Название | Tax Compliance |
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Автор произведения | Markus Brinkmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447011 |
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die wichtigsten straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Tatbestände, die im Falle der Verletzung von steuerlichen Pflichten zur Anwendung kommen können, gegeben werden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Sanktionen gegen die für ein Unternehmen verantwortlich handelnden natürlichen Personen (dazu Rn. 44 ff.) und Sanktionen gegen das Unternehmen selbst (dazu Rn. 56 ff.).
a) Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung, § 370 AO
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Eine Verletzung steuerlicher Pflichten kann eine nach § 370 Abs. 1 AO strafbare Steuerhinterziehung begründen. Die Steuerhinterziehung kann durch aktives Tun (Nr. 1) sowie durch Unterlassen (Nr. 2) begangen werden.
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Die möglichen Tathandlungen erschöpfen sich nicht in den „Standardfällen“ der Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung (aktives Tun) bzw. der Nichtabgabe einer Steuererklärung (Unterlassen). So ist von großer praktischer Relevanz bspw. die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 AO,[56] die bei entsprechendem Vorsatz eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begründet. Ferner kann beispielsweise auch bei nicht fristgemäßer Abgabe einer Steuererklärung[57] der Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen verwirklicht sein.
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Als Täter kommen insbesondere die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens i.S.d. § 34 AO, aber auch weitere Personen, wie z.B. faktische Geschäftsführer gem. § 35 AO, in Betracht.
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Eine einfache Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO kann mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe sanktioniert werden, bei Qualifizierung als besonders schwerer Fall nach § 370 Abs. 3 AO sogar mit Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren. Im unternehmerischen Bereich ist regelmäßig die Qualifikation des großen Ausmaßes i.S.d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht. Ein großes Ausmaß nimmt der BGH seit seiner Entscheidung vom 27.10.2015 in allen Fällen bereits ab einem Verkürzungsbetrag von 50 000 EUR an.[58]
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Die Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige nach § 371 AO Straffreiheit zu erlangen,[59] ist durch den Sperrgrund in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO im unternehmerischen Bereich faktisch stark eingeschränkt. Bereits ab einem Verkürzungsbetrag von mehr als 25 000 EUR kommt eine Verfahrenseinstellung nur noch gegen Zahlung eines Geldbetrags zwischen 10 und 20 % der hinterzogenen Steuer gem. § 398a AO in Betracht. Nach regelmäßig von den Ermittlungsbehörden vertretener Auffassung soll dieser Geldbetrag nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO durch jeden Tatbeteiligten (also Täter und Teilnehmer) in voller Höhe zu zahlen sein.[60] Die Frage ist in der Literatur umstritten,[61] jedoch höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Das Landgericht Aachen hat in der soweit ersichtlich bislang einzigen gerichtlichen Entscheidung die Verwaltungsauffassung bestätigt.[62]
b) Ordnungswidrige leichtfertige Steuerverkürzung, § 378 AO
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Scheidet ein vorsätzliches Verhalten aus oder kann nicht nachgewiesen werden, kommt eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung § 378 AO in Betracht. Täter kann jeder sein, der als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.
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Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird. Jeder Steuerpflichtige muss sich über die ihn treffenden steuerlichen Pflichten informieren und ggf. fachkundigen Rat einholen. Bei Kaufleuten bzw. Unternehmen sind höhere Anforderungen an Erkundigungspflicht zu stellen.[63]
c) Weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände
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Daneben gibt es weitere bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitentatbestände in der Abgabenordnung (wie etwa die Steuergefährdung nach § 379 AO, die Gefährdung von Abzugsteuern nach § 380 AO, die Verbrauchsteuergefährdung nach § 381 AO, die Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach § 382 AO oder der unzulässige Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen nach § 383 AO). Hinzu kommen in Einzelsteuergesetzen geregelte spezielle Bußgeldtatbestände, wie etwa § 26a UStG, wonach die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung spezifischer Pflichten aus dem UStG bußgeldbewehrt[64] ist.
d) Aufsichtspflichtverletzung, § 130 OWiG
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Von großer praktischer Bedeutung ist die Verhängung von Bußgeldern wegen Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG im Zusammenhang mit von Mitarbeitern begangenen Steuerdelikten. Die Vorschrift setzt eine Zuwiderhandlung (eines Mitarbeiters) gegen betriebsbezogene Pflichten, deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, voraus. Taugliche „Anknüpfungstaten“ sind z.B. § 370 und § 378 AO. Sanktioniert wird eine Aufsichtspflichtverletzung bereits dann, wenn bei ordnungsgemäßer Aufsicht die Zuwiderhandlung jedenfalls wesentlich erschwert worden wäre. Es muss im Rahmen einer ex ante Prognose wenigstens festgestellt werden, dass bei Anwendung der gehörigen gebietsspezifischen Aufsicht eine Risikominderung eingetreten wäre.[65] Der Täter darf daher nichts unversucht lassen, um erkannten oder erkennbaren Zuwiderhandlungsgefahren entgegenzuwirken.[66]
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Über die Aufsichtspflichtverletzung kommt somit eine Sanktionierung des Geschäftsherrn oder sonstiger aufsichtspflichtiger Personen auch dann in Betracht, wenn das Steuerdelikt von einem Mitarbeiter einer nachrangigen Delegationsebene begangen wurde (bspw. Steuerabteilungsleiter oder Mitarbeiter Steuerabteilung). Im Bereich der Steuerstraftaten und der Steuerordnungswidrigkeiten sanktioniert § 130 OWiG daher nicht die Verletzung steuerlicher Pflichten, sondern die Desorganisation im Unternehmen, die zu einer Verletzung steuerlicher Pflichten geführt hat.[67]
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§ 130 OWiG stellt die geringsten Anforderungen der in Betracht kommenden Sanktionsnormen, das Verschulden eines Mitarbeiters der Geschäftsführung zuzurechnen.[68] Es ist nämlich nicht erforderlich, dass die unterlassene Aufsichtsmaßnahme den eingetretenen Schaden tatsächlich verhindert hätte. Vielmehr ist ausreichend, dass die Zuwiderhandlung durch die Aufsichtsmaßnahme „wesentlich erschwert“ worden wäre.
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Der Bußgeldrahmen der Aufsichtspflichtverletzung reicht nach § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG bis zu 1 000 000 EUR im Falle vorsätzlicher Aufsichtspflichtverletzung, wenn die Anknüpfungstat eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO, also eine Straftat ist.
a) Verbandsgeldbuße, § 30 OWiG
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Über § 30 OWiG kommt bei Verwirklichung eines Steuerdelikts durch Unternehmensverantwortliche die Verhängung eines Bußgelds gegen das Unternehmen selbst (sog. Verbandsgeldbuße) in Betracht.[69]
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