Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Название Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang
Автор произведения Johann Gottfried Herder
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066398903



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zuträglicher, von ohngefähr mit den Tyrannen der Welt Bekanntschaft zu machen, als durch lange Vorbereitungen, wo die Zeremonien alle Natur ersticken.

      Ich will Dich nicht lange mit der Erzählung aufhalten. Wir schossen mit Pistolen zu Fuß und zu Pferde, und ich traf allemal bei weitem das Ziel, vierzig Schritt entfernt, am besten. Es war ausgemacht, daß im andern Falle die zwei ersten Schützen noch einmal um den Preis kämpfen sollten; dies unterblieb also, und die adriatische Zauberin überreichte mir den Zügel des stolzen jungen Rosses mit diesen Worten: »Seid auch so trefflich im Streite, wo es das Leben gilt, fürs Wohl des Vaterlandes.« Ich sah sie an mit einem kühnen Blick und wieder schamhaft, und berührte ihre schöne Hand wie in der Zerstreuung zärtlich mit den letzten Fingern der meinigen, und antwortete: »O wäre schon die Gelegenheit da, Euch, o Wunderfrau, und demselben meinen Eifer zu zeigen!«

      Darauf wurde aus freier Hand mit Büchsen nach der Scheibe geschossen, zweihundert Schritt weit, und Mazzuolo kam dem Mittelpunkte vor mir näher; ich hatte hier mein eigen Gewehr nicht. Der Preis bestand in einem andern neapolitanischen Hengst und einem schönen Jagdhunde.

      Den andern Tag waren die Fechterspiele. Erst fochten acht Paar nach dem Lose, einzeln jedes Paar. Die den Stoß beibrachten, machten dann wieder vier Paar; diese vier alsdenn zwei, bis endlich eins und einer allein der Sieger blieb.

      Die Herrchen fochten mit vieler Zierlichkeit und sagten ihre Lektionen her; ich aber gewann ihnen mit einem gegenwärtigen Auge und fast lauter geraden Stößen, womit ich in ihre Gaukeleien hineinfuhr, den Preis ab; dem letzten und geschicktesten schlug ich zweimal mit starken unhöflichen Paraden das Rapier aus der Hand und setzte ihm alsdenn noch obendrein nach einer Sekundenfinte eine Quart über den Arm, gerad auf den rechten Piez, so daß der schwarze Fleck eine vollkommne sichtbare Finsternis auf seiner weißen Weste machte.

      Für dieses Probstück gab mir Isabella, die Geliebte meines Vaters, einen goldnen mit Steinen besetzten Degen; und mir schwellte die Hand von Grimm, wie ich ihn am Griffe faßte: »Tapfrer«, sprach sie leise zu mir mit blitzenden Augen und Honiglippen, »ziehe stolz damit wieder in Florenz ein, und trag ihn mir zum Angedenken.«

      Den dritten Morgen, nachdem Bianca sich gebadet hatte, war Wettlauf in sandiger Bahn, und abends Ringen, wovon Mazzuolo und ich ausschieden, um weder aus Höflichkeit uns überwinden zu lassen, noch den andern vielleicht auch diese Preise wegzunehmen und so die allgemeine Freude zu stören. Und damit es uns kein stolzes Ansehen gab, schieden noch mehrere davon aus. Zu Elis hätten wir dieses nicht nötig gehabt; aber man merkte noch außerdem, daß wir uns nicht in Griechenland befanden: der Olivenkranz wäre mir lieber gewesen als Roß und Degen; sie blieben immer eine kindische, tyrannische und sklavische Belohnung.

      Mir überlief die Galle, wie ich abends zu Pisa einritt und sehen mußte, daß man mehr das Pferd und den Degen als mich betrachtete; und wahrlich nicht etwa deswegen, weil ich auf meine Person eitel wäre, sondern daß die Nation seit weniger als hundert Jahren so den großen Sinn verlor, wodurch sie sich in den Zeiten der Freiheit auszeichnete.

      Mit einem Wort: eine Weiberanstalt. Bianca wollte dem Herzog eine Kurzweil machen und zugleich den jungen Adel von Florenz sich verbinden; an einen andern Zweck wurde wenig dabei gedacht; denn wenn man im Ernste daran gedacht hätte, so wär alles unterblieben.

      So sieht man oft bei einer Ausführung ohne Gedanken, daß Fürstin und Fürst etwas Gutes in einem Buche mag gelesen haben.

      Ardinghello

      Kapitel 19

       Inhaltsverzeichnis

      Pisa, Junius.

      Ich werde die Güter meines Vaters wiedererhalten, Bianca hat es mir versprochen, mit welcher ich oft im Gespräch bin; und dies ist mir sichrer, als ob es mir der Herzog selbst versprochen hätte. Sie ist wirklich ein reizendes Weib, voll Schlauheit und Verstellung, weiß das Leben zu genießen und führt bei ihrem Honig einen scharfen Stachel. Sie macht Venedig, der hohen Schule der Weiber, gewißlich vor einer großen Anzahl Ehre; und es ergötzt sie, daß ich dies so gut kenne. Das gefällige Wesen, das sie dabei hat, wie alle vorzügliche Personen ihres Geschlechts, wärmt und erheitert mich sehr angenehm. Sie weiß sich wie die meisten ein wenig viel mit ihrem Spiegel; und dies muß man benutzen.

      Auch der Herzog will mir wohl, vermutlich durch sie. Ich habe schon verschiednemal mit ihm Schach spielen müssen, worin er sich einbildet, ein großer Meister zu sein. Ich verlor mit Fleiß das erste Spiel und gab ihm Gelegenheit zu feinen Zügen, die meine Stellung sehr spannten; doch macht ich ihm seinen Sieg noch sauer, welcher ihn dann höchlich freute. Das zweite Spiel dreht ich so lange, bis keiner mehr gewinnen konnte; und überließ ihm wieder das dritte. Beim vierten und fünften aber macht ich den Herrn schachmatt in einer Reihe von Kettenzügen, rühmte seine Geschicklichkeit und entschuldigte ihn mit kleinen Versehen. Bis an den zehnten und zwölften Zug und in die Mitte spielt er in der Tat vortrefflich, hat pünktliche Erfahrung, und man muß bei jeder Art von Spiel wohl auf seiner Hut sein; aber bei den Ausgängen, was eigentlich nur Freude macht und tief verwickelte Mannigfaltigkeit hat, hapert's.

      Soweit ging es nun alles gut; aber Isabella ist in mich verliebt! Mir sagen es ihre wollüstigen Augen und das Herneigen ihrer Seele, wenn ich in ihre Gesellschaft komme. Sie hält wie ein Lämmchen und scheint zwischen Blutsfreundschaft und andrer Liebe, gegen die Gesetze des Judenlykurgs, keinen Unterschied zu machen; oder die erstre dünkt ihr vielleicht ohne diese ein leerer Name, wobei niemand vom Ursprung an einen sinnlichen Begriff habe. Und ihr Vater und ihre drei Brüder lebten so mit ihr nach der allgemeinen Rede. Stammen sie etwa wie Alexander der Sechste und dessen Söhne und Lukrezia von einer besondern Menschenart? Es mag Fehler der Erziehung sein oder von dem Mord herrühren: mir kömmt es abscheulich vor, und ich werde zuverlässig mit ihr keinen Bastarden vom Magus zeugen.

      Ich finde hier eine gute Schule, den Menschen zu studieren, wo er in verschiednen Punkten seine Vorurteile abgelegt hat und bloß nach seiner innern Natur lebt; schier wie unter den Imperatoren Claudius und Nero. So viel ist wenigstens richtig: man trifft unter ein Dutzend Personen von beiderlei Geschlecht beisammen, wie in wohlgeordneten Staaten, kaum drei oder vier an, die jederseits Pein litten, wenn sie sich einander helfen könnten. Sorgten nur die Gesetze für die Folgen, wie in Sparta!

      Mit klopfender Sehnsucht hoff ich auf Nachricht von Euren Gewässern.

      Prospero Frescobaldi

      Ardinghello schien mir schon von dem Wirbel des Hofs ergriffen, und mir war bange vor den Gefahren, die ihn umgaben. Ich glaubte, daß, was ihm so schnell und heftig aufeinander begegnete, sein junges Gemüt in etwas aus seiner Grundverfassung gesetzt habe; und rief ihm zu als warmer Freund von fern unter manchem andern:

      »Kein hoher Geist, der frei sein kann, verpflichtet sich an den Hof eines Despoten; er erwählt lieber Wasser und Brot. Bei einem schlechten Fürsten kann keiner ausdauern, ohne schlechte Streiche zu begehn: es ist platterdings nichts anders zu tun für einen Edeln, der sich retten will, als zu fliehen. So hätte Seneca unter dem schicklichsten Vorwand erst Agrippinen und dann den Nero verlassen, wenn er ein Stoiker, wie sich gebührt, hätte bleiben wollen. Allein es gefiel dem Herren zu herrschen: er blieb bei den Tigern und duckte sich unter ihre Klauen.«

      Ich erinnerte ihn an seine ehemaligen republikanischen Gesinnungen, warnte ihn vor den Ausschweifungen in der Liebe; und beschloß mit der Nachricht, die ihm so freudenvoll sein mußte, daß Cäcilia schon vorigen Monat auf dem Landgut ihres Vaters am Lago di Garda von einem gesunden und starken Knäblein ohne lange Mutterwehen glücklich entbunden worden sei; und ich mich nun wieder in der Nachbarschaft befinde, wo unsre Freundschaft so frisch und mächtig aufgrünte und in unsern Herzen unzerstörliche Wurzeln schlug. Er könne nun alles einlenken, sein Leben in Zukunft sich äußerst angenehm zu machen.

       Florenz, Julius.

      Deine zärtliche Sorge für mein Heil rührt mich bis ins Innerste, und die Nachrichten von Cäcilien freuen mich herzlich: allein die Zeiten meiner Ruhe, des glückseligen Maulwurflebens sind noch nicht gekommen.

      Ich