Название | Pine Ridge statt Pina Colada |
---|---|
Автор произведения | Katja Etzkorn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948878122 |
Trotz seiner eindeutigen Körperhaltung schoss Sannah augenblicklich ein anderes Gefühl durch den Magen: Eifersucht oder zumindest die Gift spritzende Vorstufe davon. Aus eigener schmerzlicher Erfahrung wusste sie nur zu gut, dass die Kerle früher oder später doch anfingen, die Steaks auf den Grill zu hauen. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie hatte Jonas erwähnt, als Josh heute Morgen seine Show abgezogen hatte. Er war eifersüchtig oder befand sich zumindest in der besagten Vorstufe. Sie grinste boshaft.
‚Erwischt‘, dachte sie. Gestärkt durch diese Erkenntnis, hatte sie nun wieder Oberwasser und stieg, mit der großen Tüte voller Einkäufe bepackt, aus dem Auto. Da Sannah eine gute Kinderstube genossen hatte, ging sie auf die Gruppe zu, um guten Tag zu sagen.
Thompson strahlte sie mit einem breiten, freundlichen Lächeln an. „Wir haben bestimmt gestern Früh telefoniert“, stellte er fest. Sannah schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und antwortete höflich: „Ganz genau, Sir, freut mich Sie kennenzulernen.“
„Nennen Sie mich Mark“, bot er unkompliziert an.
„Ich bin Sannah“, sagte sie und ergriff seine Hand.
„Das ist meine Tochter Pippa“, stellte er die Barbie vor. Der britische Vorname verlieh ihr auch nicht mehr Stil, stellte Sannah im Geiste fest. Da Püppi, nein, Pippa, neben Josh stand, musste sie sich umdrehen, um ihr ebenfalls die Hand zu geben. Sannah hatte einen festen Händedruck, zugegebenermaßen vielleicht ein bisschen zu fest, als sie Pippa dabei mit einem eisigen Blick bedachte, zuckte diese leicht zusammen. Josh sah zuerst die Einkaufstüte vom Shoppingcenter, dann Sannah konsterniert an. Sie ignorierte ihn komplett und wendete sich nun wieder Thompson zu.
„Bitte, entschuldigen Sie mich. Das muss dringend in den Kühlschrank“, erklärte sie, deutete mit dem Kopf auf die Einkäufe und verschwand in Richtung Haus. Sie lächelte hämisch über das ganze Gesicht. „Klapperschlange? Kann ich!“, murmelte sie leise vor sich hin.
Nachdem sie die Einkäufe in den Kühlschrank verfrachtet hatte, warf sie noch einen Blick nach draußen. Da die Küchentür im Schatten der Veranda lag, konnte man sie vom Hof aus nicht sehen. Püppi hatte sich schmollend zu ihrem Daddy verzogen, und Josh hatte eine etwas entspannter wirkende Körperhaltung angenommen. Offenbar war die Verabschiedung in vollem Gange, als Josh auf die Küchentür zuging. Sannah zog sich zurück und suchte einen großen Topf für das Huhn aus dem Schrank. Er kam rein und schrieb die Telefonnummer seines Handys vom Karton ab. Sie würdigte ihn keines Blickes. Er sollte zur Strafe im eigenen Saft schmoren, bis er gar war, hatte sie beschlossen. Josh lief wieder nach draußen und drückte Thompson den Zettel in die Hand. Püppi saß schon im Barbiemobil. Einen Moment später rollte das Gefährt vom Hof.
Mittlerweile war es fast Mittag, und Sannah hatte begonnen, das Gemüse zu putzen und in kleine Würfel zu schneiden. Josh stand etwas unschlüssig auf dem Hof und wusste nicht so recht, was er nun machen sollte. Ihm war nicht entgangen, dass sie stinksauer war, und mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Verletzt oder traurig, ja. Aber stattdessen kochte sie vor Wut. Sein Hunger siegte über seinen Stolz. Er ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. Sannah köpfte mit einem gezielten Schlag des Messers eine Stange Lauch. Er zuckte leicht zusammen. Das war deutlich! Er machte sich ein Sandwich und verzog sich damit auf die Veranda. So mussten sich seine Vorväter gefühlt haben, wenn ihnen die Frauen das Sattelzeug vor das Tipi gestellt hatten. Drinnen herrschte eisiges Schweigen, und Mann saß vor der Tür. Er aß sein Sandwich auf und ging mit dem neuen Ausbildungspferd eine Runde spazieren. Mittlerweile war er zu der Erkenntnis gelangt, dass seine Reaktion am Morgen wohl etwas zu heftig gewesen war. Vielleicht war dieser Jonas auch einfach nur ihr Bruder. Jedenfalls war er sich sicher, dass sie genau wusste, worum es ging. Sannah war weder dumm noch unsensibel. Wenn Chloe wütend gewesen war, hatte sie getobt und gezetert. Er hatte sie dann einfach stehen lassen und sich zu Sam verzogen, manchmal auch über Nacht. Sannah benahm sich dagegen wie eine echte Lakota. Sie drehte ihm den Rücken zu, würdigte ihn keines Blickes und schwieg. Sie zeigte ihm nicht nur deutlich ihre Missbilligung, sondern bewahrte sich auch Würde und Stolz. Damit konnte er nicht umgehen, weil er es nicht gewöhnt war. Ihr Verhalten brachte ihn in Zugzwang, denn so wie er Sannah einschätzte, war sie noch sturer als er selbst und würde das tagelang durchhalten. Aber er nicht. Ihre Energie war derart groß, dass man sie fast mit Händen greifen konnte. Frauen sind stärker als Männer, hatte sein Vater ihm immer gepredigt. Als Teenager hatte er das nicht begriffen. Mädchen waren in seinen Augen klein und schwächlich. Genaugenommen fing er jetzt erst an zu verstehen, was sein Vater gemeint hatte. Ein Volk ist erst besiegt, wenn die Herzen der Frauen im Staub liegen. So lautete ein altes Sprichwort der Cheyenne. Sie hatten alle recht. Trotzdem beschloss er, noch eine Weile zu warten, bis Sannahs Feuer weiter runtergebrannt war und sich der Rauch verzogen hatte. Er wollte sich nicht mehr Brandblasen einhandeln als unbedingt nötig.
Sannah verbrachte fast den ganzen Nachmittag in der Küche. Ragout-Fin brauchte Zeit. Als sie damit fertig war, bereitete sie noch den Teig für das Stockbrot vor. Josh war inzwischen von seinem Spaziergang zurück und ritt auf dem Platz, unter anderem auch die Dynamitstange. Sannah beseitigte das Chaos in der Küche und ging anschließend duschen. Als sie aus dem Bad kam, öffnete sie die Fenster in ihrem Zimmer, in der Hoffnung, einen kühlen Luftzug einfangen zu können. Mit Buch und Schokolade bewaffnet lümmelte sie sich aufs Bett und fing an zu schmökern. Das Buch war besser, als das Cover hatte erwarten lassen, und so merkte sie nicht, wie die Zeit verging. Erst als sie durch das geöffnete Fenster hörte, dass die Herde zur Tränke kam, wurde ihr klar, dass sie den restlichen Nachmittag mit Lesen vertrödelt hatte. Von der Schokolade war auch kaum noch was übrig. Sie legte das Buch beiseite und blickte aus dem Fenster.
Josh stieg gerade von der Dynamitstange und lobte das Pferd überschwänglich. Sie wollte sich lieber gar nicht vorstellen, welche Geschwindigkeit der Jungspund entwickelte, wenn man ihn machen ließ. Aber es musste gut gewesen sein, denn Josh strahlte übers ganze Gesicht. Er musste ihren Blick gespürt haben, oder es war Zufall, aber Josh sah zu ihrem Fenster hinauf und entdeckte sie. Das Strahlen verschwand augenblicklich von seinem Gesicht, und er wendete sich wieder dem Pferd zu. Beim Anblick der Pferde und durch das Buch abgelenkt, hatte sie die dicke Luft, die zwischen ihnen herrschte, fast schon vergessen. Jetzt wurde ihr schlagartig wieder klar, dass ihnen die Auseinandersetzung noch bevorstand. Sie gönnte sich den Rest der Schokolade und las weiter.
Eine Stunde später erschien Josh in der Küche, wusch sich die Hände und holte die Cola aus dem Kühlschrank. Um die Wogen etwas zu glätten, stellte er zwei Gläser auf den Tisch. Sannah füllte das Essen auf die Teller und stellte es Josh wortlos vor die Nase. Sie setzte sich und fing an zu essen, ohne ihm Beachtung zu schenken. Den ganzen Tag hatte sie sich auf das Ragout gefreut. Zuhause machte sie es meist nur, wenn Besuch anstand. Für sich allein war ihr der Aufwand zu groß. Josh machte sich mit großem Appetit über seine Portion her und entspannte sich etwas. Das Feuer war anscheinend heruntergebrannt, also wagte er einen Versuch. „Das ist gut“, stellte er fest. „Was ist das?“
„Klapperschlangen-Ragout“, antwortete sie schnippisch.
Er sah sie entgeistert an, das konnte sie unmöglich wissen. Oder hatte er sich mal verplappert? Er schluckte und machte sich auf gewaltige Brandblasen gefasst.
Das weitere Abendessen verlief wortlos. Danach kochte Sannah sich einen Tee und ging damit nach draußen. Josh blieb noch in der Küche sitzen und versuchte, den nötigen Mut zusammenzukratzen. Er stand auf und ging ihr hinterher. Sie hatte sich nicht wie üblich auf die Bank gesetzt, sondern vorn auf die oberste Stufe der Verandatreppe, und sah hinüber zu den Pferden. Er fasste sich ein Herz und setzte sich direkt hinter sie, so dass sie sich zwischen seinen Knien wiederfand. Sannah schwieg weiter, machte aber auch keine Anstalten aufzustehen. Josh sah das als Zeichen, dass sie bereit war ihm zuzuhören. Er legte seine Arme um sie und zog sie an sich heran.
„Lakota entschuldigen sich nicht. Unbedachte Worte oder Taten lassen sich dadurch nicht ungeschehen machen. Ich hätte heute Morgen besser schweigen