Oliver Hell Abschuss. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell Abschuss
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия Oliver Hell
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847647683



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er auch noch nicht. Die Bilder reichten ihm. Nur musste er wieder dorthin gelangen und die Bücher an sich bringen. Wenn die junge Polizistin noch da war, würde sie ihn nicht ein zweites Mal für einen Nachbarn halten. Sie hatte auf die Treppe gekotzt. Warum nur? Hatten sie noch mehr Bücher gefunden? Sein Glück war ihre Lüge. Hätte sie ihn angesprochen, dann wäre er schon aufgeflogen. Du musst noch vorsichtiger sein, dachte er.

      Das Licht in der Küche war dämmrig. Hesse erschrak, als er sein Spiegelbild im Glaseinsatz des Küchenschrankes sah. „Er hat‘s nicht geschafft“, murmelte er vor sich hin.

      *

      Hell wartete. Er stieß den Rauch seiner Zigarette aus und schaute auf seine Armbanduhr. Der Pressetyp war schon fünfzehn Minuten zu spät. Im ersten Moment war er sogar versucht, nicht zu dem Treffen zu gehen. Doch dann störte ihn die Erwägung, dass ein Mord in einem Wald hier in der Gegend viel Wirbel machen würde. So würde er erfahren, was die Schlagzeile der morgigen Zeitung sein könnte und hatte die Möglichkeit daran vielleicht auch noch etwas zu drehen.

      Als er sich gerade abwenden wollte um zu gehen, stellte sich ihm ein großer, dünner Mann in den Weg.

      „Kommissar Hell?“ Er hielt ihm die Hand hin.

      „Ja. Mit wem habe ich die Ehre?“ Hell schlug ein.

      „Mein Name ist Maier, Christian Maier vom Morgenmagazin. Danke, dass Sie gekommen sind. Trinken wir einen Kaffee?“

      Hell fand den Mann auf den ersten Blick sympathisch. Das passierte bei Vertretern der Presse selten. Die meisten waren ihm zu schleimig. Das Morgenmagazin war kein Intellektuellenblatt, aber es gab Schlimmere. Hier stand ein Mann vor ihm mit einem wachen Blick und einem offenen Gesicht.

      „Trinken wir einen Kaffee, schließlich bietet sich das an, wenn man vor einem Café steht.“

      Hell bestellte einen Kaffee wie sein Gegenüber.

      „Was haben sie?“

      „Eine Stimme.“ Maier lächelte. Für ihn war der Anruf in der Nacht ein Glücksfall. Schon wollte er die Redaktion verlassen, als das Telefon klingelte. Er hielt inne, blickte das Telefon an, ging zurück und hob den Hörer ab.

      „Die was gesagt hat?“ Hell nahm einen Schluck aus der Tasse.

      „Es war nur eine kurze Bemerkung gewesen. Kein Akzent, nichts Auffälliges.“

      „Die was gesagt hat?“, wiederholte Hell seine Frage und stellte seine Tasse wieder ab.

      Maier blickte Hell ins Gesicht. Verbrechen und Polizeiarbeit hatten ihn schon immer fasziniert. Jetzt sah er eine Chance, Anteil zu haben. Er holte sein Diktiergerät aus der Jackentasche, stellte es auf den Tisch vor sich und schaute Hell wieder an.

      „Was tun sie für mich?“ Mit diesem Satz schwand ein Teil der Sympathie, die Hell für ihn empfand.

      „Ich kann sie auch sofort hier festnehmen wegen der Unterschlagung von Beweisen in einem Mordfall.“ Hell grinste ihn gespielt freundlich an.

      Maier drückte den Play-Knopf. Der Apparat startete sofort. „Ich möchte einen Toten melden. Er liegt im Wald nahe Winterscheid. Fahren sie die Straße, die von der Bundesstraße rechts abgeht, bis zum Ende.“

      Hell starrte den Apparat an. War das die Stimme des Mörders? Für Maier war es wirklich heißes Material, für Hell war es eine erste Spur. Es hatte schon Fahndungen mit einer Stimmprobe gegeben, die in den Nachrichten und von den Regionalsendern abgespielt wurde. Damals wurde der Täter gefasst.

      „Ich kann Ihnen eine Kopie zukommen lassen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir auch entgegenkämen.“

      Hells Augen wurden schmaler. „Wie ich eben schon sagte, ich kann sie festnehmen und das Gerät konfiszieren.“

      „Er hat sich einmal bei unserer Zeitung gemeldet. Wer sagt uns, dass er es nicht erneut tun wird? Selbstverständlich erfahren Sie das dann aus erster Hand.“

      Maier pokerte. Er nahm das Diktiergerät vom Tisch und lies es wieder in seiner Tasche verschwinden. Hell schwenkte den letzten Rest seines Kaffees in der Tasse und stellte sie ab.

      „Gut.“

      Der Journalist hatte es plötzlich eilig. „Ich fühle mich eingeladen“, sagte er. Schon war er neben Hell, blieb abrupt stehen, kam einen Schritt zurück. Mit einem Grinsen legte er eine SD-Karte auf den Tisch.

      „Für Sie“, sagte er und ging schnell zur Türe.

      *

      Das Neonlicht im Konferenzraum schmerzte in Hells Augen. Er drehte seinen Stuhl so, dass das Licht nicht direkt in seine Augen fiel. Er hatte vergeblich versucht, auf der Liege im Büro etwas zu schlafen. Wendt hatte das gesamte Team zur Besprechung zusammengerufen. Sie hatten viele Ansätze, die zusammengeführt werden mussten. Die Befragung des Jägers hatte nichts ergeben. Hell hatte es nicht anders erwartet. Die SD-Karte, die er von Maier bekommen hatte, war bei der KTU und wurde mit dem Anruf verglichen, der bei der Polizei eingegangen war.

      „Ich habe die Nachbarn Lohses befragt“, berichtete Klauk, „Er war völlig unauffällig, keine Frauenbesuche. Manchmal kamen ein paar Freunde vorbei. Das passt, schließlich stand er ja nicht auf Frauen.“

      Wendt heftete ein paar Bilder und eine eilig gezeichnete Karte vom Tatort auf die Pinnwand. Bunte Striche, stilisierte Bäume, der Fundort als Kreuz. „Bist du fertig“, fragte er Klauk. Der nickte.

      „Die Kollegen haben das ganze Gelände bis zur angrenzenden Weide untersucht. So wie Sie es wollten, Chef. Dabei fanden sie dort die gleichen Fußabdrücke, wie sie auch von den Schuhen des Toten abgenommen wurden. Er ist von dort gekommen. Man fand auch noch Abdrücke einer weiteren Person. Die sind aber nicht brauchbar. Derjenige hatte seine Schuhe mit einem Sack oder Leinen umwickelt. Clever, so kann man nur die Schuhgröße ahnen, aber nichts wirklich zuordnen. Sie haben die Stelle gefunden, wo er das Opfer mit dem Pfeil getroffen hat. Die ist hier.“ Er zeigte mit dem Finger auf die Karte. „Hier ist der Fundort der Leiche. Dazwischen liegen circa 20 Meter.“

      Zwanzig Meter um sich damit abzufinden zu sterben, dachte Meinhold.

      „Hat man auch verletzte Tiere gefunden“, fragte sie ihren Kollegen. Sie musste die Frage stellen, dachte Wendt. Sonst keiner.

      „Nein, davon hat niemand etwas gesagt.“

      „Hat man Spuren eines Kampfes gefunden?“ Wer lässt sich einfach mit einer Armbrust einen Pfeil in die Brust schießen, ohne sich zu wehren, grübelte Hell.

      „Nein, auch davon steht nichts im Bericht.“

      „Was sagt die KTU zum Schusskanal?“

      „Sie gehen davon aus, der Täter ist gleich groß wie das Opfer. Die genauen Ergebnisse haben wir morgen vorliegen.“

      Wendt lutschte auf einem Fisherman’s herum und schaute in die Runde. Der Täter band sich Leinen um die Schuhe um keine Spuren zu hinterlassen und war so groß wie sein Opfer. Bisher waren das nur dürftige Splitter und Schlaglichter auf einen Gegner, die nichts Gutes für die Ermittlung ahnen ließen.

      Die Zeiger der Armbanduhr standen auf halb sieben. Hell beendete die Besprechung, nachdem er Klauk ermunterte, weiter im Leben Lohses zu schnüffeln und Wendt damit beauftragt hatte, sich am nächsten Tag um den Pfeil zu kümmern und schickte die Kollegen nach Hause.

      Sie verabschiedeten sich auf dem Flur. Meinhold blieb noch einen Moment stehen.

      „Sie sind o.k.?“, fragte Hell.

      „Ja, ich bin o.k.“, sagte sie, „Es war nur dieser Moment, indem ich verstand, dass dieser Mann ein Perverser ist und dann diese abscheulichen Bilder. Ich kümmere mich um die Analyse des Buches, wenn ich darf.“

      „Ja. Gut. Aber nur so lange, wie es für Sie geht.“

      Meinhold nickte dankbar und ging den Flur entlang. Hell resümierte. Sie hatten es mit einem intelligenten, gut orientierten und vorsichtigen