Название | Pax erzählt |
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Автор произведения | Petra Ohl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991077190 |
Na klar, auf dem Kissen von Herrli! Das ist doch für mich wie ein Thron … und für die Kleine ist doch schließlich ganz viel Platz am Fußende oder in der Mitte bei Frauli.
Ich kuschel mich also richtig ein, während Herrli sein Kleidi zur Nacht anzieht, und liege so schon mal gemütlich in Morpheus’ Armen.
Herrli wird sich schon zurechtfinden …
Hier fühle ich mich jedenfalls so richtig, richtig wohl und gelassen. Ich schmunzle einfach selig vor mich hin, bis Frauli uns dann eine gute Nacht wünscht.
Jeder bekommt seinen Extrawunsch – ich als letzter, weil ich ja der Erste bin, und mir (nur mir) sagt Frauli dann immer: „Gute Nacht Pax, schlaf schön, ich hab dich ganz, ganz lieb“, und gibt mir einen Kuss, den ich gerne erwidere.
Noch ein ganz wohliger, ganz tiefer Seufzer …
Herrli schläft dann meistens schon, und die Kleine schnarcht wie eine Große. Haaach – so kann ich mich ganz gelöst und heiter in mein Traumland begeben. Betti Heiti ist was Feines, gaaanz Feines!!!
Blinde sehen!
Dass wir uns recht verstehen: Ja, ich bin blind und ja, Kari ist auch blind.
Ich bin blind, weil mich irgendwer in den Kopf geschossen hat, und die Kleine ist langsam erblindet nach einer Krankheit an der Leber.
Aber, und da kann ich nur für mich reden, es gibt hier keine Schwierigkeiten für uns. Falsch: Ich kann schon für uns beide reden, denn ich weiß ja aus Erfahrung, wie die Kleine bei uns zu Hause herumwirbelt, wenn das kindliche Temperament mit ihr durchgeht …
Soll ich euch was verraten? Ich weiß ganz genau, wie meine (na ja – bitte sehr: unsere) Großen aussehen.
Also, allein schon am Geruch würde ich sie unter Tausenden wiedererkennen. Jedes Lebewesen hat ja seinen persönlichen Duft, der ihn unverwechselbar macht. Unsere Gerüche harmonieren offenbar, denn wir passen eindeutig zusammen.
Natürlich mache ich mich jeden Tag erneut vertraut, denn sie könnten ja auch die Kleidung gewechselt haben. So bin ich immer am Puls der Zeit!
Im Übrigen sagen ihre Stimmen und Stimmfärbungen viel, viel, viel mehr aus als das, was Augen wahrnehmen können.
Ein Mensch kann lächeln, aber seine Stimme verrät möglicherweise schon, dass er im nächsten Moment gefährlich werden könnte. Da habe ich wohl so meine Erfahrung(en), ich weiß es nicht – nicht mehr …
Jedenfalls sind meine/unsere beiden für mich sehr, sehr, sehr schön und gut. Man sieht ja wirklich nur mit dem Herzen gut. Der Klang ihrer Stimmen gibt mir Liebe, Geborgenheit und Schutz vor der tosenden Welt.
Ich bin blind? Jaja – stimmt schon. Aber soll ich jemandem sagen, wo wie was in der Wohnung steht?
Pah – ihr würdet euch wundern. Ich kenne jede einzelne Ecke unserer Wohnung, da ich mich als gscheiter Manndi natürlich bestens informiert habe.
Auch kenne ich die Stellen, wo ich nicht wild sein sollte, weil etwas brechen könnte. Außerdem weiß jeder, dass ich ohnehin ein ganz Behutsamer bin. Man hat ja so seinen Ruf im Lauf der Monate … Ich scheppere doch nicht mutwillig den Ort kaputt, an dem ich daheim bin!
Nein, nein, ich bewege mich ganz geschmeidig und behutsam um jede Ecke, jede Kante. Selbst wenn die Kleine und ich spielen – und wir spielen seeehr lebhaft – dann passen wir doch genau auf, wohin wir springen und toben. Da haben wir, glaube ich, einen großen Vorteil allen Sehenden gegenüber, weil unsere Antennen ungleich weiter ausgefahren sind.
Was ich also sagen wollte: Wir sind blind UND wir sehen. Wir sehen mit Ohren und Nase und dem siebten Sinn. Können das Menschen? Können das sehende Vierbeiner?
Letztere nur im Ansatz, und die Menschen haben das wohl fast vergessen – oder es ist ihnen aberzogen worden. Schade, schade, denn ich freue mich über jeden Zweibeiner, mit dem ich sofort auch ohne viele Worte reden kann! Das ist doch viel wichtiger als die Schwemme von Wörtern, die gar nichts aussagen.
Zum Beispiel: Herrli ist unendlich lieb zu mir (so ein Herrli habe ich bestimmt noch nicht erlebt). Frauli ist auch unendlich lieb zu mir, UND sie weiß immer sofort, was ich meine oder brauche. Dabei hatte sie noch nie einen Hund als Gefährten (nur Wellensittiche), aber einen blinden Mann. Aber, um nicht abzuweichen, wer glaubt, ein Blinder sei nur blind und sehe nichts, der irrt gewaltig.
Meine Kleine, Kari, und ich –, wir sind blind UND wir sehen unsere Welt in allen erdenklich wohlklingenden Farben, ganz besonders bei uns daheim!!!
Blutiger Samstag
Der Tag war erst noch ganz normal, friedlich und gemütlich, wie immer. Die üblichen Spaziergänge, bei denen mich nur hier und da lärmende Menschen oder lästige Vierbeiner störten. Aber daran bin ich ja schon irgendwie gewöhnt. Zu Hause fühle ich mich natürlich erheblich wohler, weil hier keine Störung oder Gefahr droht. Als Blinder empfinde ich draußen halt alles erst mal als Gefahr, wenn ich es nicht zuordnen kann als bekannten Geruch oder vertrautes Geräusch.
Am Abend döste ich – wie oft – ganz friedlich so vor mich hin. Ich hörte wohl, dass meine Große im Flur noch etwas säuberte, aber das kenne ich ja.
Aber dann, ganz plötzlich, hörte ich ein lautes „Bumm“, Frauli schrie ganz kurz auf und lag am Boden. Herrli war ganz verwirrt und wurde dann hektisch und aufgeregt.
Kari war total besorgt und durcheinander. Sie hätte so gerne geholfen.
Mich klärte niemand auf, wie alles so hektisch war mit einem Mal.
Aber ich hatte verstanden. Den Geruch kannte ich irgendwoher.
Ein unheilvoller Geruch – er war überall am Boden … Irgendeine Erinnerung holte mich ein, aber ich konnte sie nicht näher erklären. Ich blieb ganz still, weil ich nicht stören wollte – und weil ich eine fremde und auch bekannte Angst hatte.
Diese Angst machte mir Angst. Herrli lief hin und her und holte Tücher, Frauli lief hin und her – und es roch nach Blut, so viel Blut, massenhaft Blut.
Schließlich telefonierte Herrli, und auf einmal war Frauli weg. Sie hatte sich gar nicht verabschiedet, das tut sie doch sonst immer. Sonderbar!
Ich blieb, wir blieben total verunsichert zurück, und ich konnte mir das ungute Ereignis gar nicht so recht erklären. Bestimmt war ich auch traurig, aber auch das weiß ich gar nicht so genau. Wir gingen dann schließlich schlafen. Ich hatte an dem Abend nicht einmal zum Trost meine „Nur-für-dich-Pax“ bekommen, also war alles, aber auch alles total unnormal an diesem Abend.
Na ja – so blieb ich halt liegen und versuchte einfach, zur Ruhe zu kommen.
Später, sehr viel später hörte ich den bekannten Schritt auf der Treppe, und dann den Schlüssel an der Wohnungstüre. Hui – meine Große war wieder da! Sie kam zu Herrli und Kari, um sie zu informieren. Aber dann hat sie sich richtig Zeit für mich genommen, um mich zu beruhigen und mir einen guten Schlaf zu wünschen.
Meine weit, weit aufgerissenen Augen haben meiner Großen wohl alle Not des Abends erzählt, ganze Romane: „Da bist du ja wieder“, „du lebst und redest lieb mit mir“, „kein Blut mehr“. Ich hatte mir ja solche Sorgen gemacht – auch wenn ich das niemals offen zugeben würde. Ich bin da nicht so mitteilsam wie die Kleine.
Schließlich bin ich ja schon ein großer Manndi.
Meine Große hatte alles mutig ausgehalten an diesem Abend und im Krankenhaus – um wieder bei uns zu sein!
Und obwohl ich in der Regel und normalerweise nicht sooo interessiert bin an Liebesbezeugungen und gar Knutschereien, habe ich es an diesem besonderen Abend sehr genossen. Meine Große hat mir wie immer gesagt, dass sie mich sehr, sehr lieb hat. Und auch den Kuss habe ich mit riesiger Erleichterung und