Название | Einführung in die philosophische Ethik |
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Автор произведения | Dietmar Hübner |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846356616 |
Fragen und Aufgaben
1.Betrachten Sie den Satz ›Wenn du einen guten Freund hast, solltest du ihm stets die Wahrheit sagen‹. In welchem Sinne ließe sich dieser Satz als moralische Regel interpretieren, in welchem als nichtmoralische?
2.Denken Sie sich Fälle aus, in denen man von einem schweren moralischen Problem, aber nicht von einem schwierigen ethischen Problem sprechen könnte. Finden Sie umgekehrt Beispiele, in denen interessante ethische Probleme, aber keine relevanten moralischen Probleme sichtbar werden.
3.Ein Forscherteam will das Sozialverhalten innerhalb einer religiösen Randgruppe untersuchen und dabei alle drei Ebenen der Ethik berücksichtigen. Wie könnten konkrete Forschungsfragen aussehen, die der deskriptiven Ethik, der normativen Ethik oder aber der Metaethik zugehören?
2. Deskriptive Ethik – Ansätze aus Philosophie, Psychologie und Soziologie
Die folgenden Abschnitte geben einen Einblick in das Gebiet der deskriptiven Ethik. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern wollen lediglich anhand einiger wichtiger Beispiele einen Eindruck vermitteln, welches Spektrum dieser Ethikbereich eröffnet und welche Beiträge hierzu aus unterschiedlichen Disziplinen geleistet worden sind.
Deskriptive Ethik scheint auf den ersten Blick nicht vorrangig Sache der Philosophie zu sein. Die Beschreibung faktischer Moralen würde man womöglich eher von anderen Wissenschaften erwarten, mit Blick auf die Moralüberzeugungen von Individuen etwa von der Psychologie oder der Erziehungswissenschaft, mit Blick auf die Moralvorstellungen in Kollektiven vor allem von Soziologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Geschichtswissenschaft, Kulturanthropologie oder Religionswissenschaft. Auch die Philosophie kann sich indessen in die deskriptive Ethik einbringen und eigenen Gewinn daraus ziehen: Philosophischer Sachverstand mag gefragt sein, um die genaueren begrifflichen, propositionalen und argumentativen Zusammenhänge freizulegen, die in beobachteten Moralen am Werk sind. Außerdem stellen manche philosophischen Autoren zunächst deskriptive Betrachtungen zur Beschaffenheit menschlicher Moralauffassungen an, um hieraus normative Überlegungen zu den Eckpunkten eines richtigen Moralsystems zu entwickeln (ein Beispiel gibt Abschnitt 2.1). Ein solcher Übergang von deskriptiver zu normativer Ethik lässt sich auch in anderen Wissenschaften beobachten: Zuweilen stellen diese ebenfalls nicht allein verschiedene Moralen dar, wie sie bei Individuen oder in Kollektiven faktisch vorkommen mögen. Vielmehr nehmen sie überdies mehr oder weniger offen Stellung dazu, wie diese Moralen in ihrem Inhalt oder in ihrer Wirkung zu bewerten sind (hierzu finden sich Beispiele in den Abschnitten 2.2 und 2.3). Der Zusammenhang von deskriptiver und normativer Ethik ist Thema einiger abschließender Bemerkungen (Abschnitt 2.4). Diese leiten in das nachfolgende Kapitel 3 zur Metaethik über.
2.1 Smith: Vom ›aufmerksamen Zuschauer‹ zum ›unparteiischen Zuschauer‹
Adam Smith (1723–1790) ist primär als Ökonom bekannt geworden. Insbesondere sein Werk An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) gehört zu den ersten Untersuchungen, die sich in wissenschaftlicher Form mit den Mechanismen der freien Marktwirtschaft auseinandersetzen. Smith hat aber auch als Moralphilosoph gearbeitet. Sein Hauptwerk in diesem Bereich ist The Theory of Moral Sentiments (1759). In diesem Buch entwickelt er einerseits eine normative Ethik utilitaristischen Typs (die in Kapitel 6 dieses Buchs noch einmal Thema ist), andererseits deskriptive Überlegungen zur Natur und Gestalt moralischer Empfindungen (wie es der Titel der Schrift andeutet). Dabei stehen deskriptive und normative Erörterungen in einem engen argumentativen Zusammenhang, der sich vor allem an Smiths Zentralbegriffen eines ›aufmerksamen Zuschauers‹ bzw. eines ›unparteiischen Zuschauers‹ nachzeichnen lässt.
(1) Smith stellt zunächst fest, dass reale Menschen in der Regel über die Fähigkeit verfügen, die Gefühle anderer, primär betroffener Menschen in gleichsam spiegelbildlicher, sekundär mitempfindender Weise in sich nachzubilden. Auf die Wahrnehmung freudiger Empfindungen reagieren sie mit eigener Freude, auf die Beobachtung fremden Leids mit mitleidenden Regungen. Dieses Nachempfinden nennt Smith ›Sympathie‹, und sie zeichnet einen Menschen als ›aufmerksamen Zuschauer‹ aus:
»Der Affekt, der durch irgendeinen Gegenstand in der zunächst betroffenen Person erregt wird, mag [...] welcher immer sein, stets wird in der Brust eines jeden aufmerksamen Zuschauers [attentive spectator] bei dem Gedanken an die Lage des anderen eine ähnliche Gemütsbewegung entstehen.« [SMITH, TMS, I.1.1, 4]
»Das Wort ›Sympathie‹ [sympathy] kann [...] dazu verwendet werden, um unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten zu bezeichnen.« [SMITH, TMS, I.1.1, 4]
Insofern Smith hier von dem üblichen faktischen Einfühlungsvermögen tatsächlicher Beobachter spricht, macht er eine primär deskriptive Aussage. Allerdings schwingt in diesen Ausführungen auch bereits eine gewisse normative Wertung mit. Jene Fähigkeit zur ›Sympathie‹ ist fraglos positiv zu beurteilen. Auf sie gründen sich »[d]ie sanften, die zarten, die liebenswürdigen Tugenden, die Tugenden aufrichtiger Herablassung und nachsichtiger Menschlichkeit« [SMITH, TMS, I.1.5, 27]. Ein ›unaufmerksamer Zuschauer‹, der sie vermissen ließe, wiese ein merkliches moralisches Defizit auf.
(2) Allerdings ist die Position der Sympathie bzw. des aufmerksamen Zuschauers für Smith noch unzureichend für eine vollgültige moralische Haltung. Insbesondere ist sie anfällig für Verzerrungen durch die Eigenliebe, falls man selbst von den fraglichen Entscheidungen und Handlungen betroffen ist. Die eigentlich moralische Perspektive wird erst mit jener völligen ›Selbstbeherrschung‹ erreicht, wie sie ein ›unparteiischer Zuschauer‹ aufbringen könnte:
»[...] nur durch das Auge dieses unparteiischen Zuschauers [impartial spectator] können die natürlichen Täuschungen der Selbstliebe richtiggestellt werden.« [SMITH, TMS, III.3, 203]
»[...] die ehrwürdigen und achtunggebietenden Tugenden [bestehen] in jenem Grade von Selbstbeherrschung [self-command], der uns durch seine wunderbare Gewalt über die unlenkbarsten Leidenschaften der menschlichen Natur in Erstaunen setzt.« [SMITH, TMS, I.1.5, 29]
Einfühlungsvermögen allein genügt nicht den Anforderungen von Smiths normativer Ethik. Erst wenn auch das Selbstinteresse des Handelnden überwunden und Unparteilichkeit zwischen den eigenen Wünschen und den mitfühlend erschlossenen Bedürfnissen anderer Betroffener erreicht ist, sind die Forderungen der Moral erfüllt. Entsprechend ist jene ›Selbstbeherrschung‹ noch weitaus höher zu schätzen als die Sympathie. Sie verkörpert »die erhabenen, ehrwürdigen und achtunggebietenden Tugenden, die Tugenden der Selbstverleugnung, der Selbstbeherrschung und jener Herrschaft über die Affekte, welche alle unsere Gemütsbewegungen dem unterordnet, was unsere Würde und Ehre und die Schicklichkeit des Betragens von uns fordern« [SMITH, TMS, I.1.5, 27]. Ein ›parteiischer Zuschauer‹, bei aller Einfühlung und Menschlichkeit, hätte noch nicht die volle Moralität erreicht.
(3) Mit welchen inhaltlichen Forderungen Smiths Modell eines ›unparteiischen Zuschauers‹ genauer einhergeht, erläutert Abschnitt 6.5: Dort wird nachgezeichnet, wie Smith aus seinem Ansatz das Moralprinzip des Utilitarismus zu gewinnen versucht. Die spezielle Verbindung von Sympathie und Unparteilichkeit im ›unparteiischen Zuschauer‹ läuft dann darauf hinaus, die Gesamtsumme an Glück über alle Betroffenen hinweg zu maximieren. Hier interessiert zunächst allein, auf welchem grundsätzlichen Weg Smith aus seiner deskriptiven Ethik eine normative