Название | Ganz allein – in Deinem Alter? |
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Автор произведения | Rena Reisch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076605 |
Mit allen Produkten, die ich namentlich nenne, war ich außerordentlich zufrieden; ich bekomme keinen Cent dafür, dass ich sie hier anführe.
Indem ich dieses Buch für Sie schreibe, komme ich in den Hochgenuss, meine Reise sozusagen noch einmal zu machen – und diesmal nehme ich Sie mit, verehrte Leserin, verehrter Leser, und wünsche uns allen viel Spaß auf der Reise.
Möge die Übung gelingen!
1. Eine irreale Freiheit
„Aber warum denn allein?“
Diese Frage musste ich mir sehr oft anhören.
Ja, warum denn?
Nun, einen Partner/eine Partnerin für eine mehrmonatige Weltreise findet man nicht im Handumdrehen. Vielen ist die Reise schlicht zu teuer, viele haben keine Zeit, andere haben Versorgungspflichten. Selbst wenn ich einen festen Partner hätte, wäre ich nicht sicher, dass er mit mir gekommen wäre.
Daher suchte ich gar nicht nach einer Reisebegleitung, denn der Entschluss zu meiner Weltreise war gezwungenermaßen ein „Schnellschuss“, eine auf den ersten Blick überhastet wirkende Entscheidung, wie im nächsten Kapitel zu lesen ist.
Als begeisterte Reisende kenne ich nahezu alle Arten des Reisens: organisierte Gruppenreisen, individuelle Gruppenreisen, Reisen zu zweit und Reisen allein. Am wenigsten mag ich Gruppenreisen, egal, ob selbst organisiert oder über ein Reisebüro. Gruppenreisen bedeuten viel Hetzerei, zu viele unterschiedliche Bedürfnisse, zu viele Egospielchen, zu viel Tratsch– schlicht zu viele Menschen. Ich bin gerne für mich, obwohl ich durchaus gesellig sein kann. Aber ich brauche mehr Rückzug als andere. Mit zu vielen Menschen für längere Zeit auf engem Raum sein zu müssen, macht mich unrund.
Reisen zu zweit können sehr erfreulich sein, vorausgesetzt, man hat einen kompatiblen Reisepartner/eine Reisepartnerin. Man kann sich gegenseitig auf schöne Dinge hinweisen, zu zweit ist es im Restaurant und in der Bar lustiger, man motiviert sich gegenseitig, man lacht miteinander, man kann sich gegenseitig helfen und trösten, man tauscht sich aus und teilt die Kosten. Wenn zwei miteinander verreisen, sollten sie die Angewohnheiten und Ticks des jeweils anderen kennen und damit umgehen können. Gute Reisegefährten sind rar. In meinem großen Bekanntenkreis gibt es exakt zwei Menschen, mit denen ich problemlos für längere Zeit verreisen kann.
Allein zu verreisen hingegen kann eine lohnende Herausforderung sein.
Es bedeutet, eine Freiheit kennenzulernen, die sich im ersten Moment irreal anfühlt. Du musst niemandem gefallen und du kannst niemanden enttäuschen. Allein zu reisen, ist die Freiheit, tun und lassen zu können, was du willst. Niemand weiß genau, wo du bist, kein Mensch weiß, was du tust. Es bedeutet, nicht unter Beobachtung zu stehen, nicht von einer wohlmeinenden Freundin, nicht von einem kulturbeflissenen Kollegen oder dem kritischen Ehepartner. Du musst niemandem Rechenschaft ablegen.
Das heißt aber auch, zu entdecken, dass man vielleicht in vielen Perioden seines Lebens Rollen gespielt hat, die nicht dem ureigenen Prinzip entsprachen. Durch soziale Zwänge und eigene sowie fremde Erwartungen wird man unfrei und ständig gezwungen, sich anzupassen als Gattin, Mutter, Kollegin, Nachbarin, Tochter, Schwester. Irgendwann passiert es dann, dass man selbst nicht mehr weiß, welche Träume man eigentlich für sein Leben hatte, denn diese sind im Wust der Verpflichtungen untergegangen.
Auf meiner Reise habe ich langsam das abgestreift, was ich für andere und für mich selbst zu sein schien. Ich brauchte nicht die immer fröhliche Freundin sein, die allwissende Professorin, die kultivierte Dame, die sportliche Mittsechzigerin. Ich konnte so mutig oder so feige sein, wie ich wollte. Ich konnte dumm sein oder clever, freundlich oder abweisend, missmutig oder heiter, ich konnte ganz einfach sein. Es war vollkommen egal und kümmerte niemanden.
Also fragte ich mich jeden Tag, was ich wirklich wollte. Wollte ich tatsächlich etwas besichtigen oder besuchen oder wollte ich dies nur, weil „man“ dies oder jenes eben gesehen haben musste? Weil es im Reiseführer stand, weil es im Internet fantastische Berichte und noch großartigere Fotos davon gab oder weil jemand aus dem Bekanntenkreis gemeint hatte, dies oder jenes müsste man einfach gesehen haben? Und wenn ich das nicht täte, wäre ich dann ein schlechterer Mensch? Ein uninteressanterer, langweiligerer Mensch? Wollte ich nach meiner Rückkehr auftrumpfen mit allem, was ich von der Welt gesehen hatte, oder wollte ich eine Reise nur zu meinem ureigensten Vergnügen machen?
Während der gesamten Reise waren dies immer wieder schwierige Momente und es dauerte ehrlich gesagt eine ganze Weile, bis ich mir selbst auf die Spur gekommen war. Ich konnte oft nicht erkennen, was ich wirklich wollte. Erst als ich in tiefster Seele verstand, dass ich niemandem Rechenschaft für mein Tun oder eben Nicht-Tun schuldig war, war der Bann gebrochen. Niemand beobachtete mich, niemand kommentierte mein Tun. Ich war allein und ganz auf mich zurückgeworfen, ich konnte tun und mich verhalten, was und wie immer es mir beliebte. Es war eine schwierige Übung!
Im Laufe der Zeit erkannte ich, dass dieses „nicht unter Beobachtung zu stehen“ der größte Luxus einer langen Reise ganz allein ist. Auf meiner Weltreise war es vollkommen egal, ob ich fünfmal ins gleiche Museum ging, um mich an der Farbenpracht der Gemälde zu berauschen, es war egal, ob ich den ganzen Tag im Bett lag und in meinem E-Book las, es kümmerte niemanden, was ich aß oder trank, was ich anhatte, wie ich meinen Tag gestaltete. Ich konnte stundenlang die Welt an mir vorüberziehen lassen, ich konnte plaudern, mit wem auch immer ich wollte, und ich musste mich mit niemandem unterhalten, wenn ich keine Lust dazu hatte. Kurz, ich war bloß ein winziges Menschlein unter vielen anderen, völlig uninteressant und unwichtig.
Nicht wichtig zu sein, kann jemanden an den Rand einer Sinnkrise treiben oder aber in die Entdeckung des Gefühls einer eigenartigen Freiheit. Als ich erkannte, dass es tatsächlich NIEMANDEN kümmerte, was ich so trieb, hatte ich plötzlich das Gefühl, freier atmen zu können.
Natürlich bedeutet allein zu reisen auch, dass die Kommunikationsmöglichkeiten reduziert sind. „Mit wem redest du denn den ganzen Tag“, wollte eine Bekannte, eine sehr kommunikative Dame, wissen. Natürlich redete ich mit anderen, aber oft eben mit niemandem oder mit mir selbst. Es störte mich wenig. Während meiner Reise, vor allem in Neuseeland, als ich mit dem Auto unterwegs war, gab es immer wieder Tage, an denen ich kein einziges Wort mit jemandem wechselte. Es gibt Menschen, die viel Geld für „Schweigeseminare“ bezahlen, um zu sich selbst zu finden. Wenn man allein verreist, ist der Luxus, schweigen zu dürfen, sozusagen inkludiert.
Natürlich bedeutet allein zu reisen auch immer teure Einzelzimmerzuschläge. Damit lebe ich schon lange und habe versucht, diesem eine positive Seite abzugewinnen: Ich habe immer viel Platz in meinem Zimmer, kann so viel Unordnung machen, wie ich will, muss mich nicht um offene oder geschlossene Fenster, Temperatureinstellungen von Klimaanlagen oder die Badezimmerbenützung herumstreiten. Auch hier habe ich die Freiheit, zu tun, was ich will.
Aber es gibt auch Momente, die man gerne mit einem anderen teilen würde. Es wäre gelogen, so zu tun, als hätte ich diese auf meiner Weltreise nicht gehabt. Die leckeren argentinischen Steaks hätte ich gerne in angenehmer Gesellschaft verzehrt und die Schönheiten der neuseeländischen Landschaften wären mit der Möglichkeit, einem anderen davon vorzuschwärmen, noch großartiger gewesen. Und ein bisschen über dies oder jenes mit einem anderen lästern zu können, hätte Frusterlebnisse leichter ertragen lassen.
2. Wie alles begann
Ich gehe auf Weltreise. Allein. Das wollte ich schon immer machen.
Jetzt noch stockt mir der Atem, wenn ich das lese.
Ich heiße Rena, bin im 64. Lebensjahr und seit einem Jahr in Pension. Beruflich war mein Leben vielfältig –Professorin für Englisch und Geschichte an höheren österreichischen Schulen, selbstständige Unternehmerin als Vortragende, Farb-, Typ- und Imageberaterin, PR-Beraterin, Buchautorin. Privat war es