Oliver Hell Abschuss. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell Abschuss
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия Oliver Hell
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847647683



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einem Beweismittelbeutel.

      „Das gibt dem Ganzen eine Richtung“, sagte er und schluckte.

      „Perverse.“ Sie trat mit dem Fuß gegen das Bett.

      „Wer weiß, vielleicht findet die Spusi noch mehr.“ Wendt wollte sich keine Blöße geben, doch Meinhold sah, wie auch er blass um die Nase wurde.

      „Sorry, ich muss hier raus“, sagte Meinhold und stürmte aus der Wohnung. Draußen auf der Treppe übergab sie sich. Es wurde ihr klar, dass sie keine Möglichkeit mehr hatten, diesem Albtraum zu entkommen. Der war mit Höchstgeschwindigkeit auf sie zugerast und es gab keinen Ausweg mehr.

      Sie mussten sich ihm stellen.

      Was sie eben in dem Buch gesehen hatte, überstieg ihre Vorstellungskraft. Es enthielt Fotos. Nur Fotos. Keinerlei Text. Diese Fotos zeigten Männer, die Sex mit Tieren hatten, oder mit Teilen von Tieren. Auch der Tote aus dem Wald war dort zu sehen, wie er sein Geschlechtsteil in den abgetrennten Kopf eines Schafes steckte. Er lachte dabei in die Kamera, während das Blut des Tieres an seinen Beinen herunterlief.

      Meinhold hielt sich bis zu dem Zeitpunkt für eine normale Frau. Nicht Prüde, auch nicht sexsüchtig, aber experimentierfreudig. Jetzt wusste sie, dass die Experimentierfreude Grenzen hatte. Das hier erschien ihr einfach nur pervers. Diese Typen waren krank. Und einer von ihnen war jetzt tot. Es gab also außer ihr noch jemanden, der diese Sexpraktiken für nicht normal hielt. Meinholds Meinung hierzu stand fest. Dieser Jemand hatte angefangen, sie zu jagen.

      Gnadenlos.

      Meinhold kniete auf der Treppe und kämpfte noch mit ihrem Mageninhalt. Daher bemerkte sie nicht den schwarz gekleideten Mann, der von oben die Treppe hinunter kam.

      „Ist ihnen schlecht? Kann ich Ihnen helfen?“

      „Nein, nein“, sagte Meinhold, „Ist schon gut. Mir war nur ein wenig schlecht. Ich habe wohl etwas Falsches gegessen“, log sie. Sie kniete immer noch auf einer der Treppenstufen. Sie sah das Gesicht des Mannes nicht.

      „Ja, wirklich?“, fragte der Mann besorgt.

      „Ja, alles gut.“

      „Gut, dann belästige ich Sie nicht weiter.“ Er ging weiter.

      In dem Moment steckte Wendt seinen Kopf aus der Türe.

      „Sie ist nicht alleine“, rief er dem Mann nach.

      Der Fremde drehte sich nicht um und ging schnell und wortlos die Treppe hinunter.

      „Wer war das?“ Wendt machte eine Kopfbewegung, dem Mann hinterher.

      „Ein Nachbar. Er kam von oben.“

      „Bist Du o.k.? Ich habe Hell informiert. Er schien nicht sonderlich überrascht, als ich ihm von dem Buch berichtet habe.“

      Meinhold nickte.

      „So ist er eben, das weißt du doch. Man kann ihn selten überraschen.“

      Wendt hielt ihr die Hand hin. Wenig später traf ein Wagen der Bereitschaftspolizei ein. Sie übernahmen die Sicherung der Wohnung, bis die Spurensicherung eintraf.

      *

      Meinhold fühlte sich angeschlagen. Doch wollte sie das ihren Kollegen im Bereitschaftsraum nicht offenbahren. Es war einfach widerlich, was sie gesehen hatte. Kollege Wendt fand die passenden Worte, um Hell diesen Eindruck zu bestätigen. Da das Buch noch in der Kriminaltechnik untersucht wurde, hatten sie noch keine Fotos zur Verfügung. Meinhold war auch nicht scharf darauf, diese Fotos an der Pinnwand hängen zu sehen. Die Bilder in ihrem Kopf reichten ihr.

      „Das passt zusammen mit dem, was Frau Beisiegel bisher herausgefunden hat. Sie hat unter den Fingernägeln des Toten Blut von einem Tier gefunden. Um was für ein Tier es sich handelt, kann sie noch nicht sagen. Sie geht auch davon aus, dass Lohse vor seinem Tod gejagt wurde. Seine Verletzungen lassen darauf schließen.“

      „Wir suchen also einen Racheengel“, sagte Klauk, „Einer, der Tiere rächt.“

      „Das muss nicht so sein. Es kann auch einen völlig normalen Hintergrund haben. Nur weil wir hier in ein Nest von Perversen gefasst haben, ist das nicht zwingend notwendig.“

      Hell war nicht überzeugt, dass es hier nur um einen Fall von Rache ging.

      „Vielleicht hat ihn jemand getötet, den er erpresst hat. Auch an so etwas müssen wir denken“, sagte Wendt, „Diese Menschen leben sicher ständig auf dünnem Eis, da ist man schnell erpressbar.“

      „Wir müssen warten, bis die Bilder ausgewertet worden sind. Es kann ja sein, dass sich noch mehr Leute aus dem Buch im Strafregister finden.“

      Klauk scharrte bildlich gesprochen mit den Füßen. Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass Hell seine beiden Kollegen zu Lohse geschickt hatte.

      „Also müssen wir warten, bis die etwas finden. Im Wald, bei Lohse in der Wohnung, in dem Buch.“

      „Ja, so ist es.“ Hell betrachtete seinen jungen Kollegen aufmerksam.

      Alles, was auf die ersten, gelähmten Augenblicke der Erschütterung folgte, war Warten. Klauk gefiel das nicht. Wie alle einfach strukturierten Menschen empfand er das Außergewöhnliche und völlig Unbequeme als ein Attentat gegen seine eigene Person.

      Klauk jedoch war intelligent genug, nicht darüber zu klagen, sondern Mittel und Wege zu finden, dem einen Sinn zu geben und deshalb war er Kriminalist. Nicht so ein brillanter Kopf, wie Hell oder Wendt es waren. Er funktionierte eher aus dem Bauch heraus. Seine beiden männlichen Kollegen waren Kopfmenschen, er war ein Bauchmensch. Daher war er in Hells Team.

      „Ich kümmere mich um sein Umfeld, Kollegen, Freunde, und so weiter. Das können wir im Moment tun. Ich muss etwas tun.“ Hell nickte und Klauk verließ den Raum.

      Kapitel 3

      Hell stand im Sektionskeller vor dem spiegelblanken Obduktionstisch. Mit sauberen Stichen hatte Beisiegel den ‚Y‘-Schnitt auf dem Brustkorb des Toten wieder vernäht.

      Lohses Organe lagen in polierten Aluminiumschalen auf dem Tisch nebenan.

      Kurze Zeit zuvor hatte Hell einen Anruf von Wendt erhalten. Der berichtete ihm mit wenigen, aber dafür aussagekräftigen Worten, was sie in Lohses Wohnung gefunden hatten.

      »Es ist so schlimm, das Christina eine Runde gekotzt hat!«, sagte er salopp.

      Hell kniff die Lippen zusammen, als er die Beschreibungen Wendts hörte. »Gut, wir sehen uns später«, antwortete er und teilte Dr. Beisiegel die neuesten Erkenntnisse mit.

      »Interessant, einen Sodomisten hatte ich auch noch nicht hier liegen«, sagte sie knapp.

      Es hatte immer etwas Frankensteinhaftes, dachte Hell, als er die Organe des Mannes betrachtete. Die Beleuchtung der OP-Strahler ließ den Leib grell erscheinen. Die Arme des Mannes lagen dicht an seinem Körper. Die Hände waren jetzt sauber, die Fingernägel gereinigt. Hell blickte auf den glatt rasierten Genitalbereich des Mannes. Beisiegel fing seinen Blick auf.

      „Er hat Verletzungen an seiner Eichel. Abschürfungen. Das muss höllisch wehgetan haben. Er hatte eine Creme aufgetragen zur Linderung. Tja, je nachdem, was man so alles vor die Kanone bekommt.“

      Sie trug ein gespielt mitleidiges Grinsen.

      „Ich versuche diesen Menschen erst mal als Opfer zu sehen, nicht als den Perversen, den schon alle in ihm sehen.“

      „Das ehrt sie, Herr Kommissar.“

      Sie strich mit einem feinen Kamm durch das Haar des Mannes. Hell hob die Brauen, ließ seinen Blick von dem Toten zu ihr herüberwandern. Er schätzte Frau Beisiegel sehr, manchmal war sie ihm allerdings zu flapsig, so wie in diesem Moment jetzt.

      „Soll ich Ihnen meine Ergebnisse verraten“, sagte sie und kämmte weiter das dichte Haar des Mannes.

      „Ich bitte darum,