Название | Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang |
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Автор произведения | Johann Gottfried Herder |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066398903 |
Gras und Kraut und Gesträuch mit Lorbeerstauden grünt und blüht überall, wie auf einem Anger von fruchtbarem Boden, und das Oval der Arena ist eine vollkommne Wiese.
Eine solche Gestalt hat jetzt das ehemalige Wunder der Welt, das achtzigtausend Zuschauer faßte, welche alle binnen wenig Minuten wieder auf der Straße sein konnten, und erschüttert noch den kühnsten der heutigen Erobrer. Herum trauern der Esquilino und Palatino und Celio mit ihren zerfallnen Tempeln, Bädern, Wasserleitungen und niedern Gewölben.
Der Plan zum Ganzen ist äußerst einfach. Die Rundung eiförmig; und der größere Durchmesser teilt sich in vier kleine, von denen zwei die Arena einnimmt und einen auf jeder Seite der Gang vom Gebäude selbst, die zusammen etwas über achthundert Palme ausmachen; die Peripherie hat deren drittehalbtausend.
Die Höhe besteht aus vier Absätzen. Die drei untern sind mit Säulen nach dorischer, ionischer und korinthischer Ordnung in Bogen übereinander, der vierte ist mit kleinen korinthischen Pilastern geziert und schließt ohne Bogen mit einem prächtigen dreigestreiften Gebälke. Die ganze Höhe macht zweihundertundzweiunddreißig Palme.
Es muß viel Holz darinnen gewesen sein, weil es verschiednemal abbrannte, und zuweilen bloß einfach und zuweilen reich verziert und vergoldet war. Die innre Aussicht ging in eine Ordnung von einzelen Säulen aus, die das Zelt festhielten, nach den Münzen des Titus und Domitian.
Die Schönheit der Säulen besteht mehr im Verhältnis der Teile als der Arbeit; ihre Form ist rauh und einfach, wie es die ungeheure Größe und Festigkeit erheischt.
Das Amphitheater von Verona ist kleinlich und provinzial dagegen.
Mir winkte obenauf durch Ruinen und Gesträuch, ewig jung und unversehrbar, die Pyramide des Cestius von fern in blauer Luft, und ich konnte nicht erwarten, dahin zu gelangen; strich an dem halb eingefallnen Septizonium des Severus vorbei durch die Niederlagen des Circus Maximus zwischen den Aventinischen und Palatinischen Bergen nach dem Tiberstrom zu und daran fort, bis ich der reinen schroffen Felsenspitze immer näher kam. Ach, wie alle die Herrlichkeit so verwüstet liegt! Und doch sind die Überbleibsel der Verwüstung nur klein gegen das, was stand: vom Circus Flaminius, Agonalis, Florealis, Vaticanus, von denen des Sallust und Nero ist keine Spur mehr zu finden. Und was waren die Gebäude selbst in ihrer Vollkommenheit gegen das ungeheure Leben darin! Die Phantasie des Menschen mit ihrer Götterkraft scheut sich zurück, wenn sie sich eine Vorstellung machen soll, wie nach dem Siege des Metellus in Sizilien über Karthago hundertundzweiundvierzig Elefanten auf einmal kämpften und erlegt wurden, und von hundert Löwen unter dem Sylla es bis auf sechshundert unter dem Pompejus kam. Unter den Kaisern vollends folgte hierin eine Ausschweifung auf die andre. Trajan gab nach dem Dacischen Kriege und dem Tode des Decebalus hundertunddreiundzwanzig Tage lang dergleichen Schauspiele, wo zuweilen bis auf zehntausend zahme und wilde Tiere und unzählbare Gladiatoren kämpften; und Kommodus brachte nach dem Lampridius hundert Elefanten mit eigner Hand um.
Es ist klar genug, daß ein solches Volk, welches noch überdies wirkliche Könige und Helden am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten Tropfen Existenz in seinen öffentlichen Gefängnissen bis auf den äußersten Hunger ausdauern sah, der kleinern atheniensischen Tragödie nicht bedurfte, um das Herz nach dem Aristoteles von Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was sind wir, denen die Vorstellungen des Sophokles und Euripides zu grausam vorkommen?
Es ist wohl wahr, der Mensch bezieht alles auf sich selbst, und also auch die Werke der Kunst; sein Gefühl ist wie sein Charakter. Ein Miltiades, Themistokles, ein Sylla und Cäsar können bei Gegenständen Vergnügen empfinden, die bei einem Schwachen Abscheu erregen und ihn martern, weil er nicht die große starke Selbständigkeit hat, die Leiden andrer außer sich zu fühlen, ihre Natur und Eigenschaften wie jene mit ihren Kräften zu ergründen und zu erkennen, die Sphäre seines Geistes dabei zu erweitern und zugleich über alles dies emporzuragen, ohne sich als Teil damit zu vermischen und selbst zu leiden. Griechen und Römer vergnügte vieles, wovor wir fromme moralische Seelen Abscheu haben. Der letztern Fechter waren meist zum Tode verdammte Sklaven; und die Tragödien der erstern zeigten ihnen, wie Menschen untergehen, die nicht vollkommen genug sind, und wie Held und Heldin bei Ausübung hoher Tugenden leiden soll oder sich weise mit ganzem Bewußtsein unter das Gesetz der Notwendigkeit, den ungefähren Zusammenstoß der Begebenheiten, beugt. Dies ergreift männliche Seelen, und ein solch ausgewählt Leben, von trivialen Lumpereien fern, dringt in nichtsdestoweniger rein und scharf fühlende Herzen; es ging nach dem großen paradoxen, unsrer empfindelnden Welt unbegreiflichen Grundsatze der Stoiker: der Weise erbarmt sich, hat aber kein Mitleiden.
Die Pyramide ist ein gar herrlich Werk, hundert und etliche Fuß hoch. Sie steht ewig jung da, obgleich das Grüne von Gesträuchen sich hineingenistet hat, wie ein gediegner Feuerwurf aus der Erde, so scharfflammend; grade gegen die vier Weltteile mitten zwischen den Ringmauern, die Seite nach der Stadt gegen Norden. Üppig fest trotzt sie der Luft, dem Himmel und seinen Wolken. Eine dauerhaftere Form gibt's nicht: alles, was von oben herunterfällt und in der Erde anzieht, macht sie stärker, die mächtigste Feindin der Zerstörung. Aber was hilft's? Der Geist und das Leben ist doch weg aus dem Menschen, der darunter begraben liegt; sein Name bleibt indessen immer etwas. Wie das zarte Schwarz dem innen blendendweißen Marmor so lieblich läßt! Sie steigt hervor so natürlich wie ein Gewächs, und die ägyptische Nachahmung schlägt alle römische Grabmäler, selbst die der Metella, des August und Hadrian, darnieder.
Da ich so nahe mich befand, wandelte ich noch zum Tore hinaus über die alte Via Ostia nach der Sankt-Pauls-Kirche, die Konstantin der Große angelegt haben soll. Welch ein Eindruck von verschiednen Empfindungen! Schönheit und Pracht in ihrer größten Herrlichkeit entzückt Augen und Phantasie: und die Armseligkeiten darum her setzen einem das Messer an die Kehle wie Diebsgesindel. Man hat hier Roms ungeheure Macht und Ruin beisammen.
Sie ist von innen wie ins Kreuz gebaut, doch merkt man's kaum, und sie bleibt ein Oblongum; nachher erst hat man die Verehrung vom Kreuz ins Alberne getrieben. Die vierzig gestreiften haushohen korinthischen Säulen und die vierzig kleinen glatten unter dem Schiffe machen, mit den über doppelt breiten mittlern, fünf Gänge, die ihresgleichen in der Welt nicht haben. Unter den gestreiften sind zwei Dutzend von parischem Marmor in höchster Schönheit. Das Scheurendach und Obergebäude darüber mit den acht Fenstern macht damit einen wunderbaren Kontrast, der aber doch einfach ist und gewissermaßen dem Untern entspricht, und dies gibt dem Ganzen eine furchtbare Größe; die entzückendste griechische Schönheit muß, vom Schicksal unwiderstehlich genötigt, den wilden Barbaren dienen.
Der Boden ist aus Marmortrümmern, worin hier und da noch Fetzen von Inschriften sich befinden. Im Kreuzgange, wenn ich ihn so nennen darf, sind sechs große und zwei kleine Altäre mit dreißig Porphyrsäulen, alle, zwei oder drei etwa ausgenommen, aus einem Stück, wie die achtzig weißen Marmorsäulen; und noch tragen da die Decke sechs ungeheure von ägyptischem Granit und vier ebenso große von Marmor. Der herrliche freie Raum tut einem ungemein wohl zwischen den Säulen, samt der uneingeschränkten Höhe.
Diese Kirche bleibt die höchste Pracht der Welt, und nichts übertrifft sie. Man mag von den gefangnen rührenden Schönheiten nicht weggehn, wie von lauter Iphigenien in Tauris, und die ganze Seele stimmt sich daran rund und geschmeidig.
Man sagt, die Säulen wären vom Grabmale Hadrians, der jetzigen Engelsburg, genommen, und es ist sehr wahrscheinlich. Die Asche des Kaisers muß dort wie in Blumen gelegen haben; unglückliche Manen! Übrigens ist es den Römern wieder ergangen, wie sie es den Griechen machten; und derjenige, welcher diese Kirche baute, hat vielleicht, wie Mummius bei Fortschaffung der geplünderten Statuen von Korinth den Schiffern, ebenso den Baumeistern gedroht, sie sollten andre Säulen machen lassen, wenn sie etwas daran verdärben oder zerbrächen.
Mich überfiel der Mittagsbrand, wie ich wieder in der freien Sonne war, als ob ich aus einem kühlen Bade käme; und ich verdoppelte meine Schritte nach dem Tore, wo die zwei wilden Türme aus den mittlern Kriegszeiten und die mit Efeu dicht behangne alte Stadtmauer neben der Pyramide mit ihrem Schatten mich erfreulich an sich zogen. Mir schien der Weg zu weit bis