Название | Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang |
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Автор произведения | Johann Gottfried Herder |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066398903 |
Dies half etwas, aber wenig, ich hatte keine Ruhe. Endlich erschien sie doch, und armer Tizian, wie fielst du weg! O alle Kunst, neige dich vor der Natur! Sie zog zur Pforte herein, den Kopf in eure Tracht versteckt, wie im dünnen Gewölk aufgehende Sonne; vor ihrem Glanz verschwand alles oder bekam Ansehen, Wesen, lenkte sich zu einem Ganzen.
Sie kam mit ihrer Mutter. Beide knieten erst vor dem Altare nieder, wo Messe gelesen werden sollte; und setzten sich hernach, sie mit abgeworfner Hülle vom Haupte. Im Knien blickte sie einigemal gen Himmel und seufzte; ich bemerkte alles. Sie wurde mich hernach im Sitzen gleich gewahr und maß mich mit einer Engelschönheit, ruhig dem Anschein nach, vom Wirbel bis zur Zehe, in tiefem Nachdenken. Was für Seele aus ihrem weitgewölbten schwarzen Auge blickte, ist nicht zu sagen; und um ihre Lippen regten sich bange Gefühle, die jedoch in Lächeln übergingen. Ach, daß ich nicht gleich mit ihr sprechen durfte!
Ich saß nicht weit von ihr rechter Hand, schräg auf der Seite, und verwandte, soviel ich unbemerkt sein konnte, kein Auge. Sie las hernach in ihrem Buche und nahm ein Zeichen heraus und deutete mir mit einem Winke darauf.
Die Messe war vorbei, und man ging auseinander; ich folgte ihr auf dem Fuße. Bei der Kirchtür hatt ich im Gedränge, mit der feinsten Wendung, die Karte unvermerkt in der Hand. Ich konnte nicht geschwind genug in einen Winkel kommen und lesen. ›Zwei Stunden nach Mitternacht an der Tür auf die Straße hinter dem Kanale.‹ Weiter stand nichts darauf, und es war genug.
Nur dies und sie empfand und dacht ich den ganzen Tag. Gegen Abend ging ich schon dort einigemal auf und ab und wußte alle Türen und Fenster und Gelegenheiten auswendig. Ich versah mich alsdenn auf allen Fall in meinem Quartiere mit Gewehr; meinen Gondelfahrer hatt ich ohnedies schon vorher immer bei der Hand.
Nach Mitternacht macht ich mich auf den Platz bei Maria Formosa. Wie wurde mir die Zeit so lang! Die Hoffnung hob mich vom Boden weg durch alle Himmel: die Natur hingegen wollte gar nicht fort; Orion, Adler, Schwan und Wagen schienen mich zum besten zu haben, ich hätte sie gern himmelab aus Ungeduld mit den Händen gerückt und sprang oft närrisch in die Höhe, sie zu erreichen.
Endlich schlug die letzte Viertelstunde, und ich eilte an den bestimmten Ort. Alles war still auf den Wegen, und ich lief über die Brücken weg und wartete in einer Ecke nahe bei der Tür, in meinen Mantel eingehüllt, lauter Ohr und Auge.
Ich war kaum da: so ging sie schon auf. Ich machte mich herbei und vernahm die leisen Worte: ›Herein!‹; ich schlüpfte durch und war im Dunkeln. ›Die Schuh aus!‹ flüsterte sie, ›mir die Treppe herauf nach!‹ Und sachte, sachte, Hand in entzückend zarter, warmer, festhaltender Hand tappten wir in ein Zimmer auf den Kanal; und wieder zugeschoben mit dem Riegel wurde die Pforte des Himmels. Cäcilia war in einem leichten Nachtgewande, den Kopf entblößt und das lange Haar nur in einen Knoten gebunden, das weich in den Seiten mir in die Finger fiel.
Ich hielt sie umschlungen und raubte den ersten Kuß, der wie ein süßer Blitz mein Wesen durchfuhr; und sie sagte seufzend: ›O was wag ich nicht, Euch näher kennenzulernen! Ich weiß, daß Ihr ein Florentiner seid und hier die Malerei treibt, aber daß dies Eure Bestimmung nicht ist, sondern Nebenbeschäftigung, und Euer Ziel im verborgnen höher steckt. Eine Freundin Eurer Tante und von mir, die Euch als eine andre zärtliche Mutter wohlwill und durch jene Euch Eure Wechsel auszahlt, hat es mir unter dem Siegel des Stillschweigens anvertraut. Eure edle schöne Gestalt und Jugend und, es muß nun von meinen Lippen! ein unwiderstehlicher Zug im Innern, den ich noch bei keinem Sterblichen fühlte, haben mich dazu verleitet.‹
›Verlaßt euch in Geheimnissen auf Weiber‹, dacht ich, ›wenigstens, die sie nicht selbst betreffen!‹ und geriet in ein Labyrinth.
›Ein andermal von unsern Umständen‹, erwidert ich. ›O daß ich dich endlich habe, du Stolz von Venedig und Zierde der Welt! Laß uns jetzt ganz allein sein und die vorübereilenden Augenblicke genießen in junger feuriger Liebe, o du Seele meiner Seele, Geist und Licht meines Lebens!‹ Hier hob ich sie mit Macht in meine Arme und trug sie unüberwindlich so auf einen Sofa, der in der Ecke am Fenster stand.
Kapitel 7
›Unglücklicher‹, sagte sie, ›was willst du beginnen?‹ und stieß mir mit allen Kräften das Gesicht von ihrer Brust. ›Dies ist kein falsches Sträuben! ein einziger Ruf von mir, den meine Brüder hören: und du bist des Todes und ich im Hause auf immer elend!‹ Dies war in einem so festen sichern Tone gesagt wie ein Schwertschlag die Schulter herein, daß ich nachlassen mußte; ich wurde wie voneinandergerissen, als das himmlische warmlebendige Geschöpf meinen Armen entwich.
›Nicht so heftig, holder Verwegner! so war es nicht gemeint!‹ fing sie nach einer kleinen Pause an und streichelte mir die Backen, die Sirene.
Ganz außer mir, ergriff ich sie wieder mit Gewalt von neuen. Hier aber geriet sie in bittern Zorn und riß mich mit den Haaren von sich: ›Glaube nicht‹, sagte sie, ›daß ich ein Kind bin, das nicht weiß, was es tut, und mit sich anfangen läßt, was ein wütender Mensch will!‹ Ich konnte nichts dagegen aufbringen, und Unmöglichkeit, Liebe und Bewunderung machten, daß ich meine Leidenschaften bändigte.
Wir setzten uns denn. Ich war auf dem stürmischen Meere, herumgewühlt von tausend Wogen. Sonderbare Szene! Sie schlang hernach ihren rechten Arm um meinen Nacken und ich meinen linken um ihre Lenden, und die zwei andern Hände schlossen sich in ihrem Schoße zusammen; vor uns stand auf einem Tischchen ein Nachtlicht. Ach, wie sie blühte! ein voller Rosenbusch im Mai am frischen Morgen im neuen Glanz des Himmels und den Chören der Nachtigallen herum. Ihre jungen festen Brüste kochten und wallten, und im Netz ihrer verwirrten blonden Haare zappelte meine arme Seele wie ein gefangener Vogel.
Ich flog ihr mit flehendem Gesicht am Busen und klagte schmachtend: ›Was hast du mit mir vor, Zauberin?‹
›Liebe! Sei ohne Sorge!‹ antwortete sie darauf; ›sonst würd ich nicht getan haben, was ich tat; süße Traulichkeit, wo ihrer zwei sich das Leben froh machen, die füreinander geschaffen sind.‹
Uns verging die Sprache, und wir saßen lang, eine schmerzlich entzückende Stille, in heißer Empfindung aneinandergegossen.
Mir rollten endlich unaufhaltbare Tränen übers Gesicht von dem wütenden Kampf im Innern.
›O ich sehe, daß du liebst‹, sagte sie und hob mir das Gesicht in die Höhe, das ich kniend wie ein Kind in ihrem Schoß verbarg, nachdem ich ihr wenig Worte von meinen Schicksalen erzählt hatte, nahm mich auf und küßte mir zärtlich, am ganzen Leibe zitternd, die Augen und das bloße Herz, wovon sie das Hemde wegriß. ›Nun geh fort‹, sagte sie; ›wir können jetzt nicht reden und nicht länger bleiben. Versprich, bescheidner zu sein, und komme heut über acht Tage wieder früh nach Santi Giovanni e Paolo; wenn ich dir ein Zeichen gebe: so sind wir dieselbe Stunde in der Nacht ebenso beisammen.‹
Mir war selbst zu wohl und zu weh im Herzen, und sie brachte mich unter brennenden Küssen und glühenden Umarmungen leise wieder von sich. Dies war die erste Zusammenkunft. Morgen, Benedikt, das übrige, wenn wir wieder dazu gestimmt sind!« sagte hier Ardinghello.
Wir machten uns alsdenn berauscht auf unsre Zimmer. »O Freundschaft und Liebe«, rief er, nach dem Wunsche, gut zu schlafen, »was ist ohne dich die Welt! Ein Haufen Unsinn für alle Philosophen.«
Was Ardinghello gesagt hatte und die Vorbereitung dazu, machte mich äußerst unruhig; mein Gesichtskreis war zwar erweitert: verlor sich aber in undurchdringlichen Nebel, und mich schreckte die