Ist das Sitte, sich leise und nach der verdammten indianischen Art an einen Gentleman hinanzuschleichen und ihm das Wild aus den Händen herauszuschießen?"

      "Aber, Onkel, Sie hätten den Hirsch ja keine zwei Sekunden länger halten können!"

      "Keine zwei Sekunden länger? Und was weiß denn der Gelbschnabel davon, wie lange ich ihn hätte halten können? Hat mein Bruder doch einmal einen Bären eine ganze Nacht hindurch –“

      "Lebendig wollten Sie sich den Hirsch doch nicht aufheben?“ unterbrach ihn der Neffe, der nicht mit Unrecht eine der langen Geschichten befürchtete.

      "Und warum nicht? Hab ich nicht eine Fenz, die hoch genug ist, ein Rudel Hirsche drin zu halten, und geht das die Rotjacke etwas an, was ich mit meinem Eigentum zu tun beabsichtige? Nun, was gibt's dabei zu grinsen, eh?"

      Der Indianer, gegen den alle diese zornigen Redensarten geschleudert wurden, war indessen ruhig und ohne ein Wort zu erwidern mit dem Laden der Büchse beschäftigt gewesen, die er zuerst etwas ausgewischt und gereinigt hatte. Dabei verzog sich aber sein Gesicht zu einem breiten, freundlichen Lächeln, das zwei Reihen blendend weißer Zähne sehen ließ, und er erwiderte in gebrochenem Englisch: "Mein Vater ist sehr stark, aber ein Hirsch ist schnell, und einmal aus den Händen des weißen Mannes, würde er nie wieder seine Fährten in den weichen Boden des Fourche la fave gedrückt haben. Mein Vater wollte Fleisch - hier ist es."

      "Der Teufel ist dein Vater“, brummte Harper vor sich hin. "Wenn ich das Fleisch jemandem zu verdanken habe, so ist's diesen beiden Knochen", und er zeigte dabei seine kräftigen Arme. "Aber nicht wahr, Junge", fuhr er in der Erinnerung an seine Heldentat wieder freundlich werdend fort, "nicht wahr, das macht mir so leicht keiner nach? Ein Glück ist's übrigens, daß ihr beide es gesehen habt, denn, hol mich dieser und jener, wenn Roberts mir allein ein Wort davon geglaubt hätten. Schändliches Volk das, als ob ich jemals eine Lüge erzählte! Aber da feixen sie und feixen und sehen einander an und stoßen sich in die Rippen, als wenn sie in einem fort sagen wollten: Du - das ist wieder einmal eine göttliche Geschichte. Doch jetzt muß ich mich waschen, das Zeug wird sonst trocken –“

      "Wir werden zu spät zur Predigt kommen", sagte Brown, etwas ungeduldig nach der Sonne sehend.

      "Geh mit deiner Predigt, wohin du willst - was liegt daran, den Schleicher, den Rowson, predigen zu hören! So gut kann ich's auch, und was des Burschen Frömmigkeit –“

      "Wollen Sie denn erst wieder nach Hause reiten?"

      "Versteht sich - geh nur immer voran, ich komme schon noch zur rechten Zeit."

      "Was wird aber mit dem Wildbret?"

      "Was mit dem Wildbret wird, Musjö Naseweis? Das ist sehr leicht zu sagen, das marschiert auf meinem Pony in meine Küche, ich denke, ich hätt' es redlich genug verdient - so, Assowaum, das ist recht!" wandte er sich jetzt an den Indianer, der das erlegte Wild an dem kurzen Gehörn hinab zum Bache zog, um den dicken Lehm davon abzuspülen. "Wasch ihn ab, daß ihn ein ehrbarer Christenmensch mit Anstand aufs Pferd nehmen kann; aber hallo - was ist das, Mr. Skalpiermesser - was, zum Henker, machst du?"

      Der Ausruf bezog sich auf das Beginnen des Indianers, der mit größter Kaltblütigkeit den Hirsch aufbrach und anfing, eine Keule abzustreifen. "Ich will das Fell nicht herunter haben, hörst du? - Der Kerl ist taub."

      Assowaum ließ sich aber nicht irremachen, sondern löste höchst ruhig und gelassen eine Keule aus dem Wildbret, hing sich diese mit einem Streifen Hickoryrinde über die Schulter und erwiderte erst dann ganz ruhig: "Der weiße Mann ist allein in seinem Wigwam, und Assowaum ist hungrig."

      "Oh! Nimm meinetwegen die Hälfte vom Wildbret. Ich werde ja aber ganz blutig."

      "Aber nicht mehr schmutzig", antwortete der Indianer lakonisch, nahm seine Büchse wieder auf die Schulter und schritt schnell die Straße hinauf, den beiden Männern die weitere Sorge für ihr Wildbret überlassend. Brown half seinem Onkel den aufgebrochenen Hirsch aufs Pferd heben, der sich dann dahinter in den Sattel schwang und, bald wieder guter Laune, seinen Neffen nun vor allen Dingen beschwor, die Geschichte bei Roberts nicht eher