Philosophien der Praxis. Группа авторов

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Название Philosophien der Praxis
Автор произведения Группа авторов
Жанр Философия
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Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783846351345



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1821, 27). Darin, dass eine Sache angemessen so gedacht wird, wie sie ist, ist das Nachdenken „mit der Wirklichkeit versöhnt“ – freilich nicht mit derjenigen der gedachten Sache, sondern mit seiner eigenen: „die Form in ihrer konkretesten Bedeutung“, schreibt Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, „ist die Vernunft als begreifendes Erkennen, und der Inhalt die Vernunft als das substantielle Wesen der sittlichen wie der natürlichen Wirklichkeit“ (Hegel 1821, 27). Ausgehend von diesem methodischen Kern differenziert Hegel sein Projekt und diskutiert Problemlagen, die traditionell den philosophischen Subdisziplinen überantwortet waren, als unterschiedliche Perspektiven auf ein und dieselbe Praxis des Geistes. Dabei bildet die Frage nach unseren menschlichen Angelegenheiten das Leitmotiv, in dem die Frage nach der „sittlichen“ und die nach der „natürlichen“ Wirklichkeit zusammenhängen. Man kann diesen Zusammenhang unterschiedlich perspektivieren – also eher auf die allgemeine kategoriale Systematik fokussieren, die unser Denken überhaupt strukturiert (das Projekt der Wissenschaft der Logik), oder auf die Art, in der die empirischen Wissenschaften Teil der Selbstreflexion unserer Praxis sind (das Projekt der Naturphilosophie im zweiten Teil der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften), oder schließlich auf die Art und Weise, in der unsere menschlichen Angelegenheiten sich in unserer Praxis manifestieren. Um diese letzte Perspektive geht es nun zuletzt. Sie ist einerseits für die „Geschichte der Praxisphilosophie“ interessant, weil sie traditionelle „praktisch-philosophische“ Aspekte behandelt. Vor allem aber ist sie andererseits für die Systematik der Praxisphilosophie zentral, weil zur Form geistiger Tätigkeiten ihre Normativität gehört. Hegel fasst das in der Frage nach der „sittlichen Wirklichkeit“: Das Wirksamsein praktischer Normativität im Handeln und Denken zu begreifen heißt, diese Normativität „substantiell“, also als objektiv und selbstgenügsam zu verstehen. Ihre Geltung hängt nicht von unserer Zustimmung ab; nur deshalb können diese Normen uns vernünftigerweise binden. Zugleich aber ist „in dem, was substantiell ist, ebenso die subjektive Freiheit zu erhalten“ – denn sonst wäre die freie Anerkennung normativer Autorität von bloßem Zwang, Vollzüge von Widerfahrnissen ununterscheidbar. Die Praxisphilosophie löst diese Spannung nicht (nach der Seite des Subjekts hin, oder nach der Seite etwa der „Struktur“ hin) auf, sondern markiert sie als das, was geistiges Tätigsein ausmacht: Die innere Spannung unseres Tätigseins steht „nicht in |57|einem Besonderen und Zufälligen, sondern in dem, was an und für sich ist“ (Hegel 1821, 27). Methodisch beginnt die Praxisphilosophie mit dem Aufweis der Notwendigkeit dieser Spannung, indem sie die Form unserer wirklichen Vollzüge reflektiert, um die „Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen“ (Hegel 1821, 26), also: gerade in dem, was uns als Problem irritiert, die Form zu verstehen, die sich darin exemplifiziert. Wie die Vernunft selbst ist dieses Fragen nach ihrer Manifestation deshalb unhintergehbar situiert: es ist seiner Form nach durch das bedingt, was es anstieß. Diese Erfahrung und Hegels Umgang mit ihr wird im Folgenden nachvollzogen: Der Anstoß ist das irritierende Dilemma, in das das subjektive Nachdenken über praktische Normativität führt (4.1.). Ganz unproblematisch wirklich ist „objektive“ Normativität dann, wenn sie verleiblicht ist: als Gewohnheit (4.2.). Gewohnheit allein reicht aber nicht, um die unser Handeln bestimmende Normativität zu verstehen. In intentionalen Vollzügen zeigt sich vielmehr, dass das, was (in der Gewohnheit) rein individuell aussah, sachlich schon auf die Allgemeinheit praktischer Formen bezogen ist (4.3.) – sodass die Form des individuellen Wollens seiner Form nach immer schon inter-subjektiv, oder ein Anerkennungsverhältnis ist (4.4.).

      4.1. Der Anstoß: „Praktische Vernunft“

      Auch die Praxisphilosophie beginnt mit der Subjektperspektive. Denken (und Handeln) tauchen in ihrer „am nächsten liegenden Vorstellung […,] in [ihrer] gewöhnlichen subjektiven Bedeutung“ auf: „Das Denken als Subjekt vorgestellt ist Denkendes, und der einfache Ausdruck des existierenden Subjekts als Denkenden ist Ich“ (Hegel 1830, § 20). Noch bevor man fragt, wie sich die Normativität geistiger Tätigkeit objektiv vorstellen lässt, muss man Denken eben als mein Denken, und „ich“ mich als Subjekt meiner eigenen Selbstbestimmung auffassen.

      Fragt man sich aber, wie in einer Situation richtig und gut zu handeln wäre, dann verstrickt man sich mit diesem „unbefangenen“ subjektiven Selbstverständnis unversehens im leeren Formalismus des „moralischen Bewußtseins“ (vgl. etwa Yeomans 2015, Kap. 2). Warum? – „Sich selbst bestimmen“ heißt, das eigene Handeln und Wollen an einem Gut zu orientieren, das als zugleich objektiv und anerkannt vorgestellt werden muss und daher „die Bestimmung der allgemeinen abstrakten Wesentlichkeit – der Pflicht“ hat (1821, § 133). Das ist Kants Einsicht: Nur Pflicht orientiert intern und notwendig. Der Gedanke ist aber, meint Hegel, durch seine Abstraktheit ambivalent: „So wesentlich es ist, die reine unbedingte Selbstbestimmung des Willens als die Wurzel der Pflicht herauszuheben […], so sehr setzt die Festhaltung des bloß moralischen Standpunkts […] diesen Gewinn zu einem leeren Formalismus […] herunter“ (Hegel 1821, § 135). Setzt man „unbefangen“ bei sich als „Subjekt“ an, dann bleibt in konkreten Situationen unklar, ob ein Gut, oder ob ich die Quelle der Notwendigkeit bin, die mich zum Handeln nötigt. Der Gedanke der Pflicht in seiner nötigenden Allgemeinheit ist leer; er sagt nicht, wen er zu was genau zwingt. Man könnte deshalb – immer noch |58|ganz „unbefangen“ überlegend – die Aufgabe, in einer Situation auch inhaltlich zu sagen, wozu man vernünftigerweise verpflichtet ist, in „die Besonderheit überhaupt [… verlegen,] in die Subjektivität […] – das Gewissen“. Denn im Akzent auf die Vernünftigkeit des Wollens fokussiert man „nur die formelle Seite der Tätigkeit des Willens, der als dieser [d.h. als ein bestimmter Wille] keinen eigentümlichen Inhalt hat“ (Hegel 1821, § 136–37). Die inhaltliche Bestimmung (das Gewollte, und die affektive Tönung des Wollens) muss deshalb von anderswoher rühren – und woher naheliegender als aus unserer unergründlichen Individualität?

      „Gewissen“ ist hier der Titel für gesinnungsmäßiges Wollen. Mit dem Verweis auf das Gewissen beansprucht man „die absolute Berechtigung des subjektiven Selbstbewußtseins […], nämlich in sich und aus sich selbst zu wissen, was Recht und Pflicht ist, und nichts anzuerkennen, als was es so als das Gute weiß, zugleich in der Behauptung, daß, was es so weiß und will, in Wahrheit Recht und Pflicht ist“. Der Verweis aufs Gewissen ist indes ambivalent: er muß Angemessenheit, „Wahrheit“ beanspruchen, kann sie aber nicht einlösen. Denn „ob das, was [ein Individuum] für gut hält oder ausgibt, auch wirklich gut ist, dies erkennt sich allein aus dem Inhalt dieses Gutseinsollenden“. Wenn aber der Inhalt das Maß für die Güte des Wollens ist, dann kann er gerade nicht rein individuell bestimmt sein, sondern muss die Form „von allgemeinen, gedachten Bestimmungen“ haben, die „Form von Gesetzen und Grundsätzen“ (Hegel 1821, § 137 u. Anm.). Der unbefangene Anfang beinhaltet die Spannung, dass das so vorgestellte gewissenhafte Subjekt zugleich „die urteilende Macht“ sein soll, die sagt, was zu tun gut ist, und „die Macht, welcher das zuerst nur vorgestellte und sein sollende Gute eine Wirklichkeit verdankt“ (Hegel 1821,§ 138). Man verstünde sich zugleich als nach Normen urteilend, und darin als die Quelle der Kraft, die diese Normen zum Maßstab macht, an dem sich Urteile orientieren können. Beim Versuch, sich selbst als Quelle seines guten Handelns zu verstehen, entdeckt der „unbefangene“ Anfang so, dass das Gewissen „als formelle Subjektivität schlechthin [… immer] auf dem Sprunge […ist], ins Böse umzuschlagen; an der für sich seienden, für sich wissenden und beschließenden Gewißheit seiner selbst haben beide, die Moralität und das Böse, ihre gemeinschaftliche Wurzel“ (Hegel 1821, § 139 Anm.).

      Wenn gewollt wird, will jemand etwas; man bekommt den konkreten wollenden Menschen nicht aus der Vorstellung vom „Wollen“ heraus. Für Kant war es gerade ein Clou der Moralbegründung, dass die Rede vom „reinen Willen“ eine Abstraktion ist, die es uns erlaubt, zwischen dem universellen Anspruch „an sich guten Wollens“ und seiner Exemplifikation in Leuten wie uns zu unterscheiden. Hegels Analyse des „Gewissens“ zeigt aber, dass diese