Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens. Josef Frey

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Название Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens
Автор произведения Josef Frey
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076483



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erreiche ich die Ortschaft und gehe durch die Hauptstraße langsam auf das gewaltige Bauwerk zu. Beim Betreten des Gebäudes erwartet mich ein Prunkraum höchster barocker Baukunst. Vor dem Hochaltar ist ein wunderschöner Marienaltar aufgebaut. Die Fresken sind ganz dezent mit Farben unterlegt. Ich bin von diesem Bauwerk fasziniert. Der Begriff „schönste Dorfkirche der Welt“ ist sicher nicht übertrieben.

      Wieder im Freien genieße ich die Sonne und gehe in das gegenüberliegende Café. Dort kann ich im edlen Terrassengarten mit Blick auf die Kirche einen Cappuccino und Erdbeerkuchen mit Sahne genießen. Ich dehne diese Pause jedoch nicht zu lange aus und ziehe in Richtung Unteressendorf weiter. Karin und Celine kommen mit dem Auto vorbei und nehmen mich mit.

      Steinhausen

      Wir wollen zusammen an den Bodensee fahren, dort das Wochenende genießen und morgen meinen Geburtstag feiern.

      Nachdem ich Steinhausen verlassen habe, geht nochmals ein letzter Blick zurück auf dieses gewaltige und doch in seiner Art zierliche Bauwerk. Über Wiesenwege geht es auf sehr einsamen Wegen in Richtung Winterstettenstadt zügig voran. Ein Fuchs geht vor mir auf dem Weg und beobachtet mich misstrauisch, bevor er sich wieder in den Feldern versteckt.

      Ich habe den gekennzeichneten Weg etwas abgekürzt. Passieren darf mir hier jedoch nichts, denn hier würde mich sicherlich niemand suchen, geschweige denn finden. Ich habe im Moment auch keine Ahnung, wo ich mich genau befinde und wie weit es noch bis zur nächsten Ortschaft ist. Es geht durch wildere Natur als gewünscht. Ich bereue schon mein Handeln, vom gekennzeichneten Weg abzuweichen.

      Vor mir liegt ein Sportgelände mit der Kennzeichnung SVW. Die Frage ist jetzt: Steht das W für Winterstettenstadt oder gar für Wattenweiler? Ich gehe weiter und sehe nach einer Kurve wie aus dem Nichts plötzlich die Ortstafel von Winterstettenstadt. Das ist natürlich Freude pur.

      Schnellen Schrittes erreiche ich die Kirche, und mein „Taxi“ kommt schon nach wenigen Minuten. Nach der obligatorischen Kirchenbesichtigung kann ich meinen Rucksack im Auto verstauen und mich auf dem Beifahrersitz von den heutigen Anstrengungen erholen. Ich genieße die Fahrt über Bad Waldsee zum Bodensee nach Meersburg. Es ist genau die Route meiner nächsten Pilgeretappen. Ich freue mich schon darauf und hoffe, dass ich bald Zeit finde, diesen wunderschönen Pilgerweg weiterzugehen.

      7. Pilgertag, Freitag, 22.06.2012

      Winterstettenstadt–Bad Waldsee: 17 km, Gesamt: 108 km

      Natur pur, so kann man die heutige Etappe meines Pilgerweges beschreiben. Außerdem, so keine unangenehmen Ereignisse eintreten, begebe ich mich heute auf meine letzte Eintagesetappe. Als Etappenziel steht das wunderschöne Städtchen Bad-Waldsee auf dem Plan. Getreu dem Motto „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ klingelt der Wecker schon um 04.15 Uhr. Duschen, eine Tasse Kaffee, schon bin ich fertig. Der Rucksack und das Vesper wurden bereits gestern Abend gepackt.

      Meine Karin fährt mich mal wieder zum Bahnhof. Mit dem Zug geht’s von Blaubeuren über Ulm nach Biberach. Von dort mit dem Bus weiter nach Winterstettenstadt, wo ich pünktlich um 07.00 Uhr aussteige und meinen heutigen Pilgerweg beginne.

      Zuerst zur Kirche, ein kurzes Gebet und dann den Burgweg hinauf entlang des Waldes und wieder hinunter über den niedrigen Zaun einer Viehweide zum Stadelhof. Dort werde ich von den noch sehr müden Rindviechern begafft und mit einem ausgedehnten „Muuuuuuh“ begrüßt. Ich grüße herzlich lachend zurück.

      Wegweiser

      Vogelgezwitscher begleitet mich durch die sonst so stille Morgenstimmung. Ganz leichte Nebelschwaden geben den Blumen und Kräutern am Weg einen leuchtenden Seidenglanz. Der Nachteil dabei ist jedoch die Tatsache, dass diese Morgenfeuchte auch auf allen Sitzgelegenheiten haftet und so meinem zweiten Frühstück absolut hinderlich ist.

      Ich finde jedoch einen Jägerstand, auf dem ich mich bei trockener Sitzgelegenheit ausgiebig stärken kann. Und trotz schlechtem Empfang kann ich zu Hause noch kurz per Handy mitteilen, dass ich gut unterwegs bin.

      Kurz danach komme ich um eine Biegung und sehe zwei Rehe, ebenfalls beim Frühstück, auf einer kleinen Lichtung. So nah hab ich diese Tiere noch nie in freier Natur gesehen. Ich kann noch ein Bild machen und sie einige Momente beobachten, ehe sie mich bemerken und schnell im Wald verschwinden.

      Entlang der Bundesstraße bei Oberessenbach und manchmal auf der Höhe fast wie auf einem großen Damm geht es über Wiesen und durch Wälder. Letztere sind manchmal so naturbelassen, dass man sich fast schon mit einer Machete den Weg durch Gestrüpp und Stauden bahnen muss. Gott sei Dank kommt immer wieder ein kleiner Wegweiser in Form einer Jakobsmuschel. So hat man stets aufs Neue die Gewissheit, dass man sich noch auf dem richtigen Weg befindet.

      An einem Marienbildstock vorbei führt der Weg entlang einem Golfplatz, und plötzlich bin ich schon in Bad Waldsee. Viel früher als erwartet. Auf einer Bank mache ich Rast und gehe dann am See vorbei zur Kirche St. Peter. Von außen bereits wunderschön renoviert, aber innen noch mit allen Gerüsten der Arbeiter versehen. Ich bewundere trotzdem die Pracht der kunstvollen Innenausstattung und die Ruhe vor dem Marienaltar.

      Leider liegt kein Pilgerstempel für meinen Pilgerausweis in der Kirche aus. Das ist immer ärgerlich. Ich habe jedoch Glück, dass im Pfarrbüro zufällig, weil außerhalb der Bürozeit, eine freundliche Dame verweilt. Hilfsbereit sucht und findet sie einen wunderschönen Pilgerstempel und drückt diesen gleich in meinen Pilgerausweis. Da lacht mein Pilgerherz, und Pilger Sepp bedankt sich artig.

      Damit habe ich meine letzte Eintagesetappe vollendet. Ich freue mich schon auf den Herbst, wenn ich die restliche Wegstrecke bis Konstanz in einer Drei- oder Viertagesetappe zurücklegen kann.

      8. Pilgertag, Mittwoch, 29.08.2012

      Bad Waldsee–Weingarten: 27 km, Gesamt: 135 km

      … unverhofft kommt oft!

      Meine Karin hat sich den Knöchel gebrochen. Die Urlaubsreise ist storniert, und wir haben uns daheim auf der Terrasse urlaubsmäßig eingerichtet. Ich beschließe deshalb, einen Pilgertag einzulegen und fahre mit dem Auto nach Bad Waldsee.

      Bei noch angenehmer Temperatur gehe ich am Stadtsee vorbei zur Stadtkirche und durch den Schlossgarten vorbei am Schloss. Ein Kreuzweg führt mich hinauf zur einfachen, aber geräumigen Frauenbergkapelle.

      Als ich hineingehe, sehe ich eine Pilgergruppe um den Altar sitzen. Einer der Pilger liest laut aus der Bibel über Jakobus, unseren Pilgerpatron. Es ist eine Gruppe aus Österreich mit ihrem Ortspfarrer auf dem oberschwäbischen Jakobsweg. Eine sympathische Gruppe. Wir gehen noch bis zum Ortsende gemeinsam, dann biege ich in Richtung Bergatreute ab, um dort die Wallfahrtskirche St. Jakobus zu besichtigen.

      Die Etappe ist nun von langen, einsamen Waldwegen geprägt. Eigentlich ganz angenehm bei diesen Temperaturen, aber auf Dauer etwas eintönig, wenn man nur noch Bäume um sich hat. Es fehlen die besonderen Momente und Begegnungen, welche man auf dem Weg durch die Ortschaften immer wieder einfangen kann. Auch weite Ausblicke in die Natur, weite Landschaften, einzelne große Bäume als Naturdenkmäler zu bewundern, das alles fehlt auf dem langen Marsch durch den Wald.

      Waldkreuz

      Abwechslung bringt dann ein schönes Waldkreuz an einer Wegegabelung. Später auch noch ein großes Biotop mit einer Marienstatue, welche in einen Baum eingeschnitzt ist. Dort mache ich es mir auch auf einer Bank bequem und nutze die Zeit für eine Vesperpause. Gestärkt und zufrieden gehe ich meinen Weg weiter zur Basilika in Weingarten.

      Kurz vor Weingarten verlasse ich den Wald auf einer Anhöhe und habe einen wunderschönen Blick auf mein Etappenziel mit seiner imposanten Basilika. Ein Prachtbau, hoch über der Stadt. Schon bald bin ich vor Ort und kann dieses gewaltige Bauwerk auch von innen bestaunen. Die vielen Stufen