Название | Tax Compliance |
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Автор произведения | Markus Brinkmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447011 |
Gleichwohl wird eine solche Verpflichtung aus Rechtsgrundlagen insbesondere des Zivilrechts und verschiedener aufsichtsrechtlicher Spezialnormen abgeleitet.
1. Gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für ein Tax CMS
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Da der Begriff Tax Compliance nach der im 1. Kap. getroffenen Definition als Anforderung aus der Perspektive eines Unternehmens verstanden wird, durch geeignete Prozesse systematisch und dauerhaft sicherzustellen, dass die steuerlichen Pflichten von der Geschäftsführung und den Mitarbeitern beachtet und befolgt werden, kommen für die Suche nach entsprechenden Rechtsgrundlagen des Zivilrechts, aus denen sich eine Pflicht zur Einrichtung solcher Prozesse ggf. ableiten lässt, vor allem Vorschriften aus dem Gesellschafts- und Handelsrecht in Betracht.
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Ein (Tax) Compliance Management System hat die Einhaltung von (steuerlichen) Regeln und Gesetzen zum Ziel.[80] Fraglich ist, ob die Einrichtung eines solchen Systems selbst als von den Unternehmen zu beachtende Rechtspflicht zu begreifen ist.
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Das Gesellschaftsrecht und speziell das Aktiengesetz kennen durchaus rechtliche Organisationsanforderungen, welche zum Beispiel aus den Organisationspflichten des Vorstandes einer Aktiengesellschaft resultieren. Die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance Management Systems ist im Aktiengesetz hingegen nicht ausdrücklich geregelt.[81] Eine solche Compliance-Pflicht könnte aber aus der allgemeinen Leitungspflicht der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG hergeleitet werden oder unmittelbar aus § 91 Abs. 2 AktG. Dies wird nachstehend näher beleuchtet.
a) Legalitätspflicht und Leitungssorgfaltspflicht des Vorstandes
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Als Ausgangspunkt der Überlegungen, ob die Pflicht zur Einrichtung eines (Tax) Compliance Management Systems auf gesellschaftsrechtliche Vorschriften gestützt werden kann, kommt die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG in Betracht. Hiernach hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten.
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Aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich geht hervor, dass zu den allgemeinen Leitungsaufgaben, die dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG obliegen, auch die Organisationspflichten gehören.[82] Durch diese Klarstellung wird deutlich, dass den Vorstand (in seiner Eigenschaft als Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft) neben den gesetzlich ausdrücklich normierten organisatorischen Vorgaben weitere Organisationspflichten treffen.[83]
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Die Leitungsverantwortung und die daran geknüpften Organisationspflichten des Vorstandes lassen sich in fünf Bereiche aufteilen: die Vorgaben zur Unternehmensplanung, die Festlegung der Unternehmensstruktur/-organisation, die Unternehmenskontrolle, die Vornahme der Führungspostenbesetzung und schließlich die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung. Daran anknüpfend ließe sich vertreten, dass zu den Kernpflichten des Vorstandes auch die Überwachung der Einhaltung aller gesetzlichen Regelungen sowie die Einrichtung eines hierzu erforderlichen bzw. geeigneten Compliance-Systems zählen.[84]
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Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Diese gesellschaftsrechtliche Leitungssorgfaltspflicht konkretisiert die generelle Leitungsverantwortung des Vorstandes. Die organschaftliche Legalitätspflicht kann als Unterfall der Sorgfaltspflicht verstanden werden und beinhaltet zwei voneinander zu unterscheidende Anforderungen: einerseits die sog. Kardinalpflicht[85] zur eigenen Rechtstreue und andererseits die Pflicht zur Legalitätskontrolle, um Verstöße gegen externe Pflichten der Gesellschaft durch Mitarbeiter und andere Gesellschaftsorgane zu verhindern. Jedes Vorstandsmitglied ist somit dazu verpflichtet, sowohl sich selbst rechtstreu zu verhalten als auch für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft insgesamt zu sorgen.[86] Gerade am Beispiel des Steuer- und Sozialversicherungsrechts lässt sich verdeutlichen, dass die Legalitätspflicht sowohl intern als auch gegenüber Dritten und für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft gilt.[87]
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Um ein solch umfassendes gesetzestreues Verhalten aller Unternehmensangehörigen zu gewährleisten, wird es als erforderlich angesehen, dass jedes Vorstandsmitglied in seinem Verantwortungsbereich geeignete organisatorische Maßnahmen ergreift, um ein gesetzestreues Verhalten der nachgeordneten Mitarbeiter sicherzustellen.[88] Dazu gehörte bereits nach älterer Rechtsprechung nicht nur die ordnungsgemäße Auswahl sowie Einweisung der Mitarbeiter durch die Geschäftsleitung, sondern auch deren Überwachung.[89] Gleichwohl ist in Teilen des Schrifttums lange eine allgemeine, gesellschaftsrechtlich begründete Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung einer Compliance-Organisation abgelehnt worden.[90]
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Diese Ansicht kann als überholt, zumindest jedoch aktuell als Mindermeinung angesehen werden. Denn in jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich aus dem Zusammenspiel von organschaftlicher Organisations-/Überwachungsverantwortung und der Pflicht zur Legalitätskontrolle für den Vorstand ein Pflichtrecht zur Einrichtung eines (Tax) Compliance Management Systems ergibt.[91] Ausgangspunkt dieser Erkenntnis mag nicht durchweg ein originär dogmatischer Ansatz gewesen sein, sondern auch die unter dem Eindruck der Unternehmensskandale der letzten Jahre gewonnene Einsicht in faktische Notwendigkeiten: Lässt sich die Einhaltung der immer zahlreicher werdenden gesetzlichen Pflichten und damit die Vermeidung von Haftungsrisiken nur durch ein Compliance Management System sicherstellen, liegt eine entsprechende Erweiterung/Konkretisierung der Unternehmensorganisationspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nahe.[92]
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Die herrschende Meinung spiegelt auch die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex wider. Dieser Kodex hat keine Gesetzesqualität.[93] Gleichwohl wird in etwa der Hälfte seines Textes geltendes Recht der deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften wiedergegeben.[94] Darüber hinaus enthält er Empfehlungen und Anregungen für eine sorgfältige und verantwortungsvolle Geschäftsführung (best practice),[95] mit Ausstrahlungswirkung – über börsennotierte Aktiengesellschaften hinaus – auf andere Rechtsformen und nicht-börsennotierte Gesellschaften.[96] Keine solche Empfehlung/Anregung, sondern die Wiedergabe geltenden Rechts enthält Ziff. 4.1.3: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)“.
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Diese Formulierung spricht für die rechtliche Verpflichtung, organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens im Unternehmen zu ergreifen,[97] mithin ein Compliance Management System bzw. eine Compliance-Organisation einzurichten und aufrechtzuerhalten.
b) Business Judgement Rule
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Nach der vorstehend wiedergegebenen Meinung trifft die Vorstandsmitglieder nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG also die Rechtspflicht, ein Compliance Management System einzurichten. Gem. dieser Auffassung handelt es sich um eine Pflichtaufgabe, über deren Erfüllung nicht nach unternehmerischen Zweckmäßigkeitserwägungen entschieden werden kann, so dass die Vorstandsmitglieder kein von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geschütztes „Entschließungsermessen“ für sich in Anspruch nehmen können.[98]
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Nach der sog. Business Judgement Rule des §