Unter der Sonne geboren - 2. Teil. Walter Brendel

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Название Unter der Sonne geboren - 2. Teil
Автор произведения Walter Brendel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966511872



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des Hofes eingebüßt. Er war zu einem Gegenstand des Klatsches geworden, über den sich jeder zu äußern wagte. Man sah in ihm nicht, wie er erwartet hatte, den romantischen Liebhaber, den die Welt nie vergessen würde, sondern nur einen unreifen Jüngling, der auf eine ehrgeizige Ausländerin hereingefallen war.

      Erst als Marie die Bühne verlassen hatte, wurde Ludwig wieder zum König. Bald war er es sogar mehr als je zuvor. Auch sein eigenes Verhalten trug dazu bei. Er war kühl geworden, oft sogar abweisend. Manchmal bestellte er Madame de Beauvais zu sich, Olympia oder eine andere verfügbare Dame des Hofes. Doch von nun an benahm er sich als Herr, dessen Wünschen nicht widersprochen werden durfte. Catherine de Beauvais war die Einzige, die sich von seinem Auftreten nicht einschüchtern ließ und ihm weiter mit einer Art mütterlicher Zärtlichkeit begegnete.

      Sogar der Große Conde, der über sich immer nur den Himmel geduldet hatte, bekam die Härte des neuen Ludwig zu spüren. Als er zum ersten Mal wieder am Hof erschien, verspätete er sich. Ludwig bestrafte ihn dafür, indem er ihn einfach übersah. Es dauerte lange, bis er Conde dann plötzlich mit der direkten Frage überfiel, ob er beabsichtige, an der spanischen Hochzeit teilzunehmen. Dem Tonfall nach konnte man darauf schließen, dass Monsieur le Prince bei der Hochzeit nicht erwünscht war.

      Alle staunten, dass er sofort verstand und einlenkte. Er habe vor, sein Schloss in Chantilly auszustatten, antwortete er. Diese Aufgabe würde ihn in nächster Zeit voll beanspruchen. Conde wusste nur zu gut, dass er in Ludwigs Augen ein Verräter war.

      Hätte Richelieu noch gelebt, hätte er Conde wohl um einen Kopf kürzer gemacht, obwohl dieser doch mit einer Nichte des Kardinals verheiratet war. Conde begriff jedenfalls, dass es an der Zeit war, Demut zu üben. Vor allem diesem jungen König gegenüber, so höflich und kalt und so glatt wie harter Marmor.

      Ludwig spürte, dass er anders behandelt wurde als früher. Es gefiel ihm. Als Kind hatte er oft versucht, sich so charmant zu geben wie sein Bruder Philippe. Man hatte zwar gelacht, wenn er ein Späßchen versuchte, doch eigentlich hatte er hauptsächlich Befremden geerntet. So gab er seine Bemühungen schließlich auf.

      Jetzt, nach der verlorenen Liebe, betrachtete er die meisten Menschen seiner Umgebung als mögliche Feinde. In seiner schweren Zeit hatte niemand zu ihm gehalten. Somit war auch niemandem verpflichtet. Er war frei und er war der König. Er ersuchte nicht mehr, sondern er befahl. Je kühler seine Stimme dabei klang, umso beflissener gehorchte man ihm. Die Aufrührer von einst wurden handzahm. Die Fronde verschwand und war nur noch eine unangenehme Erinnerung an eine chaotische Zeit.

      Auch der Tod trug dazu bei, dass die alten Verschwörer immer weniger wurden. Im Februar 1660 war Gaston von Orleans gestorben, der so gern König geworden wäre und doch immer Angst vor dem eigenen Mut gehabt hatte. Sogar noch auf dem Totenbett entschuldigte er sich bei seiner Tochter, dass er nicht streitbarer gewesen war. „Damals, am Tor von Saint-Antoine ...“, murmelte er. Doch nicht einmal seine Abschiedsworte brachte er zu Ende. Damit verärgerte er ein letztes Mal die Grande Mademoiselle. Sofort nach seinem Ableben verließ sie das Sterbezimmer.

      Schon vor der Beerdigung stellte sich heraus, dass der Onkel des Königs sein Vermögen so gut wie aufgebraucht hatte. Er hatte wohl doch mehr Geld in die Fronde gesteckt, als man angenommen hatte. Ein großer Teil seines Silberzeugs musste schließlich verpfändet werden, damit die Bestattung standesgemäß über die Bühne gehen konnte.

      Die Grande Mademoiselle, immer noch eine der reichsten Personen Frankreichs, weigerte sich, für die Kosten aufzukommen. Stattdessen kaufte sie sich ein märchenhaftes Collier aus zwanzig Reihen Perlen, weil Perlen so gut zur Trauerkleidung passten und außerdem in Mode waren, seit Ludwig sie seiner Liebsten zum Geschenk gemacht hatte. Die bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten würden eine gute Gelegenheit sein, mit der neuen Erwerbung zu prunken.

      Das Volk hingegen beweinte Gaston, der ihm so viel Leid gebracht hatte. Bis zuletzt war er für viele ein Relikt der alten Zeit gewesen, ein Gegen-Mazarin, so Französisch, wie ein Franzose nur sein konnte.

      Herzog von Orleans: Der zweitgeborene Bruder des jeweiligen Königs trug diesen Titel, zusammen mit der ehrenvoll einfachen Anrede „Monsieur“. Gastons Titel ging nun auf Ludwigs jüngeren Bruder über: Philippe. Er war jetzt der Herzog von Orleans, und wenn man von ihm sprach, sprach man von „Monsieur“.

      Dem Rang nach stand „Monsieur“ nach dem König an zweiter Stelle. Sollte er sich verheiraten, wäre seine Gemahlin „Madame“ und nach der Königin die ranghöchste Dame.

      So wenig wie die Grande Mademoiselle trauerte auch Ludwig um Gaston. Er bedauerte nicht, dass sein Onkel nicht mehr da war. Seine Gegenwart hatte Ludwig immer daran erinnert, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der eine andere Generation regierte. Ludwig dachte an die Sagen der Antike, Lektüre seiner Kindheit.

      Auch die Götter von einst hatten ihre Vorgänger vom Thron gestürzt, so wie er nun bereit war, den eigenen Vater dem Vergessen preiszugeben und sich nach und nach dem Diktat der Älteren zu entziehen. Ludwig XIV., König von Frankreich: Man vergab ihm seine Kälte ein wenig, als man merkte, dass er sich auf „eine Hochzeit freute.

      Anfang Mai brach der Hof in Richtung Süden auf, um an der französisch-spanischen Grenze mit König Philipp IV. zusammen zutreffen und mit seinem kostbarsten Gut, der Infantin Maria Theresia. Ganz Frankreich war beglückt über dieses erfreuliche Ende eines langen Krieges. Doch auch das spanische Volk war erleichtert und überhäufte die Infantin mit Segenswünschen. Während der ganzen Reise von Madrid her gab es herzbewegende Abschiedsszenen, wusste man doch, dass die junge Braut ihr Land für immer verließ. Wenn alles seinen er erwünschten Verlauf nahm, würde Maria Theresia als Königin von Frankreich ihre neue Heimat nie mehr verlassen dürfen. Käme sie dennoch zurück, würde dies bedeuten, dass ihre Ehe aus Irgendeinem tragischen Grund annulliert worden war - eine ungeheure Schande und eine Katastrophe für alle Beteiligten. Doch davon konnte an diesen bittersüßen Frühlingsta-gen keine Rede sein. Zwei Länder waren bereit, aufeinander zuzugehen, und sandten als Zeichen dafür zwei junge Menschen, die mit ihrem eigenen Bund den Friedensschluss verkörpern sollten.

      Vor dem gemeinsamen Eheleben standen jedoch Tradition und Protokoll. Eine Infantin von Spanien durfte ihr Land nicht verlassen. Ein König von Frankreich das seine ebenso wenig. So musste zuallererst aus der Infantin eine Französin werden, und dies auf spanischem Boden. Eine Heirat durch Prokuration löste dieses rechtliche Problem. Sie sollte in Fuenterabbia stattfinden, wo Don Luis de Haro den Bräutigam vertreten würde.

      Beide Hochzeitsgesellschaften waren inzwischen an der Grenze angelangt. Die Spanier nahmen Quartier in San Sebastian, die Franzosen in Saint-Jean-de-Luz. Ludwig, in Unkenntnis des spanischen Protokolls, versuchte, mit seiner Braut Kontakt aufzunehmen, indem er ihr einen Boten mit einem Brief schickte. Nach großem Hin und Her gelang es dem Boten, zu Maria Theresia vorgelassen zu werden. Man führte ihn in einen Saal voller Menschen. Längst schon hatte er gemerkt, wie unpassend sein Auftrag war.

      Trotzdem gelang es ihm, bis zur Infantin vorzudringen. Ehrerbietig verbeugte er sich und wollte ihr das Schreiben überreichen. Sie aber blickte ihn nur entsetzt an. Es war ihm unbegreiflich, in welchem Maße sie sein Ansinnen erschreckte.

      „Ich darf ohne Erlaubnis meines Vaters keine Briefe erhalten!“, erklärte sie mit zitternder Stimme. „Doch übermitteln Sie bitte der Königin meine Grüße!“ Der Bote ließ enttäuscht die Hand mit dem verschmähten Brief sinken. Noch einmal verbeugte er sich tief. Da flüsterte ihm Maria Theresia atemlos zu: „Was ich der Königin sage, kann auch für den König gelten.“

      Der Bote atmete auf. Beschwingt begab er sich zurück nach Saint-Jean-de-Luz. Auch Ludwig freute sich über die Nachricht. Anna aber jubelte. „Sie liebt Sie, mein Sohn! Es besteht kein Zweifel: Sie liebt Sie!“

      Am nächsten Tag, dem 3. Juni 1660, fand die Heirat durch Prokuration in einer einfachen Kirche in Fuenterabbia statt. Der große Velazquez hatte als Hofmaler des Königs das schmucklose Gebäude mit Wandteppichen, Blumen und zahllosen Kerzen veredelt. Die gesamte spanische Hofgesellschaft war anwesend sowie auch ein großer Teil der Franzosen. Ludwig und Anna als königliche Majestäten waren hinter der Grenze im eigenen Land geblieben.

      Schon