Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов

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Название Einführung in die Publizistikwissenschaft
Автор произведения Группа авторов
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783846321706



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vergleicht keineswegs immer nur Länder

      Die komparative Analyse arbeitet grundsätzlich mit mindestens zwei Vergleichseinheiten. Dabei werden auf Makroebene Systeme oder Kulturen bzw. Teilsysteme oder Teilkulturen verglichen. Es ist zu betonen, dass Systeme oder Kulturen keineswegs zwangsläufig deckungsgleich mit Nationen sind. Auch innerhalb von Nationalstaaten können

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      Medienkulturen unterschieden werden, wie etwa die sprachlich segmentierten Medienmärkte in der Schweiz (vgl. hierzu Blum 2003; Hungerbühler 2005) oder in Belgien oder Kanada. Andererseits wird auch oberhalb von Nationalstaaten die Herausbildung transnationaler Medienkulturen untersucht, z. B. wenn die Europäisierung nationaler Medienöffentlichkeiten (Pfetsch/Adam/Eschner 2008; Brüggemann/ Hepp/Kleinen von Königslöw/Wessler 2009) oder gar Unterschiede zwischen einem europäischen und einem angloamerikanischen Journalismus diskutiert werden (Donsbach/Klett 1993; Mancini 2005).

      Weil die nationalstaatliche Ebene keineswegs die einzige Bezugsgrösse darstellt, hat sich neben der Bezeichnung „international vergleichend“ der neutrale Terminus „komparativ“ durchgesetzt. Die vergleichende Kommunikationsforschung ist zwar grundsätzlich grenzüberschreitend, die Art der Grenzziehung kann jedoch variieren. Wie die Vergleichsfälle konzeptionalisiert und voneinander abgegrenzt

      Definition

      werden, hängt also von Festlegungen des Forschers ab. Als Definition lässt sich formulieren: Komparative Kommunikationsforschung liegt immer dann vor, wenn zwischen mindestens zwei Systemen oder Kulturen (oder deren Teilelementen) Vergleiche auf mindestens einen kommunikationswissenschaftlich relevanten Untersuchungsgegenstand gezogen werden. Vergleichende Kommunikationsforschung unterscheidet sich von nicht vergleichender Kommunikationsforschung in drei Punkten: Es handelt sich um eine besondere Strategie zum Erkenntnisgewinn, die (a) grundsätzlich grenzüberschreitend vorgeht, sich (b) um eine system- und kulturübergreifende Reichweite ihrer Schlussfolgerungen bemüht und die (c) Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen Untersuchungsobjekten mit den Kontextbedingungen der sie umgebenden Systeme bzw. Kulturen erklärt (vgl. Esser 2003; Pfetsch/Esser 2003).

      Motive vergleichender Forschung

      Vergleichende Kommunikationsforschung strebt an, das Chaos internationaler Beobachtungen mittels Typologien zu ordnen, die Reichweite und Generalisierbarkeit von Erkenntnissen zu prüfen, Auswirkungen von Kontexteinflüssen auf Untersuchungseinheiten zu erklären, die Kontextabhängigkeit von Befunden herauszustreichen sowie zu einem besseren Verständnis unserer kommunikationswissenschaftlichen Konzepte und Gegenstände zu kommen. Zusätzlich zum räumlichen Vergleich betont die Komparatistik auch den zeitlichen Vergleich: So sollten Mediensysteme zu mehreren Zeitpunkten verglichen |22◄ ►23| werden, wenn beispielsweise die Frage nach Angleichungsprozessen im Mittelpunkt des Interesses steht.

      3 Logik des Vergleichs

      Diesen Festlegungen liegt die Annahme zugrunde, dass unterschiedliche mediale und politische Kontextbedingungen (z. B. des Medien-und

      Komparatistik untersucht die Einflüsse unterschiedlicher Kontexte auf den Untersuchungsgegenstand

      Politiksystems der Schweiz) in einer charakteristischen Wechselbeziehung mit den Arbeitsweisen und Inhaltsgestaltungen von Medienorganisationen (z. B. der Neuen Zürcher Zeitung) sowie den in diesen Medienorganisationen arbeitenden Journalisten stehen. Die publizistischen Arbeitsweisen werden sich in systematischer Weise von Journalisten und Zeitungen unterscheiden, die in andere mediale und politische Kontextbedingungen eingebettet sind. Daher werden komparative Untersuchungen häufig so angelegt, dass gezielt solche Länder ausgewählt werden, die sich hinsichtlich der Kontextbedingungen für das interessierende Phänomen unterscheiden. Auf diese Weise können allgemeine Aussagen über das Phänomen geprüft werden (Was gilt immer, unabhängig von den Kontexteinflüssen?) und spezifische Aussagen (Wie verhält sich der Untersuchungsgegenstand unter dem Einfluss unterschiedlicher Kontextbedingungen?) gemacht werden.

      Dieses Beispiel soll deutlich machen, dass die vergleichende Forschung nicht aus blossem Vergleichen, sondern aus dem Suchen nach Erklärungen besteht (Przeworski 1987). Nun können Erklärungen auf

      Komparative Erklärung: Zwei Ansätze

      zwei verschiedene Arten gesucht werden: mittels „intensiver, fallorientierter Analysen“ für wenige Länder oder mittels „extensiver, variablenorientierter Analysen“ für viele Länder (Ragin 1987). Intensive, fallorientierte Analysen wenden eher verstehende, qualitative Verfahren an; extensive, variablenorientierte Analysen eher kausallogische, quantitative Verfahren. Beim intensiven, fallorientierten Ansatz werden die

      Fallorientierter Ansatz

      Vergleichsfälle mittels dichter Beschreibung in ihren historischen Kontext eingeordnet, ganzheitlich rekonstruiert und in ihrer eigentümlichen Bedeutung und einmaligen Gestalt erkannt und verstanden (vgl. Geertz 1973; Ragin 1989). Genau gegen diese Einzelfallorientierung wendet sich der extensive variablenorientierte Ansatz. Extensiv heisst, dass verallgemeinerbare, repräsentative Ergebnisse sowie reichweitenstarke Theorien angestrebt werden. Variablenorientiert heisst, dass mit |23◄ ►24| Forschungsfragen und Hypothesen gearbeitet wird, die der Kausallogik von unabhängigen und abhängigen Variablen folgen. Länder werden nicht aufgrund ihr Eigentümlichkeit in die Analyse aufgenommen, sondern weil sie eine interessante Kombination von Variablen aufweisen (vgl. Jahn 2006; Landman 2008).

      Variablenorientierter Ansatz

      Die variablenorientierte Kausallogik baut auf der Logik der „quasiexperimentellen“ Methode auf: Forscherteams wählen ihre Fälle bzw. Länder so aus, dass sie unterschiedliche Ausprägungen der unabhängigen, erklärenden Variablen in verschiedenen Systemkontexten entsprechen. Dazu wählen sie z. B. zwei Länder mit rein kommerziellem Rundfunksystem, zwei Länder mit rein öffentlich-rechtlichem Rundfunksystem und zwei Länder mit dualem Rundfunksystem aus. Die drei Gruppen in diesem ländervergleichenden Quasi-Experiment werden dann beispielsweise daraufhin verglichen, in welchen Intensitätsgraden sich die Systeme hinsichtlich der abhängigen Variablen (z. B. Boulevardisierung der Politikberichterstattung) unterscheiden. Ein solches quasi experimentelles Forschungsdesign mit nur sechs Fällen verbietet zwar eine streng kausale Ursachenattribution für die gefundene Varianz der abhängigen Variablen. Eine „weiche Kontrolle“ der Varianz kann aber durch systematische Berücksichtigung alternativer Erklärungen für Boulevardisierung erfolgen. Ein solches Untersuchungsdesign kann zeigen, ob es einen systematischen Zusammenhang zwischen dem Kommerzialisierungsgrad eines Rundfunksystems und dem Boulevardisierungsgrad der Politikberichterstattung gibt. Formal gesprochen, kann ein solches Untersuchungsdesign zeigen, ob es Kovarianz zwischen einer angenommenen unabhängigen Variable und der gemessenen abhängigen Variable gibt. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Leitfrage der Komparatistik — nämlich inwiefern Faktoren des Kommunikationskontextes in charakteristischer Wechselwirkung

      „Die“ prinzipielle Logik der komparativen Kommunikationsforschung

      zu den Untersuchungseinheiten stehen. Der Vergleich bedeutet also, die Kontextbedingungen zu variieren und dann in den jeweiligen Settings zu untersuchen, inwiefern die Einstellungen und Handlungen der Akteure mit konkreten Strukturbedingungen systematisch korrespondieren (vgl. Esser 2003; Pfetsch/Esser 2003; Pfetsch 2003b). Soweit die Kausallogik, die in diesem Lehrbuchbeitrag durchgehend als „die“ Logik der komparativen Kommunikationsforschung vertreten wird.

      Lästigerweise gibt es zwei Probleme in der Praxis. Wie im genannten Beispiel ist auch sonst in der komparativen Kommunikationsforschung |24◄ ►25| ein „harter“ Kausalnachweis manchmal nicht möglich, weil zu wenige Länder in der Analyse sind. Wenn man nur wenige Länder vergleicht, können nicht alle alternativen Kausalkombinationen, die theoretisch ebenfalls zu Boulevardisierung führen können, überprüft werden. Dazu bräuchte es grosse Stichproben mit Ländern, in denen vielfältigste Konfigurationen vorherrschen. Weil die komparative Kommunikationswissenschaft aber oft nur Daten für kleine Ländersamples zur

      Kombination von variablenorientiertem und fallorientiertem Ansatz vor allem bei kleineren Ländersamples

      Verfügung