Название | Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West |
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Автор произведения | Dr. Werner Resch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991075325 |
Am 10. November 2016 hat mich Frau Rieger in Viterbo besucht, ein wundervoller Höhepunkt in meiner Knastzeit. Nach einem sehr angenehmen Gespräch und der Übergabe von vier Büchern von der deutschen Botschaft, noch großen Dank, hatte Frau Rieger noch ein Gespräch mit Avv. Ceccarelli zur Analyse der Situation.
Ich muss hier hervorheben, die deutsche Botschaft in Rom hat alles getan, was in ihrer diplomatischen Möglichkeit zur Verfügung stand. Für die deutschen Botschaften in Bukarest und Rom großes Kompliment und danke an das deutsche Außenministerium.
Am 30. Oktober 2016 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben in der Nacht das Gefängnis von Viterbo, der Knast wackelte.
Die Auswirkungen waren in nicht geringer Entfernung viel schlimmer, erschreckend schlimm, ganze Dörfer waren zerstört.
Auf Initiative einer Gruppe von italienischen Gefangenen wurde auf ein Mittagessen verzichtet, der eingesparte Betrag wurde an die Opfer des Erdbebens überwiesen. Interessante Duplizität der Ereignisse, eine Woche später fand eine Demonstration in Rom statt, organisiert von der Radikalen Partei, für ein Gesetz über Amnestie in den Gefängnissen Italiens. Von der Radikalen Partei hört man wenig in Italien, nur einige Abgeordnete im Parlament, aber die Partei ist führend in allen Fragen der Gefängnisse in Italien.
Der frühere Vorsitzende der Partei, inzwischen gestorben, hatte weltweit Gefängnisse besucht und sich für Gefangene eingesetzt.
Die Demonstration in Rom war nicht sehr stark besucht, nur 2000 bis 3000 Personen, aber große Resonanz im Fernsehen. Psychologisch interessant für mich, die Gefangenen glaubten fest an eine Amnestie.
Nach Tagen wurde schon geredet, wir kommen raus, alle Gefangenen mit einem Urteil von drei Jahren und weniger. Natürlich Unfug, nichts passierte, ich habe niemals daran geglaubt, aber so sind die Knackis, nach jedem Strohhalm wird gegriffen.
Zur Unterstützung der Forderungen der radikalen Partei wurde sogar ein Hungerstreik von zwei Tagen ausgerufen. Am 5. und 6. November streikten die Insassen in allen Gefängnissen Italiens.
Der eingesparte Geldbetrag für das Essen von zwei Tagen wurde den Opfern des Erdbebens zur Verfügung gestellt (hoffentlich). Der Hungerstreik selbst war für uns nicht so krass, wie sich das anhört, ich bekam selbst gekochte wunderbare serbische Bohnensuppe, von den Freunden geliefert. Das war der einzige Hungerstreik, an dem ich in meinem Leben teilgenommen habe.
Eine große Rolle spielt in jedem Gefängnis, neben der Grundversorgung mit Nahrung, die Möglichkeit des privaten Einkaufs von Nahrungsmitteln, von Kuchen bis zu Obst und Gemüse, insbesondere auch Wurst und sogar frisches Fleisch.
Nicht zu vergessen, alle Produkte für die tägliche Hygiene.
In Italien war das System des Einkaufs besonders speziell.
Jede Woche kam eine unendlich lange Liste mit den Produkten und Preisen. Auf einem Bestellzettel wurde dann mit einer Bestellnummer die Bestellung abgegeben. Pünktlich kam einige Tage später der von allen Leuten erwartete Wagen. Die Auslieferung funktionierte optimal, selten, dass irgendein Fehler unterlief. Die Jungs waren routiniert und erfahren. Am gleichen Tag begann dann das große Kochen, das auch am nächsten Tag anhielt.
Ich selbst kochte nicht, ich kann gar nicht kochen, sondern bestellte nur viel Obst, Kuchen, Schokolade und das gute italienische Mineralwasser. Die Lieferung mit perfekten Abläufen erfolgte jeweils für mehrere Gefängnisse durch ein privates Großhandelsunternehmen.
Die Ware kam jede Woche in großen Trucks, über weite Distanzen.
Die Krönung sind die Preise, etwa 30 bis 40 % (und mehr) höher als im normalen Handel in Geschäften und Märkten. Es ist offensichtlich, wer an diesem grandiosen System der Versorgung verdient, auf keinen Fall nur der Großhändler und die Transportunternehmen, das System ist Italia.
Schlimm wird es, wenn eine Störung im System auftaucht. Ich hatte bei einer Bestellung in Unkenntnis, nicht zuerst den Familiennamen geschrieben und dann den Vornamen, sondern zuerst „Werner“.
Keine Auslieferung, damit 10 Tage kein Wasser. Oder der Fall 50 € der Überweisung des Geldes von meiner Familie waren „verschwunden“. Natürlich keine Bestellung möglich, nur durch Hilfe des Capo Reparto wurde das Geld auf einem anderen Konto, einem sogenannten anonymen Konto, gefunden. Ohne den Capo wäre das Geld weg gewesen, nach einer Wartezeit von irgendwelchen Leuten abkassiert. So läuft das Leben!
Sehr speziell ist auch der medizinische Dienst in einem Gefängnis in Viterbo. Anmeldung für einen Besuch beim Arzt gibt es zweimal in der Woche. Ständig neue Ärzte, wie ich später feststellen konnte, aus einem normalen privaten Krankenhaus.
Glücklicherweise hatte ich in dem Jahr in Viterbo nur zweimal ein Problem für die Ärzte. Die rheumatische Zerrung aus Rumänien wurde am Anfang sehr gut mit Voltaren-Tabletten gelöst. Ein sehr komplizierter Fall ergab sich, beginnend im Dezember 2016, an meinen beiden Händen. Entzündung, aufreißende Haut an einem Finger und Vereiterung ging dann über 8 Finger sprunghaft innerhalb von 4 Monaten. Die Ärzte ohne Erklärung einer Diagnose, völlig machtlos. Ohne Therapie, nur ständige Besuche bei Ärzten, heilten die Finger nach vier Monaten „von allein“. Leider habe ich noch heute mit der Durchblutung an beiden Händen Probleme, insbesondere bei niedrigen Temperaturen.
In dem Zusammenhang ein besonders skurriles Erlebnis 2017.
„Resch, Sie werden in ein Krankenhaus außerhalb gefahren zu einem Dermatologen.“ Transport mit vier bewaffneten Polizisten, gefesselt die Hände auf dem Rücken, das ist besonders unbequem wie immer bei solchen Anlässen. Im Krankenhaus, staunende Menschen, ein gefesselter Bandit, unter 4 schwerbewaffneten Polizisten.
Dann die Hände vorn gefesselt. Im dritten Stock des Krankenhauses eine ältere Ärztin, völlig uninteressiert, wie immer kaum englische Sprache. Nimmt meine Hände in die Hand, gibt streng die Anordnung, Fesseln weg, tut sehr gewichtig vor der Polizei, schreibt viel, dann wieder Abmarsch. Von der Dermatologin habe ich nie mehr etwas gehört.
Eine besondere Maßnahme im medizinischen Dienst war die ständige Blutabnahme. Jedes Mal, wenn ich wegen meiner Finger einen Termin hatte, wurde Blutabnahme angeordnet. Wie ich dann erfahren konnte, wurde das Blut in einem privaten Institut, zum Dreifachen des üblichen Preises, analysiert. Ein weiterer Fall von Korruption.
In deutscher Berichterstattung wird so etwas als „Mafia“ abgetan, dahinter steht kein Zwang, keine Erpressung, reine Korruption, an der viele Leute Geld verdienen.
Ich wollte nicht mehr mitspielen. Ich weigerte mich, Blut abnehmen zu lassen, die Schwester sagte: „Das kann nur der Arzt entscheiden.“
Ich sagte: „Holen Sie sofort den Arzt.“ Es war gerade ein Arzt im Nebenraum, wie sich herausstellen sollte, der Chefarzt des privaten Krankenhauses persönlich, dem das Gefängnis angeschlossen war.
Ich fragte: „Sprechen Sie Englisch oder Deutsch?“
Das Letztere rutschte mir nur raus. Der Arzt fragte lachend: „Was wünschen Sie?“ Ich antworte: „Natürlich Deutsch.“ Er sprach perfekt Deutsch. Er war viele Jahre als Chirurg in Siegen im Sauerland. Seine Frau aus Düsseldorf. Er überzeugte mich locker sofort zur Blutabnahme, er komme selbst mit dem Ergebnis, kündigte er an.
Mit dem Ergebnis kam er natürlich nicht, aber wir haben uns noch einmal gesehen, der Chefarzt, ein wirklich netter Typ. Wir verabredeten uns für einen Espresso auf der Königsallee in Düsseldorf. Dabei ist es bisher geblieben.
Meine große Überraschung über das Gesundheitssystem in Viterbo kam erst in Berlin. Ich landete 6 Monate später im Gefängnis-Krankenhaus, Plötzensee.
Ansonsten konnte ich beobachten, wie jeden Monat mindestens ein Toter, im schwarzen Plastiksack, das Gefängnis verlassen hat.
Ein besonderes Kapitel der Hygiene im Gefängnis ist die Möglichkeit, zu duschen, ohne eine Gefahr der Ansteckung