Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West. Dr. Werner Resch

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Название Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West
Автор произведения Dr. Werner Resch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075325



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Typ habe ich nicht mehr gesehen.

      Am 10. Juli erlebte ich noch eine große Revolte im Knast, wie man so etwas nur aus Filmen kennt. Für mich das einzige derartige Erlebnis in der Realität. Abends war der Strom weg, normalerweise kein Problem, nach einer Stunde wurde es dann zu einem Problem. Für alle Leute kein Fernsehen. Zuerst Schreie und Treten und Schlagen gegen die Türen.

      Dann flogen Sachen aus den Gitter-Fenstern, Stühle wurden zerschlagen, aus Tischen und Betten entstanden „Rammen“, die unter Schreien gegen die Gittertüren eingesetzt wurden. Der Knast tobte.

      Die Beamten verschwanden von den Kontrollpositionen und verschlossen sämtliche Türen im Gefängnis automatisch.

      Die Menge tobte noch etwa 45 Minuten, dann gab es wieder Licht, im wahrsten Sinne des Wortes.

      In dem Jahr Gefängnis in Italien waren für mich neben dem wöchentlichen Telefongespräch mit meiner Frau das Eintreffen des „großen Briefes“ mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und dem „Spiegel“, von meiner Tochter Ina aus München, die absoluten Höhepunkte. Zweimal im Monat bekam ich diese wunderbare Sendung. Der Beamte schrie meinen Namen auf dem Flur, hörte ich natürlich nicht, Leute holten mich, mit der Information „Post“.

      Ich schritt jedes Mal langsam und feierlich zur Ausgabe, der Brief wird geöffnet und kontrolliert, oft studierten die Beamten, was die Zeitungen in Deutschland kosten, dann Übergabe und stolzer Abgang.

      Seit ich im August 1961 aus der DDR in den Westen kam, abonnierte ich „FAZ“ und „Spiegel“. Ich war wie „besessen“ von meiner täglichen Information in meinem Leben in Deutschland. Nach meinen langen Dienstreisen las ich nächtelang in Aufarbeitung die Presse. In Kiew und Moskau kannte ich die Stellen, wo ich, zum dreifachen Preis, FAZ und Spiegel selbst kaufen konnte. Diese Informationen bestimmten mein ganzes Leben. In Italien erstmalig ohne jede Information.

      Im italienischen TV wenige Informationen und dann natürlich in italienischer Sprache. Für mich war dieser Mangel an Informationen das Schlimmste im Gefängnis. Für das großartige Pressegeschenk bin ich Tochter Ina sehr dankbar.

      Der für mich wichtigste Schritt in dem Drama war die Auslieferung nach Deutschland, um in Deutschland Recht und Freiheit zu bekommen. Die zeitlichen Abläufe und die nervliche Belastung durch die juristischen Abläufe zwischen Italien und Deutschland sind für einen normalen deutschen Staatsbürger, der dieses Drama nicht erleben musste, unvorstellbar.

      Im Januar 2017 stimmte die italienische Justizministerin meiner Auslieferung nach Deutschland zu. Im März wurde die Staatsanwaltschaft Düsseldorf informiert. Mit Datum 12.4.2017 bekam ich vom Landgericht Düsseldorf eine erstaunliche, aber gute Nachricht, dass Rechtsanwältin Sabrina Buelli, Köln, als Beistand bestellt wurde, weil Zweifel bestehen, ob der Verurteilte seine Rechte selbst hinreichend wahrnehmen kann. Erstaunlich, weil ich Rechtsanwalt Heinz Gerlinger, Dortmund, als meinen Anwalt benannt hatte. Aber sehr gut, wenn das Landgericht eine neue Anwältin beruft, dann gibt es Kontakte und Verbindungen zum Gericht, das kann meine Auslieferung endlich in Bewegung bringen.

      Ich habe sofort Frau Buelli geschrieben und eine Antwort bekommen, dass die Sache in Düsseldorf angelaufen ist.

      Mit Datum 30. Mai bekam ich die Kopie eines Schreibens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf an das Justizministerium in Rom, dass am 5. Mai das Landgericht Düsseldorf erklärt hat, dass das Urteil des Appellationsgerichtes Torino für vollstreckbar erklärt wird.

      Zu vollstrecken ist eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren, anerkannt wird der in Italien vollstreckte Teil der Sanktionen.

      Was dann folgte, war ein Schock, die deutsche Übersetzung des Urteils von Torino, diese zusammengelogenen Abläufe der Übernahme der kleinen Firma Gessarolli, hatte ich bisher noch niemals gesehen.

      Meine Gedanken waren, nur raus aus Italien, völlig egal, welche juristischen Abläufe erforderlich werden, nur nach Deutschland.

      Ich hatte jetzt drei Rechtsanwälte, in Viterbo, in Dortmund und in Köln. Man könnte annehmen, diese ausgewählte erfahrene Truppe von Anwälten holt mich hier schnell raus, wo die rechtlichen Abläufe doch geklärt waren. Das ging leider an der Realität der Justiz in zwei Ländern vorbei. Es dauerte jetzt fast zwei Monate, um den Einsatz von Interpol und einen Flug von Rom nach Berlin sicherzustellen.

      Zwei Monate mit ständigem Warten auf eine Information ist in dieser Zeit das Schlimmste, man erfährt nichts. Auch der ständige Kontakt zu den drei Anwälten bewegte nichts, ein schlimmes System.

      Auch eine Frage an die Gefängnisleitung ruft nur ein Lächeln hervor.

      Antwort: „Sie werden erfahren, wann der Flug nach Deutschland stattfinden wird.“

      Dann an einem Samstag, 22. Juli, wurde ich in das Zentralbüro „Matricola“ bestellt, ein mir bekannter netter Beamter hat mich vor die Tür gebeten und mir mitgeteilt, am 25.07 geht der Flug nach Berlin.

      Ich war so erfreut, emotional, so hochgedreht, dass ich den Beamten umarmte, das ist nun wirklich außergewöhnlich.

      Der Polizei-Beamte lachte und sagte, es ist das erste Mal in seinem Berufsleben, dass ihn ein Gefangener umarmt.

      Das gab neue Energie, die verbleibenden 2 Tage, mit gesteigertem Training. Ich lief am Montag zum Abschied vom Campo Runde um Runde mit hohem Tempo, als ginge es um einen großen Wettkampf.

      Dann am Montag 17 Uhr, meine Sachen im Magazin abgeben, die neue Tasche von Rechtsanwalt Ceccarelli wird für den Transport gepackt. Ich bin sehr dankbar für diese Tasche, denn ich hatte buchstäblich nichts, meine Reisetasche war in der Ukraine, ich hätte einen blauen Plastiksack nehmen müssen.

      Am Abend Abschied von meinen Freunden, Senna, Arthur, Askanio.

      Es war doch erstaunlich, wie stark man in einem Knast unter den harten Bedingungen zusammenwachsen kann. Wir wollten uns draußen wiedersehen.

      Zu meiner großen Überraschung verabschiedeten sich etwa 20 Gefangene persönlich bei mir, viele küssten mich, wie das in vielen Ländern Osteuropas üblich ist. Ich hätte niemals erwartet, wie „populär“ ich in dem Jahr geworden bin.

      Eine enge Verbindung hatte ich nur zu meinen drei Freunden, sonst war ich völlig normal, höflich und respektvoll. Viele Leute bewunderten meine sportliche Energie und Ausdauer im Alter.

      Überraschend auch, wie mich die Araber, Tunesier, Marokkaner, Algerier verabschiedet haben.

      Zu diesen Leuten, zum Teil als Terroristen verurteilt, hatte ich interessanterweise immer ein gutes, respektvolles Verhältnis.

      Ganz sicher waren darunter auch echte Terroristen, das kann man den Gesichtern nicht ansehen.

      25. Juli 8 Uhr morgens beginnt der Transport. Übernahme der Tasche und meiner persönlichen Akten im Magazin. Wieder vier Mann mit den alten Beretta-Pistolen und ich in Handschellen in den Transporter.

      Kurze Zwischenstation auf dem Weg nach Rom, in einem Gefängnis wurde ein Marokkaner „abgegeben“.

      Anschließend holten sich die Polizisten in einem Dorf jeder eine Pizza. Das Warten in dem Transporter, gefesselt, ist schlimm, ich wollte zum Flughafen Rom.

      Dann am Flughafen Übergabe an Interpol. Wieder die angenehme lockere Atmosphäre, Fesseln sofort weg, Kaffee angeboten, in einer Ecke völlig unbeachtet warten. Dann kamen die beiden italienischen Interpol-Beamten, auch wieder wie auf dem Weg von Bukarest nach Rom, ausgesprochen nette Typen, mit sehr gutem Englisch. Der gleiche Ablauf, bevor die Passagiere in die Maschine kommen, letzte Reihe links am Fenster dann ein Platz frei, ein Beamter, der zweite Beamte neben dem Gang auf der anderen Seite. Wieder elegante Stewardessen in den Farben der Alitalia, Kostüme und rote Handschuhe.

      Start, es konnte nichts mehr passieren auf dem Weg nach Deutschland. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr auf die Heimat gefreut.

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