Название | Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen |
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Автор произведения | Ludwig Bechstein |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742749215 |
großes Hallo um den Schützen her. Der Stadtrat aber
dachte bei sich: O weh, unsere armen Hirsche und
sonstiges Wild, wenn dieser Scharfschütze und Gaudieb
wieder hinaus in die Wälder kommt – und beriet
sich, und der Stadtschultheiß sagte: Höre, Hänsel, daß
du gut schießen kannst, haben wir schon lange an gemeiner
Stadt Wildstand verspürt und jetzt auch deine
Kunst mit Augen gesehen. Bleibe bei uns, du sollst
Schützenhauptmann bei unserer Bürgerwehr werden.
– Aber der Hänsel sprach: Mit Gunst, werte Herren,
ins Blech hab' ich geschossen, und schieß euch
auch auf euern Schützenhauptmann. Eure Dachfahnen
trillen mir zu sehr, und euer Hahn kräht mir zu wenig.
Mich seht ihr nimmer, und mich fangt ihr nimmer!
Dank für die Herberge! – Und nahm seine Büchse
und ging trutziglich von dannen. Mit dem Hahn hatte
der Hänsel aber nur einen Spott ausgeredet, er meinte
das Frankfurter Wahrzeichen, den übergüldeten Hahn
mitten auf der Sachsenhäuser Brücke, die der Teufel
hatte fertig bauen helfen. Denn als sie der Baumeister
nicht fertig brachte, rief er den Teufel zu Hülfe und
versprach ihm die erste Seele, die darüberlaufen
werde, und jagte dann in der Frühe zu allererst einen
Hahn über die Brücke. Da ergrimmte der Teufel, zerriß
den Hahn und warf ihn durch die Brücke mitten
hindurch; davon wurden zwei Löcher, die können bis
heute nicht zugebaut und zugemauert werden, und
fällt bei Nacht alles am Tage Gemauerte wieder ein.
Auf der Brücke aber wurde der Hahn zum ewigen
Wahrzeichen aufgestellt. Den meinte der Hänsel Winkelsee,
daß er zu wenig krähe, nämlich gar nicht.
Kapitel 5
70. Der Teufelsweg auf Falkenstein
Auf der Höhe, vier Stunden von Frankfurt a.M., erhebt
sich auf fast unzugänglichem Fels die Burgtrümmer
Falkenstein, die Wiege eines im Taunus und der
Wetterau gar mächtigen Geschlechts, von dessen
Sprossen einige sogar Erzbischöfe von Trier wurden.
Ein Ritter von Sayn minnte die Tochter eines Falkensteiners,
aber der Vater war ihm abhold und wies
des Ritters Werbung mit den höhnenden Worten ab:
Meine Tochter will ich Euch gern zum Ehegespons
geben, ich verlange nur einen geringen Gegendienst.
Schafft diese Felsenzacken in einer Nacht zum gangund
reitbaren Wege um – das ist mein Beding und
mein Bescheid! – Unmögliches war begehrt, und hätten
tausend und aber tausend Hände sich zugleich zerarbeitet
an dem harten Felsgestein, es wäre nicht
möglich gewesen, in solch kurzer Frist das Werk zu
vollenden. Traurig zog der Ritter von Sayn, Kuno geheißen,
von dannen, zog nach dem Heiligen Lande,
focht tapfer in vielen Sarazenenschlachten, suchte den
Tod, fand ihn nicht, blieb stets eingedenk seiner
Minne und kehrte endlich in die Heimat zurück. Mit
schmerzlichen Gedanken umirrte er den felsumtürmten
Falkenstein, hätte gerne Kunde gehabt von seiner
Geliebten – und starrte trübe die Felsen an, die mit
ihrer Härte sein Geschick versinnbildeten. Hier hilft
keine menschliche Macht, nur Zauber könnte diese
Felsen zum Wege bahnen! seufzte der Ritter. Horch –
da war es ihm, als höre er seinen Namen rufen – und
wie er umschaut, hebt sich ein Erdmännchen in brauner
Kutte, eisgrau und mit verschrumpfeltem Gesicht,
aus einer Felskluft herauf und redet ihn mit sondrer
Stimme an: Kuno von Sayn, was lässest du nach Silber
wühlen drunten auf deinem Gebiet und störst
unsre Ruhe? Willst du diese Felsen zum Wege gebahnt
sehn? Willst du die Erbtochter vom Falkenstein,
die droben noch einsam um dich trauert, nach
dir sich sehnt, dein nennen? Dann gelobe nur eins und
schwöre, es zu halten. –
Dem Ritter war es seltsam zumute bei dieser Erscheinung
und Rede, und dachte, es möcht' etwa eine
Versuchung des bösen Feindes, und was er geloben
solle, möchte etwa seine Seele sein. Er fragte daher
nicht ohne Zagen: Was ist dein Begehr? – Da sprach
das Erdmännchen: Versprich mir auf dein ritterlich
Wort, daß du morgendes Tages alle deine Gruben,
Schachte und Stollen willst zuschütten lassen, die wir
ohnedies, so wir wollten, ersäufen könnten, so wollen
wir in heutiger Nacht noch die Felsen ebenen, daß du,
wenn du getan, was ich heische, am lichten Tag hinaufreiten
und den Falkensteiner an seine Zusage mahnen
kannst. – Des war der Ritter hocherfreut, er sagte
gern zu, was der kleine Erdzwerg verlangte, und
begab sich zur Ruhe. Als es Nacht geworden, regte
sich's wunderbarlich um die Burg, es krachte, es polterte,
es hackte, es schaufelte – tausend kleine Berggeister
allzumal, obschon sie zwerghaft gestaltet
waren, mit Riesenkraft begabt, förderten das verheißne
Werk, und als der Hahn den Morgen ankrähte,
war's vollbracht, und als die Sonne hinterm fernen
Spessart heraufstieg, da ritt schon Kuno von Sayn den
neuen Weg und ließ sein Horn erschallen, daß sich
der Wächter auf dem Turme des Falkenstein nicht
wenig verwunderte, und noch mehr der Falkensteiner,
doch freute er sich auch ob des so lang ersehnten
Weges und hat sein Wort gehalten und die Liebenden
vereinigt. Der Ritter Kuno von Sayn hielt gleichermaßen
auch sein Wort, das er dem Zwerg gegeben, und
ließ die Schachte, darin er nach Silber gegraben, zuwerfen
und eingehen. Der Felsenpfad, den die Erdgeister
bahnten, heißt heute noch der Teufelsweg; er
zieht unten an der westlichen Seite