Название | Kommunikationswissenschaft |
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Автор произведения | Roland Burkart |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846357132 |
Im Hinblick auf sprachliche Zeichen verweist dieser Umstand v. a. auf zwei fundamentale Aspekte sprachlicher Zeichen, die als semantische Grundpostulate auf den Sprachwissenschaftler Alfred Korzybski (Schaff 1968: 97) zurückgehen11:
•Das Postulat der Unvollständigkeit: Das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze. Der Satz „eine Landkarte stellt nicht das ganze Gelände dar“ macht darauf aufmerksam, dass man (gleichgültig, wie detailliert die Landkarte ist) niemals alles von diesem Gelände darstellen kann. So wie eine Landkarte von Einzelheiten des Territoriums absehen muss, genauso wird auch die sprachliche Darstellung immer unvollständig bleiben. „In die gewöhnliche Sprache übertragen bedeutet dies, dass gleichgültig, wie viel man über irgendeine ‚Sache’, ‚einen Vorgang’, eine ‚Eigenschaft’ oder irgend etwas anderes aussagt, man nicht alles darüber aussagen kann“ (Rapoport 1968: 16). Wie sehr man sich auch bemüht, mit Hilfe von sprachlichen Symbolen die Wirklichkeit darzustellen, die Darstellung wird stets weniger sein als das Darzustellende.
•Das Postulat der Nicht-Identität: Das Wort ist nicht die Sache, die es bezeichnet. Wenn schon die Landkarte „nicht einmal alles von dem Gelände darstellt, dann ist klar, dass sie nicht das Gelände sein kann“ (ebd.: 17). Wenn man ebenso mit Hilfe von Worten nicht alles über die Wirklichkeit aussagen kann, dann können die Worte ja auch wohl niemals die „Gegenstände“ sein, die sie bezeichnen. Das Postulat der Nicht-Identität bezieht sich auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen Sprache und Realität, der niemals aufgehoben werden kann.12
Erwähnenswert ist in diesem Kontext das Zeichenmodell von de Saussure, das letztlich in alle Modelle sprachlicher Zeichen mit eingegangen ist (Pelz 2013: 44). Im Sinn de Saussures ist ein sprachliches Zeichen nämlich im Grunde psychischer Natur: Es verbindet nicht eine Sache (z. B. einen Stuhl) und einen Namen miteinander, sondern eine bzw. mehrere (gedankliche) Vorstellung(en) – also: den Begriff von einem Stuhl – und ein Lautbild. Dieser Begriff ist (wie bereits ausgeführt wurde) aber seinerseits eine Abstraktion aus einer Reihe von „wirklichen“ Stühlen, die irgendwann einmal wahrgenommen worden sind.
Indem Sprache die Realität also nicht (einem Spiegel gleich) reflektiert, sondern diese immer rekonstruiert, kann man davon ausgehen, dass Symbole bzw. deren Bedeutung niemals rein zufällig entstehen. Vielmehr ist die Art und Weise, wie die Umwelt mit Hilfe eines Symbolsystems rekonstruiert wird, immer von der Qualität der Auseinandersetzung des jeweiligen Menschen mit seiner Umwelt beeinflusst. Für sprachliche Symbolsysteme bedeutet dies, dass Menschen in unterschiedlichen Regionen nicht nur unterschiedliche Sprachen ausbilden, sondern dadurch auch die Wirklichkeit unterschiedlich rekonstruieren. Diese These von der sprachabhängigen Weltsicht ist in der Sprachwissenschaft v. a. mit den beiden Ethnolinguisten13 Edward Sapir (1951) und dessen Schüler Benjamin Lee Whorf (1963) verbunden.14
Das von ihnen formulierte (auch als Sapir-Whorf-Hypothese bekannte) linguistische Relativitätsprinzip besagt, dass verschiedene Sprachgemeinschaften die außersprachliche Realität auf unterschiedliche Weise erfassen. Danach ist Sprache einem Netz ähnlich, „das über die Wirklichkeit geworfen wird; die Maschen dieses Netzes sind nicht in allen Sprachgemeinschaften (und auch nicht für alle Teilbereiche der Wirklichkeit) gleich groß und verlaufen nicht überall gleich“ (Pelz 2013: 35). Als Konsequenz dieses bemerkenswerten Umstandes kann man eine Nichtdeckungsgleichheit im Wortschatz von verschiedenen Sprachen („lexikalische Inkongruität“) beobachten. So besitzen beispielsweise die Inuit viel mehr Bezeichnungen für „Schnee“, als dafür etwa das Englische oder Deutsche bereitstellt; ähnlich verhält es sich, wenn man das deutsche Wort „Reis“ mit der Anzahl der dafür vorhandenen verschiedenartigen Wörter im Japanischen vergleicht:
Abb. 11: Lexikalische Inkongruität (nach Pelz 2013: 35, eigene Darstellung)
Wohl nicht zufällig haben sich gerade im Japanischen und nicht in einer der europäischen Sprachen so viele unterschiedliche Bezeichnungen für „Reis“ entwickelt: In keiner europäischen Gesellschaft ist Reis ein so zentrales Element der Lebensführung wie in der japanischen (die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Anbaufläche ist dem Reis gewidmet); in keinem europäischen Land wurden daher im Laufe von Jahrhunderten so viele verschiedene Erfahrungen mit Reis gesammelt; für keine der europäischen Gesellschaften war es somit (über-)lebensnotwendig (und auch gar nicht möglich), so viele unterschiedliche Begrifflichkeiten von Reis auszubilden und die Summe dieser klassifizierten Umwelterfahrungen auch noch sprachlich manifest zu machen. Gleiches gilt für die Inuit und ihre verschiedenen Bezeichnungen für Schnee.
Mit Blick auf das symbolische Netz, das wir mit Sprache über die Wirklichkeit werfen, weisen diese Beispiele somit darauf hin, dass für jene Lebensbereiche, die in einem Kulturkreis von zentraler Bedeutung sind, auch entsprechende sprachliche Differenzierungen entstanden sind, die sich für die jeweiligen Lebensumstände als passend erwiesen haben.15 Der Zusammenhang zwischen Sprache und Realität16 scheint sich nun, nach Kenntnis des Prinzips der sprachlichen Relativität, als ein wechselseitiger zu erweisen:
Abb. 12: Sprachliche Relativität (eigene Darstellung)
Einerseits prägen Umwelt und Erfahrung die Sprache. Eine Sprache stellt nicht zufällig vorhandene Differenzierungsmöglichkeiten von Realität bereit. Vielmehr entwickelt sich ein sprachliches Symbolsystem, das diejenigen Aspekte der Wirklichkeit rekonstruiert, die den Erfordernissen der jeweiligen menschlichen Umwelt entsprechen. Andererseits beeinflusst aber auch die Sprache die menschliche Erfahrung und damit das Erkennen der Umwelt. Damit ist gemeint, dass eine bestimmte Sprache stets auch eine bestimmte Perspektive auf die Realität in sich trägt. Mit dem Erlernen einer Sprache erwirbt man also auch einen ganz bestimmten „Zugang“ zur Wirklichkeit.
3.3.4 Sprachliche Reflexivität
Eine weitere für Verständigung relevante Besonderheit der menschlichen Sprache besteht in ihrer „Selbstreflexivität“:17 Man kann mit Sprache über Sprache sprechen, d. h., man kann sprachliche Aussagen selbst wieder zum Gegenstand von Aussagen machen. Für diese beiden Arten von sprachlichen Aussagen sind auch die Bezeichnungen „Objektsprache“ und „Metasprache“ gebräuchlich.
Unter Objektsprache versteht man die Ebene der Sprache, „in der Aussagen zu außersprachlichen Gegenständen und Sachverhalten (Objekten) gemacht werden“ (Glück/Rödel 2016: 477).
Z. B.: „Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zwölf Mitglieder an.“
Als Metasprache gilt dagegen die Ebene der Sprache, in der etwas über objektsprachliche Sätze gesagt wird. Gegenstand der Aussage ist also nicht die außersprachliche Realität, sondern die Sprache selbst (vgl. ebd.: 429).
Z. B.: „Der Satz: ‚Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zwölf Mitglieder an’, ist richtig.“
Freilich kann auch dieser metasprachliche Satz abermals Gegenstand einer Aussage werden, die dann als „metametasprachliche“ Aussage zu bezeichnen wäre.
Z. B.: „Der Satz, in dem festgestellt wird, dass die Aussage: ‚Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zur Zeit zwölf Mitglieder an’, richtig ist, stellt nur ein Urteil über dessen grammatikalische Richtigkeit“ dar.“
Manche Sprachwissenschaftler·innen