Oliver Hell Abschuss. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell Abschuss
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия Oliver Hell
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847647683



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in seinen Kleidern auf das Bett und schlief bis zum nächsten Morgen.

      *

      Sebastian Klauk stand vor seinem Kühlschrank und holte eine Milchflasche heraus. Er schraubte den Verschluss auf und trank einen Schluck. Danach goss er etwas in die Schüssel mit dem Müesli. Er stellte die Flasche zurück in den Kühlschrank und gab der Türe mit dem Fuß einen Schubs. Er stellte sich an die Anrichte in seiner Singleküche. Er mochte nicht sitzen. Der vergangene Abend hatte ihn wieder aufgewühlt. Ein Besuch bei seinen Eltern. Wider besseres Wissen hatte er sich von seiner Mutter breitschlagen lassen. Mit einem mulmigen Gefühl war er schon die Auffahrt zum Haus seiner Eltern hinaufgefahren und hatte sein Auto vor dem hell erleuchteten Eingang abgestellt.

      Seine Mutter hatte ihn mit weit geöffneten Armen und strahlendem Gesicht empfangen. Er mied auch nicht den Kontakt zu seiner Mutter, sondern den zu seinem Vater. Der hatte sich für seinen Sohn eine andere Karriere gewünscht. Polizist. Kriminalpolizist. Das war nicht standesgemäß. Für Klauk war seine Berufswahl eine Entscheidung gewesen, die er gegen seinen Vater getroffen hatte.

      Sticheleien, Streit, böse Worte. Klauk hatte nach kurzer Zeit das Haus wieder verlassen. Es war wie immer. Sein Vater konnte auch nach Jahren nicht verkraften, dass sich sein Sohn gegen seine Pläne entschieden hatte und auf die Polizeiakademie gegangen war.

      „Was ist das für ein Lebensentwurf? Erfüllt es dich, in der Gosse nach Mördern, Dieben und anderem Gelump zu suchen? Wer hat dir das vorgelebt?“

      Wie immer hatte er mit einem Glas Cognac vor ihm gestanden. Nein, sein Vater war kein Alkoholiker. Der Cognac und der locker um seinen Hals geschlungene Seidenschal gaben ihm etwas Aristokratisches. So sah er sich. So hätte er seinen Sohn auch gerne gesehen. Als selbstgefälligen Snob.

      Seine Mutter hatte Tränen in den Augen, als er sich von ihr mit einem flüchtigen Kuss auf die Stirn verabschiedete. Ihre Hände streiften sich kurz, dann verließ er ohne ein weiteres Wort an seinen Vater zu richten, das Haus.

      Diese Begegnungen mit seinen Eltern kosteten Klauk immer wieder Nerven. Er aß sein Müesli und stellte die Schüssel mit einem Rumms in die Spüle.

      Auf dem Weg zum Bad schlug er ein paarmal wild auf den Punchingball ein, der im Wohnzimmer stand. Der letzte Schlag wurde von einem lauten Schrei begleitet. Der Punchingball federte zurück. Klauk wich ihm geschickt aus.

      *

      Die Neuigkeiten der Nacht brachten die bisher eher zähen Ergebnisse der Ermittlungsroutine in Gang. Hell fühlte sich frisch. Er hatte eine Dusche genommen und wurde nach seinem Eintreffen im Präsidium von Wendt informiert.

      Wieder saßen sie im Besprechungsraum, eine Fliege surrte am Fenster. Gemurmel, Papiergeraschel. Wendt nestelte am Beamer herum. Dann endlich fiel das Bild des Opfers auf die Projektionsfläche. Lohse noch lebend als Porträt, lächelnd. Dann Lohse neben zwei weiteren Männern, die alle Hunde an der Leine hielten.

      Wendt räusperte sich. „Robert Lohse. Geboren am 12. März 1969 in Köln.“ Er klickt wieder auf das erste Bild mit dem Portrait zurück. „Ich habe gestern Abend bei Facebook nach dem Namen gegoogelt. Dabei ist herausgekommen, dass Lohse sehr aktiv in der Zoophilenszene vertreten ist. Für alle, die das nicht kennen, damit ist Sex mit Tieren gemeint. Es gibt eine Gruppe dort, die sich öffentlich dazu bekennt. Dort ist ... war Lohse sehr aktiv.“

      „Wo ist Lohses Hund? Ist das sein Hund, auf dem anderen Bild“, fragte Hell.

      „Eher nein. In seiner Wohnung sah es nicht danach aus, als wäre er Hundehalter.“

      Meinhold strich sich eine Locke aus dem Gesicht und versuchte die Zornesfalten auf ihrer Stirn im Zaume zu halten. Schwein mieses, dachte sie und ermahnte sich direkt sachlich zu bleiben.

      „Es gibt aber sehr viele User, die diese Zoophilen angreifen“, fuhr Wendt weiter, „Einige sparen auch mit Drohungen nicht. Vielleicht haben wir hier eine mögliche Spur, ich bleibe dran.“

      „Wer sind die anderen beiden auf dem Foto?“

      „Der linke heißt auf Facebook nur ‚Huli Kö‘. Zu dem anderen haben wir noch keinen Namen, nur dieses Bild.“

      „Ich nehme mir nachher das Buch vor, vielleicht sind sie dort auch zu finden“, sagte Meinhold. Sie zupfte sich ihr T-Shirt zu Recht, weil sie das Gefühl hatte, ihr Dekolleté wäre doch zu freizügig.

      „Ja, machen Sie das. Wendt kümmert sich um den Pfeil, dann weiter um die Facebook-Geschichte. Es kann ja sein, dass Lohses Tod mit den Drohungen dort zu tun hat.“

      „Ich fahre gleich zu Lohses Arbeitsstätte“, sagte Klauk, „Er arbeitete in einer Metallfirma.“

      „Gut, ich gehe in die KTU und schaue denen mal auf die Finger. Die haben Decken, Laken, Matratzen und Kissen aus Lohses Wohnung eingetütet. Vielleicht gibt es dort Spuren. Treffpunkt hier wieder zur Mittagszeit.“

      Er klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf.

      Das waren reale Sachen, mit denen er sich auskannte. Das Internet und seine Labyrinthe war nicht Hells Sache. Daher war er froh, dass er Wendt hatte. Der würde sich da schon durchbeißen. Hell ging ruhig hinüber in sein Büro. Auf seinem Tisch lag eine Mappe mit den Tatortfotos. Er blätterte sie durch und legte die Mappe weg. Das pralle Sonnenlicht schien durch die nachlässig geschlossene Jalousie hindurch. Auf Hells Tisch zauberte es ein hübsches Streifenmuster. Er betrachtete das Muster und wünschte sich einen schnellen Fahndungserfolg.

      *

      Es gab Dinge, die mochte Meinhold nicht. Die ihr bevorstehende Aufgabe gehört dazu. Dabei hatte sie Hell darum gebeten, dieses Buch zu untersuchen.

      Sie erinnerte sich an die heftige Reaktion, die ihr beim Betrachten des Buches widerfahren war. In ihrer Hand hielt sie den Asservatenbeutel mit dem Buch, was sie jetzt von der KTU in ihr Büro trug. Der Beutel stellte noch einen Schutz dar gegen die Bilder.

      Langsam schlenderte sie über den Hell erleuchteten Flur der KTU, fuhr mit dem Aufzug in die zweite Etage. Sie warf das Buch auf ihren Tisch, holte sich eine Tasse, öffnete linkisch ein Milchdöschen mit Kaffeesahne, schüttete sich Kaffee ein und rührte um.

      Ihr Blick war die ganze Zeit auf das Buch gerichtet. Sie zog den Stuhl heran, setzte sich, nahm den Beutel und riss ihn mit einem Ruck auf. Der Inhalt plumpste auf die Tischunterlage.

      Ein Schluck Kaffee. Sie schlug es auf. Mit heraufgezogenen Brauen versuchte sie zu verstehen, was sie dort sah. Männer mit Hunden, Männer mit Schafen, Männer, die auf Schemelchen standen und ein Pferd begatteten. Andere Männer hielten die Tiere und deren Schwänze fest. Hunde auf Tischen festgeschnallt. Ihre Schwänze hatte man den Tieren abgeschnitten.

      Es ging um Sex. Es ging um Perversion. Es ging um Selbstdarstellung. Ein makabres Spiel. Meinhold blätterte weiter. Sie suchte nach den Männern, die Wendt bei Facebook entdeckt hatte. Tatsächlich fand sie bald den, der sich ‚Huli Kö‘ nannte.

      Die Seiten, auf denen die Männer abgetrennte Körperteile von Tieren bei sich führten, blätterte sie schnell weiter. Das war ihr zu heftig. Und dann fühlte sie, wie ihr fast die Sinne schwanden: Auf mehreren Bildern waren auch Frauen zu sehen. Die hatten Sex mit Hunden. Ließen sich von ihnen mit der Zunge befriedigen. Meinhold kannte ja das Schlagwort, dass man älteren Damen mit ihren Schoßhündchen nachsagte: Fotzenlecker. Aber real im Bild hatte sie so etwas noch nie gesehen. Auch nicht vorgestellt. Sie legte das Buch beiseite und öffnete das Fenster. Als könnte sie damit den Ekel, der sie befiel, wegbrennen lassen, hielt sie ihr Gesicht in die Sonne.

      *

      Die Dame an der Rezeption nickte.

      »Ja, ich habe vom Tod Lohses gehört«, sagte sie leise.

      Klauk hatte ihr den Polizeiausweis hingehalten und nach Lohses Arbeitsplatz gefragt. Die Dame drückte einen Knopf auf ihrer Sprechanlage. Sie sprach mit einem Mann vom Werksschutz und sagte ihm, er solle rasch herkommen. Kurz drauf rumpelte hinter Klauk ein Aufzug herunter und eine Türe öffnete sich scheppernd.