Название | Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens |
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Автор произведения | Josef Frey |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076483 |
Es steht aber auch geschrieben, dass es bis zu meinem eigentlichen Ziel noch 2340 km sind – fast 3 000 000 Schritte –, und mit jedem Schritt wird es ab heute ein Schritt weniger – fantastisch.
Kommunion
Durch die Altstadt komme ich über die Staatsgrenze nach Kreuzlingen in der Schweiz. Kaum bin ich durch die Doppelstadt hindurch, befinde ich mich bereits im Stadtteil Emmishofen.
Dort herrscht reges Treiben. Der örtliche Musikverein sammelt sich zusammen mit dem Pfarrer, den Ministranten und den Kommunionkindern zum großen Einzug in die Kirche. Dort sitzen bereits die vielen Gäste der Kinder und warten voller Ungeduld auf die große Zeremonie. Großeltern strahlen eine feierliche Ruhe aus, Väter suchen ganz wichtig die Verwandtschaft zusammen und führen diese in die reservierten Kirchenbänke.
Mütter rennen Kopf- und Planlos durch die Gegend, zupfen an ihren Kleidern herum, suchen hysterisch den besten Platz zum Fotografieren und rennen dabei unschuldige Pilger über den Haufen. Die älteren Schwestern der Kommunionskinder merken plötzlich, dass der Rock für den Anlass doch zu kurz ist und versuchen, diesen alle 10 Sekunden nach unten zu ziehen. Kurz: eine ganz alltägliche Familienfeier, als Außenstehender ganz amüsant anzuschauen.
Kirche Emmishofen
Die Kirche ist wunderschön und erstrahlt in einem glanzvollen Weiß. Ich bin schon am Überlegen, zu Beginn meines diesjährigen Pilgerweges den Kommunionsgottesdienst mitzufeiern. Entscheide mich dann aber doch, weiterzugehen. Mit Wanderschuhen, Rucksack und Wanderhose fühle ich mich in dieser festlichen Umgebung doch ein wenig fehl am Platz. Ich lasse die feierliche Atmosphäre trotzdem auf mich wirken.
Schlossbühltobel
Auf dem Weg zurück zum Schwabenweg verpasse ich dann eine Abbiegung und mache so einen kleinen Umweg, bevor ich durch den malerischen Schlossbühltobel hinauf entlang einem Kreuzweg zur Kapelle Bernrain gelange und auf einer leicht hügeligen Strecke viele kleine Weiler und Gehöfte durchwandere. Unmengen an Raubvögeln schwirren über meinem Kopf. Ein gutes Foto will mir jedoch nicht von ihnen gelingen, schade.
Besonders schön sind die vielen Fachwerk- und Holzhäuser. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Das Gerede von der wunderschönen Schweiz muss also auch außerhalb der beeindruckenden Bergwelt eine Grundlage haben. Zu meiner linken Seite sehe ich schon bald ein Alpenpanorama mit dem „Säntis“ als höchster Erhebung. Es ist ein wunderbares Gefühl, durch diese fantastische Landschaft zu pilgern.
Maerstetten
Bald erreiche ich Märstetten, meinem Reiseführer zufolge eigentlich der heutige Etappenort. Hier gibt es auch eine Pilgerherberge. Ich habe meine Route jedoch anders geplant und in Maltbach ein privates Pilgerzimmer gebucht, um die morgige Etappe etwas zu verkürzen. In der schönen Kirche kann ich den ersten Pilgerstempel aus der Schweiz in meinem Pilgerbuch anbringen. Und wenige Meter daneben finde ich eine kleine Gastwirtschaft, in welcher ich eine wunderbare Tasse Kaffee bekomme.
Nun geht es mit frischem Elan weiter nach Maltbach. Meine Pilgerwirtin ist auf einer Kommunionfeier und kommt erst gegen 18.00 Uhr zurück. Deshalb begebe ich mich zuerst in das kleine Restaurant und trinke am Stammtisch ein Glas Bier. Danach ruhe ich mich vor meiner Pension auf einem Liegestuhl aus, bis meine Pensionswirtin plötzlich und unerwartet aus dem Haus kommt.
Abendessen hat sie auch schon gemacht. Zanderfilet mit Kartoffeln, Buttersoße und grünem Salat. Einfach köstlich. Ein Kompliment an die Köchin. Hätte nicht gedacht, auf meiner Pilgerreise solch ein Pilgermenü verköstigen zu dürfen.
Danach gehe ich gleich ins Bett. Der lange Marsch und die Sonne haben mich müde gemacht. Auch meine Füße und meine Schultern verlangen nach Erholung. Ich schlafe wunderbar in meinem kleinen, einfachen Pilgerzimmer über einer ehemaligen Werkstatt.
13. Pilgertag, Montag, 05.05.2014
Maltbach–Kloster Fischingen: 24 km, Gesamt: 246 km
Pünktlich um 08.00 Uhr bekomme ich ein gutes Frühstück. Reiseproviant muss ich leider ablehnen, weil ich noch vom Vortag einen gut gefüllten Vesperbeutel habe, den ich heute noch essen kann.
Frohgemut starte ich auf meine heutige Etappe und komme gleich zur Kapelle Kaltenbrunnen. Auch hier finde ich einen Jakobsstempel für mein Pilgerbuch. In der nächsten größeren Ortschaft, Affeltrangen, mache ich einen kleinen Umweg zur Kirche und stelle zu meiner Verwunderung fest, dass diese evangelisch und geöffnet ist.
Nach einer kleinen Besichtigung will ich schon weitergehen, da sehe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einem Privatgrundstück ein Friedenskreuz mit den Zeichen der Weltreligionen und deren Schriftzeichen für Frieden.
Friedenskreuz
Und als nächste Überraschung sehe ich daneben, klein und unscheinbar, eine katholische Kirche. Ich gehe hinüber und geraden Wegs auf den Marienaltar zu, als ich mit fester Stimme dazu aufgefordert werde, doch nicht am Weihwasserkessel ohne Kreuzzeichen vorüberzugehen. Die Stimme kommt vom hier und in Tobel ortsansässigen Pfarrer Schenker.
Nach einem kurzen Gebet am Marienaltar kommen wir ins Gespräch. Es ist eine sehr interessante Unterhaltung mit überraschenden Vergleichen der verschiedenen Weltreligionen und ihren politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Als wir uns verabschieden, gebe ich ihm meine Karte. Wenn er bei seinem Aufenthalt in Süddeutschland in der Ulmer Ecke ist, will er sich bei mir melden. Ich würde mich freuen.
Obwohl der nächste Ort, Tobel, nicht direkt am Jakobsweg liegt, will ich dort die schöne Kirche besuchen. Die liegt natürlich ganz oben auf der gegenüberliegenden Seite des Tales. Aber der Anstieg lohnt sich. St. Johannes ist klein, aber fein und festlich geschmückt. Das Leitmotiv lautet: Mit Jesus auf dem Weg. Es könnte auch mein Leitmotiv sein: Mit Jesus auf dem Weg zum Grab seines Apostels Jakobus.
Über eine Anhöhe gelange ich auf guten Wegen vorbei an Wiesen und Waldstücken nach Münchwilen. Dort führt der Weg entlang des Flüsschens Murg. Es ist angenehm schattig. Neben dem Freibad finde ich an einem größeren Biotop eine schöne Bank zum Verweilen. Genüsslich lasse ich mich darauf nieder und packe mein Vesper aus. Es schmeckt wunderbar.
Die Landschaft wird nun langsam hügeliger, und die Straße führt mich gemächlich in die Höhe. Die letzten ca. 3–4 km weiche ich vom ausgeschilderten Weg ab und bleibe auf dem kleinen Fußweg entlang der Autostraße. Den nicht so übermäßig dichten Verkehr nehme ich gerne in Kauf. Dafür spare ich mir einige unnötige Anstiege durch unwegsames Gelände. Müde komme ich zuerst in den Ort Fischingen und danach ganz oben zum Kloster Fischingen. Dummerweise verlasse ich am Fuße des Klosterberges die Straße und gehe die über einhundert steilen Stufen zur Kirche und den Klostergebäuden empor. Ich werde dafür jedoch mit einem herrlichen Ausblick auf meinen zurückgelegten Weg belohnt.
Kloster Fischingen
Im Kloster, alles neu renoviert, gibt es Hotel- und Seminarbetrieb, Kirche, Kapellen, Klosterladen, Klosterwerkstatt und vieles mehr. An der Rezeption werde ich freundlich empfangen, und meine Wünsche nach Dusche, Bett und Essen können alle erfüllt werden. Einzel- und Doppelzimmer sind komplett belegt, ich werde deshalb im Mehrbettzimmer „Jakobus“ untergebracht mit ca. zwölf Stockbetten. Ich bin jedoch heute allein hier und brauche keine fremden Schnarchtöne zu befürchten. Die Duschräume