Название | Friedens- und Konfliktforschung |
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Автор произведения | Ines-Jacqueline Werkner |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846354438 |
Sozioökonomische Faktoren: Sie gelten als die bedeutendste langfristige Ursache innerstaatlicher bewaffneter Konflikte und Kriege. Ein wesentliches Kennzeichen ist die sozioökonomische Heterogenität (soziale Ungerechtigkeit). Diese hat zahlreiche Ursachen: ungerechte Verteilungen, Wirtschaftssysteme, die einzelne Gruppen bevorzugen beziehungsweise benachteiligen, oder auch ökonomische Entwicklungen, die mit Veränderungen der Sozialstruktur einhergehen.
Politische Faktoren: Auch sie erweisen sich als zentrale Kriegsursache. Insbesondere können repressive politische Systeme Krieg befördern, speziell in Transitionszeiten. Hinzu kommen politische Machterhaltungsinteressen (wie Herrschaftssicherung, Hegemoniebestrebungen, Territoriumsansprüche), gegebenenfalls politische Fehlperzeptionen nationaler Eliten und Herrschaftsgruppen, eine Nichtbeachtung beziehungsweise Verletzung politischer Gruppenrechte, aber auch Risiken, die von fragiler Staatlichkeit ausgehen (Legitimationsdefizite von Regierung und öffentlichen Einrichtungen, fehlende Gewaltenteilung, Kriminalität etc.).
Sicherheitspolitische Faktoren: Diese gehen auf vorrangig neorealistische Annahmen zurück (vgl. auch obige Ausführungen zu Kenneth Waltz’ Typologie); sie ergeben sich aus der internationalen Ordnung. Dabei werden für Kriege vor allem die Anarchie der Staatenwelt und das damit verbundene Sicherheitsdilemma verantwortlich gemacht.
Ökologische Faktoren: Selbst wenn sie an die Bedeutung sozioökonomischer und politischer Faktoren nicht heranreichen, spielen sie eine nicht zu unterschätzende Rolle. So können Zerstörungen der Umwelt (wie Bodenerosion, Abholzung oder durch Naturabbau bedingter Wassermangel) zu einer Verknappung von Ressourcen führen und wirtschaftliche Probleme noch befördern.
Kulturelle Faktoren: Hierzu zählen verschiedenste Muster kultureller Diskriminierung. Häufig wird auf die ethnisch-kulturelle Heterogenität abgehoben. Dabei stellen ethnische Differenzen selten die alleinige Ursache von bewaffneten Konflikten dar, sie kommen aber – in Verbindung mit sozioökonomischen und politischen Faktoren – „als wichtige Ressource machtpolitischer Mobilisierung und Manipulierung“ (Knapp und Krell 2004, S.413) zum Tragen.
Bewaffnete Konflikte und Kriege lassen sich selten auf nur eine dieser Ursachenkategorien zurückführen; es gibt nicht den sozioökonomischen, politischen oder kulturellen Konflikt. Vielmehr dienen die verschiedenen Erklärungsansätze als „analytisches Gesamtmodell“ (Boemcken und Krieger 2006, S.17), in dem sich die Konflikte und Kriege in je spezifischer Weise verorten lassen. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, welche der Ursachen sich wie und zu welchem Grade in einem konkreten Fall als erklärungsfähig erweisen, sondern auch, wie die verschiedenen Faktoren in Beziehung zueinander stehen und interagieren (vgl. Smith 2004, S.7).
Mit diesen – hier nur stichwortartig aufgezeigten – Kriegsursachen ist die Vielschichtigkeit des Phänomens Krieg aber noch nicht vollständig erfasst. Für eine multidimensionale Analyse erarbeitete Dan Smith (2004, S.8f.) in Anlehnung an David Dessler eine Typologie, mit der er neben Hintergründen bewaffneter Konflikte und Kriege (background causes, underlying conditions) weitere Faktoren in Anschlag bringt:
Mobilisierungsstrategien (mobilisation strategy): Diese gehen insoweit über die Zielsetzungen der politischen Akteure hinaus, als sie Wege und Taktiken ansprechen, diese zu erreichen (einschließlich von Strategien zur Mobilisierung der Bevölkerung).
Konfliktauslöser (triggers): Diese erklären weniger, warum ein bewaffneter Konflikt oder Krieg beginnt, sondern vielmehr, warum gerade zu diesem Zeitpunkt.
Katalysatoren (catalysts): Darunter werden Faktoren gefasst, die die Intensität und Dauer des bewaffneten Konflikts beeinflussen. Das können interne Aspekte (zum Beispiel ein militärisches Kräftegleichgewicht der beteiligten Parteien), externe Einflüsse (wie Interventionen von außen, beispielsweise durch die internationale Gemeinschaft) oder auch Naturphänomene (Territorium, Klima etc.) sein.
4.6 Fazit
Konflikte sind hochgradig komplexe und ambivalente Phänomene: Sie können „sowohl als ‚Klebstoff‘ wie auch als ‚Lösemittel‘ fungieren“ (Bonacker und Imbusch 2006, S.77) und eine konstruktive, aber auch destruktive Kraft entfalten. Dabei ist zwischen den verschiedenen Konfliktdimensionen zu unterscheiden: zwischen dem Konfliktbegriff und seinem Austrag wie auch zwischen den Konfliktformen und seinen Ursachen.
Zudem erweisen sich die in der Friedens- und Konfliktforschung existierenden Konflikttypologien nicht ohne Weiteres als kompatibel, setzen sie bei verschiedenen Größen an: Das HIIK beispielsweise orientiert sich wie an obiger Stelle ausgeführt an der Konfliktintensität. Die AKUF wiederum differenziert nach Konfliktgegenständen beziehungsweise nach der Zielsetzung der Konfliktparteien und unterscheidet vier Kriegstypen: Antiregime-Kriege, Autonomie- und Sezessionskriege, zwischenstaatliche Kriege und Dekolonisationskriege. Auch lassen sich Konflikte nach Konfliktakteuren klassifizieren. Hierbei hat sich die Vergesellschaftungsform beziehungsweise der politische Status der Akteure als zentrales Kriterium durchgesetzt. Eine weitere Typologie stellt, da sie bewaffnete Konflikte und Kriege nicht zwingend an einen staatlichen Akteur bindet, die des Politikwissenschaftlers Sven Chojnacki (2006, S.56) dar. Er spricht von vier Kerntypen kriegerischer Gewalt und unterteilt diese in:
„zwischenstaatliche Kriege (zwischen mindestens zwei souveränen Staaten),
extrastaatliche Kriege (zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren jenseits bestehender Staatsgrenzen),
innerstaatliche Kriege (zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren innerhalb bestehender Grenzen) sowie
substaatliche Kriege (zwischen nichtstaatlichen Gewaltakteuren innerhalb oder jenseits formaler Staatsgrenzen).“1
Diese Vielschichtigkeit macht es schwer, wenn nicht gar praktisch unmöglich, eine allgemeingültige Konflikttypologie zu entwickeln, die umfassend und widerspruchsfrei zugleich ist. Die folgenden Ausführungen beanspruchen auch nicht, eine solche zu liefern. Vielmehr sollen im Hinblick auf die Differenzierung von Konflikten nach ihren Ebenen und Akteuren, ihren Gegenständen und ihren Austragungsformen wesentliche Charakteristika und Herausforderungen aktueller Konstellationen herausgearbeitet und diskutiert werden.
Weiterführende Literatur:
Bonacker, Thorsten (Hrsg.). 2008. Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung. 4. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dieses Lehrbuch liefert einen ideengeschichtlichen und systematischen Überblick über soziologische, politikwissenschaftliche und psychologische Konflikttheorien. Das umfasst neben klassischen Positionen von Thomas Hobbes, Karl Marx, Max Weber und Georg Simmel Konflikttheorien der Internationalen Beziehungen, soziologischer Gesellschaftstheorien sowie sozialwissenschaftlicher Akteurstheorien.
Galtung, Johan. 2007. Frieden mit friedlichen Mitteln. Friede und Konflikt, Entwicklung und Kultur. Münster: agenda Verlag. Die Konflikttheorie von Galtung (im Teil II seines Bandes) fokussiert auf die zerstörerisch-schöpferische Doppelnatur des Konflikts. Nach einer Klärung von Grundbegriffen entwickelt Galtung Typologien möglicher Konflikttransformationen und gewaltloser Konfliktinterventionen.
Geis, Anna (Hrsg.). 2006. Den Krieg überdenken. Kriegsbegriffe und Kriegstheorien in der Kontroverse. Baden-Baden: Nomos. Die Beiträge dieses Bandes befassen sich mit den empirischen und theoretischen Herausforderungen des globalen Kriegsgeschehens und behandeln für die gegenwärtige Friedens- und Konfliktforschung zentrale Kriegsbegriffe und -theorien.
5 Konfliktebenen und Konfliktakteure – asymmetrische Konstellationen
Asymmetrische Konstellationen stellen keine neuen Erscheinungen im Konfliktgeschehen dar, sind aber in