Название | Deutschland ein Rechtsstaat? |
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Автор произведения | Nikolaus Orlop |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076957 |
Diese Art eines Gerichtsverfahrens hat mit der Rechtsstaatlichkeit der Justiz nichts mehr gemein. Hier wird eine Partei gezwungen oder richtiger gesagt, genötigt, sich zu etwas zu entscheiden, das sie berechtigterweise nicht wollte. Weigert sich der Arbeitgeber dennoch, einem Vergleichsabschluss zuzustimmen, riskiert er in aller Regel, ein unterliegendes Urteil hinzunehmen. Damit wird entweder das Arbeitsverhältnis fortgesetzt oder die Berechtigung der Kündigung muss erst in einem langwierigen Verfahren, unter Umständen in drei Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht, mit enormen finanziellen Kosten durchgeführt werden.
3. Richter bevorzugt bewusst eine Partei
In einem Fall waren die Parteien zwar mit dem Abschluss des Vergleichs und der Höhe der Abfindung einverstanden. Dennoch wollte der Vorsitzende Richter aus unerfindlichen Gründen dem Arbeitnehmer zu einer höheren Vergleichssumme verhelfen.
Der Arbeitgeber hatte einem Baupolier mit einem Monatsgehalt von ca. 4.000 DM aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen gekündigt. Dabei war ihm aber der Fehler unterlaufen, dass die schriftliche Kündigung dem Arbeitnehmer erst nach Ablauf der sechs Monate zugegangen war. § 1 KSchG, der die soziale Rechtfertigung einer Arbeitgeberkündigung darstellt, ist praktisch ein gesetzliches, frei kündbares Probearbeitsverhältnis. Hier kann der Arbeitgeber, abgesehen von einer Sittenwidrigkeit, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer noch frei kündigen.
Durch den Ablauf dieser Sechs-Monat-Frist hatte dieser Polier den gesetzlichen Kündigungsschutz jedoch erworben, so dass ihm nur noch gekündigt werden konnte, wenn ein bestimmter berechtigter Grund vorlag. Er erhob somit zulässigerweise Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, hatte aber bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden, bei dem er sich offensichtlich wohler als bei dem früheren fühlte. Die Klage hatte somit lediglich den Sinn, von dem früheren Arbeitgeber zulässigerweise wenigstens eine Abfindung für den Verlust des alten Arbeitsverhältnisses zu erhalten. Vor dem Gerichtstermin trafen sich der Kläger und der Anwalt des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer erklärte, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und mit der vom Arbeitgeber angebotenen Abfindung in Höhe von 1.000 DM einverstanden zu sein.
Im Gerichtssaal teilten beide daraufhin dem Vorsitzenden Richter der Kammer mit, der Kläger sei mit der angebotenen Abfindung von 1.000 DM einverstanden, der Vergleich müsse nur noch protokolliert werden. Bei einem monatlichen Gehalt für einen Polier von 4.000 DM, einer Abfindungssumme von einem halben Monatseinkommen und einer Betriebszugehörigkeit von lediglich sechs Monaten war damit die vom Arbeitgeber angebotene Abfindungssumme von 1.000 DM absolut korrekt. Dies ergibt sich auch aus § 1a Abs. 2 KSchG, wo die Höhe der Abfindungssumme gesetzlich festgelegt ist.
Aus völlig unerfindlichen Gründen erklärte aber der Vorsitzende Richter, mit der Höhe der Abfindungssumme sei er nicht einverstanden. Sie müsste in jedem Fall bei 1.500 DM liegen. Dabei hätte dem Richter klar sein müssen, dass der zu vereinbarende Vergleich – außer er wäre sittenwidrig – eine ausschließliche Vereinbarung zwischen den Parteien ist. Als dem Arbeitgeber-Anwalt schließlich der Geduldsfaden riss, erklärte dieser, der Richter möge seine Richterrobe ausziehen, sich eine Anwaltsrobe besorgen und könne dann mit dem Beklagtenvertreter über die Höhe verhandeln. Das Verfahren endete damit, dass es in einem späteren zusätzlichen Streittermin bei der Abfindungssumme von 1.000 DM blieb. Der neue Termin war völlig unnötig und hatte Gericht und Anwaltskanzlei lediglich zusätzliche Zeit und Kosten verursacht. Die Parteien müssen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Abfindungshöhe einig sein (vorausgesetzt, dies ist alles nicht sittenwidrig). Die Aufgabe des Richters ist es in diesem Fall lediglich, den abgeschlossenen Vergleich ins Gerichtsprotokoll zu diktieren, damit er sich in den Akten befindet und das Verfahren beendet ist.
Was hat ein derartiges Verhalten des Richters noch mit einem unparteilichen, objektiven rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren zu tun, wenn er sich anmaßt, lediglich die Situation der einen Partei zu verbessern?
4. Richter missachtet gesetzliche Vorschrift
Manche Richter (oder Richterinnen) sind nicht gewillt, sich an gesetzliche Vorschriften und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu halten. Leider muss man als Anwalt immer wieder feststellen, dass dieses Richterverhalten kein Einzelfall ist.
Eine Richterin am Arbeitsgericht, noch dazu eine besonders qualifizierte Juristin, erklärte in einem Arbeitsgerichtsverfahren im Streittermin, in dem in aller Regel unmittelbar das Urteil erlassen wird: Der Beklagtenvertreter einer Münchner Firma hätte bei seiner Begründung einer personenbedingten Kündigung noch zusätzlich vortragen müssen, wie oft am Tag der mittlerweile kranke Arbeitnehmer die schweren Zementsäcke tragen musste. Auf die Bitte des Arbeitgebervertreters um eine kurze Schriftsatzfrist zur Beantwortung erwiderte die Richterin, eine Schriftsatzfrist werde nicht gewährt. Das Gericht werde sofort mit einem Endurteil entscheiden. Es war somit klar, dass dies natürlich zu Ungunsten des Arbeitgebers ausgegangen wäre. Die Richterin begründete ihre Haltung mit dem Hinweis, die Vorschrift des § 139 ZPO (richterlicher Hinweis an die Parteien, wenn diese etwas übersehen haben) gelte nicht für Rechtanwälte, schon gar nicht für Fachanwälte für Arbeitsrecht, die so umfassend informiert sind wie der betreffende Anwalt.
Der Rechtsanwalt erklärte daraufhin in der Sitzung, er würde keinen Antrag stellen. Damit war das Gericht praktisch gehindert, eine endgültige Endentscheidung zu fällen. Es hätte lediglich ein Versäumnisurteil erlassen können. Die Frau Vorsitzende erwiderte daraufhin treuherzig (unter großem Gelächter aller Anwesenden im Sitzungssaal): „Herr Rechtsanwalt, Ihr Verhalten, keinen Antrag zu stellen, ist prozessual unanständig“.
Abgesehen von der durchaus humorvollen und witzigen Äußerung der Gerichtsvorsitzenden muss das Verhalten aber dennoch entschieden kritisiert werden. Diese Richterin war nicht nur eine gute Juristin, was von allen, die mit ihr zu tun hatten, so gesehen wurde. Sie befand sich permanent in einem Irrtum über diese Vorschrift mit der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO). Denn der Bundesgerichtshof hatte schon längst mehrfach entschieden, dass auch ein Fachanwalt für Arbeitsrecht etwas übersehen kann, genauso wie sich im Übrigen auch ein Richter irren bzw. etwas übersehen kann. Da die besagte Richterin einerseits eine hervorragende Juristin war, andererseits auch im Allgemeinen als nicht überheblich angesehen werden konnte, bleibt die Frage, was sie zu dem Verhalten veranlasste. Weshalb legte sie die Gesetzesnorm bewusst falsch aus und ignorierte einfach die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH? Liegt hier einfach nur eine richterliche Willkür vor? Oder sollte man sagen, der Richter in der deutschen Justiz ist so unabhängig, wie es das Richtergesetz betont, dass er auch Gesetze und Rechtsprechung frei auslegen kann?
5. Richter begeht Rechtsbeugung
Ein ähnlich gelagerter Fall ereignete sich bei demselben Arbeitsgericht, allerdings unter einem anderen Richter, der noch einen Schritt weiter ging.
Ein Arbeitgeber hatte seinem Bauarbeiter wie üblich zu Beginn der Winterzeit gekündigt mit dem Versprechen, ihn eventuell im kommenden Frühjahr wiedereinzustellen. Als sich die Wiedereinstellung verzögerte, verklagte der Arbeitnehmer verständlicherweise den Unternehmer, ihn wieder zu beschäftigen. Da ein unmittelbarer Anspruch auf Weiterbeschäftigung nicht bestand, kam der klägerische Anwalt im letzten Termin auf die Idee, die eventuell nicht ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung beim Ausspruch der Kündigung als Anspruchsgrundlage zu benutzen. Die Kündigung mit der erfolgten Betriebsratsanhörung lag mittlerweile über neun Monate zurück, so dass auf diesen Gesichtspunkt von der Beklagtenseite bei der Klageerwiderung verständlicherweise nicht eingegangen worden war.
Der Arbeitsrichter erklärte darauf hin, er werde die Begründetheit der Arbeitnehmerklage auf die bestrittene Betriebsratsanhörung stützen. Eine vom Beklagten erbetene kurze Schriftsatzfrist, dieser klägerische Einwand sei überraschend, lehnte der Richter ab. Als sich der Beklagtenanwalt daraufhin weigerte, einen Antrag im Termin zu stellen, damit der Richter es unterließ, eine endgültige Entscheidung zu fällen, erklärte dieser dem Anwalt, für die Beklagtenseite völlig überraschend: „Der Antrag auf Klageabweisung ist bereits in Ihrem vorbereitenden Schriftsatz gestellt worden.“
Für den Nicht-Juristen muss hierbei festgehalten werden, dass im Zivilverfahren, vor den Amtsgerichten, Arbeitsgerichten