Название | Tax Compliance |
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Автор произведения | Markus Brinkmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447011 |
Externe Dritte
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Unter Umständen bietet sich an, einzelne steuerliche Aufgaben an Dritte außerhalb des Unternehmens zu delegieren. Ein solches Outsourcing dient unzweifelhaft dazu, fachliche Expertise und/oder Arbeitskapazität „einzukaufen“. In Betracht kommen Delegationen steuerlich relevanter Aufgaben insbesondere an Steuerberatungskanzleien und Zollagenturen, aber auch externe Buchhalter, Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Gründe für eine solche Delegation an Außenstehende und nicht an – ggf. hierfür einzustellende – Mitarbeiter sind (a) die höhere Flexibilität, vor allem um vorübergehende Belastungsspitzen zu bewältigen, (b) die Nutzung einer unternehmensübergreifenden Kenntnis der aktuellen Steuerrechtspraxis und (c) in Einzelfällen die besondere fachliche Qualität des Außenstehenden als solche. Oftmals wird mit dem Outsourcing auch ein Signal erhöhter Neutralität im Hinblick auf die erhaltene Beratungsleistung verbunden.
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 3. Kapitel Verantwortliche für Tax Compliance › IV. Die prozessuale Compliance-Pflicht
1. Allgemeines
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Während die materielle Compliance-Pflicht das Verhalten des Verpflichteten grundsätzlich isoliert betrachtet, öffnet die Compliance-Pflicht im prozessualen Sinne den Blick und nimmt die Wechselwirkung dieses Verhaltens zu dem anderer Personen in den Fokus. Die prozessuale Compliance-Pflicht stellt den Pflichtenkanon des Einzelnen in den Gesamtkontext der jeweiligen Organisation und trägt der Arbeitsteilung moderner Organisationen Rechnung.
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In diesem Sinne erstreckt sie die Pflichten des Einzelnen auf Aspekte einer tragfähigen Aufbau- und Ablauforganisation und nimmt die Aufgaben und Befugnisse anderer Individuen im Unternehmen in den Blick. Innerhalb einer Organisation gibt insofern neben den unmittelbaren steuerlichen Verpflichtungen der in den Steuergesetzen genannten Personen eine organisationsrechtliche Verantwortung der Führungskräfte. Diese Verantwortung umfasst die Implementierung einer Aufbau- und Ablauforganisation, die dazu dient und hierzu auch grundsätzlich geeignet ist, dass die im Rahmen der Organisation anfallenden steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden. Je nach Aufgabenzuschnitt der der Führungskraft zugewiesenen Mitarbeiter ist das Ziel, dass die Mitarbeiter die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch bestimmte Tätigkeiten aktiv befördern, jedenfalls aber nicht behindern.
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Relevant wird diese Erweiterung des Pflichtenkanons für die betroffene Führungskraft insbesondere bei der Frage der strafrechtlichen, bußgeldrechtlichen und steuerrechtlichen Haftung, konkret bei der Bestimmung von Vorsatz und diversen Formen der Fahrlässigkeit. Im Einzelnen betrifft dies z.B. den Vorsatz als Voraussetzung einer strafbaren Steuerhinterziehung (§ 370 AO i.V.m. §§ 369 Abs. 2 AO, 15 StGB) bzw. Beihilfe hierzu, die Leichtfertigkeit als Voraussetzung einer ordnungswidrigen Steuerverkürzung (§ 378 AO), die grobe Fahrlässigkeit als Mindestvoraussetzung einer steuerrechtlichen Haftung nach § 69 AO und die Frage nach einem ordnungswidrigen Organisationsverschulden (§ 130 OWiG). Dogmatisch gesehen ist die prozessuale Compliance-Pflicht keine Pflicht im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr die Summe der organisatorischen Maßnahmen, die erforderlich sind, um zu verhindern, dass ein Fehlverhalten anderer Personen, die für die Organisation tätig sind, rechtlich auf den Betroffenen durchschlägt, sei es in Gestalt eines Rückfalls einer durch ihn delegierten Pflicht auf ihn selbst oder sei es in Gestalt eines Organisationsverschuldens. In diesem Sinne betreibt der Betroffene mit der Erfüllung der Compliance-Pflicht im prozessualen Sinne organisatorische Zurechnungsprävention.
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Die durch den Betroffenen zu ergreifenden organisatorischen Maßnahmen können sich auf die steuerlichen Pflichten beziehen, die ihm selbst obliegen (z.B. die ausreichende Beschaffung von Informationen als Grundlage für durch den Betroffenen abgegebene Steuererklärung) oder die einer anderen Person im Hinblick auf die Organisation übertragen sind (z.B. die ausreichende Kontrolle dieser Person durch den Betroffenen).
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Demgemäß ist Compliance im Unternehmen „Chefsache“ und bleibt dies auch, unbeschadet aller möglichen Delegationen an andere Personen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens.
2. Die Pflichten des Delegierenden
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Allgemein gilt im bilateralen Verhältnis desjenigen, der eine Pflicht oder einen Bestandteil einer Pflicht delegiert, zum Adressaten dieser Delegation: Der Delegierende muss sich auch bei Einhaltung der zuvor genannten Kriterien für eine erfolgreiche Delegation weiter kümmern und in diesem Sinne die Aufgabenerfüllung durch den Delegationsempfänger angemessen überwachen.
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Hierzu hat der Delegierende eine geeignete Berichterstattung an sich selbst einzurichten. Das Ziel der Berichterstattung muss sein, die wesentlichen Informationen regelmäßig und im Falle der Dringlichkeit sofort zu erhalten. Hierzu zählen aus Compliance-Sicht insbesondere Erkenntnisse, die auf eine systemische Anfälligkeit der Organisation für bestimmtes Fehlverhalten hinweisen und die dem Delegierenden ermöglichen würden, die ihm möglichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zugleich dient die Berichterstattung dem Delegierenden dazu, die Erfüllung der übertragenden Pflicht im Wege der Plausibilitätsprüfung allgemein nachzuhalten. Die Berichterstattung hat so intensiv und in so enger Taktung zu erfolgen, dass der Delegierende unter den ihm erkennbaren Umständen damit rechnen kann, die für seine eigene Tätigkeit wie auch die für die Beurteilung der Pflichterfüllung des Delegationsempfängers wesentlichen Informationen rechtzeitig zu erhalten.
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Im Falle einer Weiterdelegation der Aufgaben oder Teilen hiervon durch den Delegationsempfänger hat der Erstdelegierende darauf hinzuwirken, dass er über die wesentlichen Entwicklungen aus den Tätigkeiten der entsprechend nachgeschalteten Delegationsempfänger erfährt („Führung einer Führungskraft“). In der Summe entsteht auf diese Weise ein kaskadierendes System von Berichterstattungen, das sich über die gesamte Aufbauorganisation erstreckt.
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Geben die Auskünfte oder das Verhalten des Delegationsempfängers hierzu Anlass, hat der Delegierende nachzufassen, d.h. die Berichte und die Tätigkeit des Delegationsadressaten beispielsweise durch intensiveres Nachfragen oder im Wege stichprobenhafter Kontrollen weiter zu plausibilisieren. Das gleiche gilt, wenn im betreffenden Bereich in der näheren Vergangenheit bereits Unregelmäßigkeiten zutage getreten sind, z.B. im Rahmen von Außenprüfungen.[25] Auch eine angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens kann – soweit dem Delegierenden bekannt – Grund sein für eine intensivere Plausibilisierung gegenüber dem Delegationsempfänger.[26] Soweit der Delegierende die für die Plausibilisierung erforderliche fachliche Expertise nicht hat, muss er sie sich anderweitig verschaffen, z.B. durch Hinzuziehung externer Spezialisten. Welche Maßnahmen der Überwachung und Plausibilisierung in welcher eskalierenden Folge erforderlich sind, ist Frage des Einzelfalls und anhand der jeweiligen erkennbaren Umstände zu entscheiden.[27] Generell gilt: Je wichtiger, dringlicher oder unplausibler die aus der Berichterstattung erhaltenen Informationen dem Delegierenden erscheinen müssen, desto intensiver und enger getaktet haben die Berichterstattungen fortan zu erfolgen. Wichtig zu wissen hierbei: Unbenommen der Frage, welche Überwachungsmaßnahmen im Einzelfall